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Dienstagabend, München Haidhausen

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»Unglaublich. Du hier? 20 Minuten zu früh? Bist du krank? Ist die Pressekonferenz ausgefallen? Hat RG dich endlich gefeuert?«

»Darf ich erst mal in meiner eigenen Wohnung ankommen? Übrigens, entzückend siehst du aus.« Katharina ging mit einem liebevoll-spöttischen Blick auf sein interessantes Outfit an Oliver vorbei in die Küche und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

Mit dem Fahrrad in der Rushhour vom Bayerischen Hof durch die Münchner Innenstadt nach Haidhausen, wo sie wohnte, war kein Vergnügen.

Aber ihre Wohnung war für Münchner Verhältnisse nicht teuer, hatte drei Zimmer, einen kleinen Balkon und lag direkt am Weißenburger Platz, den sie schon als Kind geliebt hatte. Für keinen Job der Welt würde sie diese Wohnung hergeben. Amüsiert betrachtete sie das Treiben in der Küche.

Oliver war mit der Zubereitung von Kartoffelpuffern beschäftigt. »Ich kann nicht kochen und das ist gut so.« Dieser Spruch prangte auf der einzigen in Katharinas Haushalt verfügbaren Schürze und jetzt auf Olivers Bauch. An den Händen trug er dicke Latexhandschuhe, um sich nicht beim Schälen der Kartoffeln zu schneiden. Zu einer Blutvergiftung würde es nicht kommen. Auf dem Kopf – das hatte ihm vermutlich Svenja aufgeschwatzt – saß eine Baseballkappe mit dem Konterfei von Elyas M’Barek. Der Mann, der ansonsten mit seinen intellektuellen Freunden Free-Jazz-Sessions organisierte, ließ sich für Svenja in die Niederungen der Populär-Unterhaltung herab, Katharina schmunzelte: »War’s schön? Wo ist Svenja überhaupt?«

»Die ist zu euren Nachbarinnen gegangen, um Apfelmus auszuleihen. Als sie festgestellt hat, dass ihr keines mehr dahabt, hat sie einen kleinen Tobsuchtsanfall bekommen und ist gleich zur Problemlösung geschritten – ganz die Mutter.« Oliver grinste.

Im selben Moment klingelte es Sturm. Mit einem kleinen Seufzer ging Katharina zur Wohnungstür. Warum hatte dieses Kind nicht wenigstens ein kleines bisschen von der Gemütsruhe seines Vaters erben können? Tobias’ Langsamkeit war ihr manchmal auf den Geist gegangen, als sie noch zusammen waren. Jetzt wünschte sie sich ab und an etwas davon bei ihrer Tochter.

»Wie, du bist da? Hoffentlich hast du was gegessen, die Kartoffelpuffer sind nur für mich und Oliver.« Mit diesen Worten stürzte Svenja an ihrer Mutter vorbei in die Küche und stellte zwei Gläser Apfelmus auf dem Esstisch ab.

»Ella und Sibylla sind super, die haben mir das Apfelmus geschenkt.« Svenja strahlte.

»Ich freue mich auch, dich wiederzusehen«, erwiderte Katharina und drückte ihrer Tochter einen Kuss auf die sommersprossige Stirn. »Und gegessen habe ich noch nichts. Ich werde einfach noch ein paar Kartoffeln schälen und dann reicht es für drei.«

»Aber es gibt kein zweites Paar Handschuhe in diesem mehr als improvisierten Haushalt«, kam es aus Olivers Ecke.

»Ich werde die Kartoffeln unter Einsatz meines Lebens mit nackten Händen schälen«, konterte Katharina. »Wie war der Film, Svenjalein?«

»Spitze«, sagte Svenja, während Oliver über ihren Kopf hinweg den Finger in den Hals steckte und unverkennbare Zeichen starker Übelkeit mimte.

»Einen Lehrer wie den Herrn Müller hätte ich auch gern. Der ist superlustig und soooo cool. War toll, selber schuld, dass du lieber auf deine Versammlung gegangen bist.« Svenjas tiefbraune Augen leuchteten, während sie eingekuschelt in ihre Schmusedecke auf der Eckbank in der Küche saß und erzählte. Sie trug ihr Lieblingsoutfit: rote Latzhose, Tote-Hosen-Shirt (sie kannte die Musik zwar nicht, fand aber den Bandnamen »mega«) und natürlich dieselbe »coole« Kappe auf dem Kopf wie Oliver. Darunter schauten ihre braunen Wuschelhaare heraus. Sie sah zum Knuddeln süß aus.

Zufrieden setzte Katharina sich an den Küchentisch und half, Kartoffeln zu schälen. Offenbar hatte Svenja weniger auf die zum Teil deftige Wortwahl des Films als vielmehr auf Elyas M’Barek geachtet. Umso besser.

»Wolltest du nicht um 21 Uhr im Jazzclub sein? Von Haidhausen bis nach Schwabing brauchst du eine halbe Stunde.« Es war 20.30 Uhr, Oliver lag auf Katharinas Sofa und schenkte sich gerade von dem edlen italienischen Bio-Rotwein nach, den er selbst mitgebracht hatte. Mehr als sechs Euro für eine Flasche Wein auszugeben, lehnte Katharina ab. Billige Weine konnten nach Olivers Meinung zu viele Giftstoffe enthalten, deshalb brachte er seinen Alkohol meist selbst mit. Er hatte Katharinas Schürze inzwischen abgenommen und trug noch sein Job-Outfit – dunkelblaue Bundfaltenhose, blau-weiß gestreiftes Designerhemd. Krawatte und Slipper hatte er ausgezogen. In der Luft hing der Duft nach den Puffern, aus Svenjas Zimmer leuchtete der blaue Plastikbär, eine Lampe, die auf Anweisung der Siebenjährigen die ganze Nacht zu brennen hatte.

»Als großer Adelhofer-Fan kann ich später kommen.« Oliver grinste. »Erzähl.«

Katharina wusste, welch Sakrileg es war, unpünktlich zum wöchentlichen Jazz-Treffen zu kommen. Dass Oliver den Anpfiff für sie in Kauf nahm, rührte sie. Sagen wollte sie das nicht, stattdessen kuschelte sie sich mit einem knappen »rutsch mal« zu seinen Füßen in die Sofaecke, umschloss ihr Rotweinglas mit beiden Händen und begann zu erzählen.

Das Handyklingeln zwei Stunden später erreichte nur Katharinas Mailbox. Oliver war inzwischen nach Schwabing entschwunden und Katharina auf dem Sofa eingeschlafen. »Birgit hier, Lukas Adelhofer ist tot. Die Obduktion zeigt keine Spuren von Fremdeinwirkung. Bin leicht in den Polizeifunk reingekommen.«

Tatort Oberbayern

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