Читать книгу Tatort Oberbayern - Jürgen Ahrens - Страница 23

Montagvormittag,
Redaktion »Fakten«, München

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»Und, war’s a scheene Leich?«

Katharina kannte diese Frage seit ihrer Kindheit. Trotzdem überkam sie ein leichtes Schaudern, wenn im Zusammenhang mit einer würdigen Beerdigung in Bayern von einer »scheenen Leich« gesprochen wurde.

Bei Kriminalhauptkommissarin Nina Obermann meinte Katharina immerhin, etwas Ironie herauszuhören.

Sie hatte gleich beim Aufwachen am Montag beschlossen, die Polizistin noch mal anzurufen.

Zuerst waren Svenja und sie pünktlich aufgestanden, hatten gemütlich zusammen gefrühstückt und Svenja hatte ihr zum Abschied einen Kuss gegeben mit den Worten: »Das war ein tolles Wochenende, Mama.« Nur beim Gedanken daran wurde Katharina warm ums Herz. Ihrer Tochter hatte das Wochenende gefallen, obwohl sie am Samstag hatte arbeiten müssen. Ihre Kleine war nicht beleidigt, sondern hatte den halben Samstag mit Oliver genossen. Und der Sonntag war auch nach ihrem Geschmack gewesen. Sie hatten nur herumgelümmelt – in Katharinas Bett, auf dem Sofa, auf dem Balkon und wieder auf dem Sofa. Kulinarisch war es ein »Bestell-Sonntag« gewesen. Mittags indisch, abends italienisch. Auch das hatte Svenja geliebt.

»Frau Langenfels, sind Sie noch dran?«

»Äh, ja, also nein, eine schöne Beerdigung war es eigentlich nicht, eine würdevolle auch nicht. Dafür war zu viel Botox und Getue im Spiel. Dass Sie nicht gekommen sind, bedeutet, Ihre Ermittlungen sind abgeschlossen?«

»Sieht danach aus. Ich kann Ihnen gern noch mehr berichten. Wie wäre ein gemeinsames Mittagessen? Ich muss sowieso nach München, kurz zum Adelhofer. Vorher vielleicht? 12 Uhr im ›Brauhaus‹? Die haben super Schweinsbraten.«

»Oh, den hatte ich am Chiemsee reichlich. Aber ›Brauhaus‹ ist bestens. Bis später.«

Katharina legte auf und begann, den zweiten Artikel der Adelhofer-Reihe vorzubereiten. Die Beerdigung, ihr exklusives Treffen mit Adelhofer und am Mittwoch würde sie noch die Sendung mit unterbringen.

Anschließend berichtete sie ihrem Chef vom Trip nach Breitbrunn, vom Gespräch mit Adelhofer und dem engen Kontakt mit Nina Obermann. RG zog beeindruckt die Augenbrauen hoch, mehr Zustimmung war von ihm nicht zu erwarten.

Von ihrem Verdacht gegenüber Adelhofer hatte sie nichts erzählt. Das war noch viel zu dünn.

Zwei Stunden später traf sie im »Brauhaus« ein und brauchte nicht lang zu suchen. Eine kräftige Frau Mitte 40 mit roten Haaren und flottem Kurzhaarschnitt trat auf sie zu und drückte fest ihre Hand: »Hallo, Frau Langenfels. Ich bin Nina Obermann. Ich hab da drüben den Tisch freigehalten.«

Es war nach wie vor ungewohnt für Katharina, dass Menschen, die sie noch nie gesehen hatte, sie sofort erkannten. Eigentlich war das der Vorteil einer schreibenden Journalistin, dass man nicht wusste, wie sie aussah. Seit der Medell-Sache hatte sich das bei ihr grundlegend geändert. Sie war selbst fast genauso ins Zentrum des Interesses gerückt wie ihre Story. Ihr Foto tauchte in allen Zeitungen auf, sie hatte diversen Radio- und Fernsehsendern Interviews gegeben. Höhepunkt: ihr Auftritt bei Anne Will. Nette Frau, gute Journalistin, die im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen sinnvolle Fragen gestellt und ihre Privatsphäre respektiert hatte. Die »Alleinerziehende Mutter deckt Mega-Skandal auf«-Nummer war ihr erspart geblieben.

