Читать книгу Tatort Oberbayern - Jürgen Ahrens - Страница 13

Dienstagabend,
Breitbrunn am Chiemsee

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»Jetzt is’ der Bub tot.« Das war das Einzige, was seit Roberts Ankunft in der Adelhoferküche gesagt worden war. Rosa Adelhofer hatte den Satz in den Raum gestellt. Seit zehn Minuten schwang die traurige Botschaft zwischen ihnen.

Als Erinnerung, dass bis vor Kurzem Normalität geherrscht hatte auf dem Adelhofer-Hof, hing noch der Geruch von angebratenen Zwiebeln in der Küche. Wurstsalat und Bratkartoffeln hatte es zu Mittag gegeben, das Lieblingsessen ihrer drei »Mannsleit«, wie Rosa Adelhofer in glücklicheren Tagen ihren Mann und die beiden Söhne genannt hatte.

Tränen liefen über das faltige Gesicht der alten Bauersfrau. Aus dem ordentlich aufgesteckten Dutt hingen einige graue Haarsträhnen. Nach ihrer Ohnmacht am Nachmittag, als die Polizistin da gewesen war, hatte sie sich ein bisschen hingelegt. Als es ihr besser ging, war sie mechanisch aufgestanden. Sie trug noch immer ihre Kittelschürze, die sie, kurz bevor das Unheil seinen Lauf genommen hatte, zum Kochen über den grünen Lodenrock und die weiße Trachtenbluse gebunden hatte.

Wie ein Relikt aus einer besseren Zeit leuchteten die rosa Blümchen auf der Schürze.

Max Adelhofer blickte starr auf die blau-weiß karierte Tischdecke. Sein wettergegerbtes Gesicht wirkte grau. Die kräftigen Bauernhände, die sonst immer in Bewegung waren, lagen reglos auf dem Tisch. Sein Ehering, auf den die Esstischlampe schien, warf einen kleinen Lichtstrahl an die Wand. Wie um zu sagen, dass die Ehe Bestand hatte, obwohl eins der Kinder, das daraus hervorgegangen war, nicht mehr lebte.

Der Einzige am Tisch, der sich bewegte, war Robert Adelhofer. Sein Handy zeigte alle paar Sekunden mit einem kurzen Ton eine neue Nachricht an. Robert schrieb zurück oder hörte seine Mailbox ab. Der Sender, diverse Zeitungen – alle wollten natürlich Infos über Lukas’ Verbleib. Adelhofer wusste, dass es nicht klug wäre, gleich mit der Presse Kontakt aufzunehmen. Das würde sofort gegen ihn verwendet werden:

»Mitleidloser Bruder«, »Adelhofer will Kapital aus dem Tod seines Bruders schlagen«, »Hat er seinen Bruder auf dem Gewissen?« – die Schlagzeilen sah er vor sich.

Außerdem konnte er es seiner Mutter wohl im Moment nicht antun, Journalisten ins Haus zu holen.

Sein Vater würde darüber wegkommen, sein Wahlspruch war: »Was uns ned umbringt, macht uns stärker.« An einen seiner Söhne hatte er diese Einstellung weitervererbt, der andere war offenbar daran zerbrochen. Zum ersten Mal betrachtete Robert seine Situation und die seines Bruders aus dieser Sicht und war ergriffen von seinen eigenen Gedanken. Das Handy gab einen weiteren Signalton von sich, genervt stellte Robert es stumm.

»Gell, Mama, des mit den Führungen lass ma erstamal bleibn, jetzt tu ma unsern Buben begrabn und dann schauma weiter.« Unbeholfen legte der alte Adelhofer seine Hand auf die seiner Frau und rieb darauf herum, in dem Versuch, Trost zu spenden.

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