Katharina folgte Nina Obermann zu dem Tisch in der Ecke, wo sie ungestört sprechen konnten.

Tatsächlich bestellte die Kommissarin sich einen Schweinsbraten, Katharina beließ es bei einem Salat mit Putenstreifen. Dazu orderten beide große Johannisbeer-Schorlen – »zwoa große Johann für die Damen«, wiederholte die für Münchner Verhältnisse ungewohnt freundliche Kellnerin. »Wenn Ihnen des mit dem Salat zu grün wird, lasst sie Ihre Freundin bestimmt vom Krusterl probiern, ge«, fügte sie noch hinzu, als wollte sie ihre gute Laune und Kunden-Zugewandtheit definitiv unter Beweis stellen.

Nina Obermann und Katharina grinsten sich an, die Bedienung verschwand zufrieden.

»Frau Obermann, nachdem wir fast Freundinnen sind: Können Sie mir noch mehr über den Zustand von Lukas’ Zimmer sagen?«

»Sie verlieren keine Zeit, ich merk’ schon. Kein unnötiger Small Talk, gleich zum Punkt. Ehrlich gesagt, ich bin genauso, passt.«

Die »zwoa großen Johann« kamen, Frau Obermann hob das Glas und deutete ein Anstoßen an. »Auf die neue Freundschaft.«

»Dem Lukas sein Zimmer – grauslig eben, das hatte ich Ihnen ja gesagt. Essensreste überall, das Bett nicht gemacht, die Bettwäsche wahrscheinlich wochenlang nicht gewechselt, wenn man von dem – vorsichtig ausgedrückt – unangenehmen Geruch in dem Zimmer ausgeht. Überall lag dreckige Wäsche rum, alte Zeitungen … Langer Rede kurzer Sinn: das Zimmer eines Messies. Es gab einen kleinen Pfad von der Zimmertür zum Schreibtisch und zum Bett, ansonsten alles voll mit Müll. Und eben das besagte Heftchen mit den verschiedenen Selbsttötungsmethoden, furchtbar, übrigens handschriftlich. Lukas Adelhofer muss eine Weile dran gesessen haben. Wahrscheinlich aus dem Internet zusammengetragen.«

»Noch eine Frage zu den Zeitungen: Waren es Ausschnitte, die herumlagen, oder einfach irgendwelche alten Zeitungen?«

Frau Obermann schaute Katharina interessiert an.

»Ein Braterl mit Krüsterl und Knödl und einmal Grün mit Putenstreifen.« Das gastronomische Gute-Laune-Wunder stellte zwei nicht gerade kleine Teller vor den Frauen ab. »Lassens sich guad schmecka und …«, sie deutete auf die Schweinebratenkruste, »Krüsterl probiern lassn.«

Einen Moment lang blieb es still am Tisch, bis beide den ersten Happen gegessen hatten. Nina Obermann tunkte das nächste Stück Knödel in die Sauce, während sie weiter berichtete. »Es waren tatsächlich Zeitungsausschnitte, und zwar ging es nur um Robert Adelhofers Bergwinter, sein Wiederauftauchen, seine beginnende Karriere und so weiter. Völlig unsortiert übrigens, nichts angestrichen, keine Ordner irgendwo zu dem Thema – sah aus, als hätte der Lukas alles aufgesaugt, was über seinen Bruder geschrieben wurde, und es – im wahrsten Sinne des Wortes – einfach fallen lassen.«

»Eine perfekte Methode, depressiv zu werden – sich an der Karriere des Bruders weiden, der einen umgekehrt links liegen lässt«, überlegte Katharina laut.

»Krüsterl probiern?« Frau Obermann deutete grinsend auf die Schweinsbratenkruste. Katharina lehnte dankend ab und widmete sich weiter ihrem Salat.

»Und das Büchlein, das Sie gefunden haben, was hat es damit auf sich?«

Nina Obermann zog eine graublaue abgegriffene Kladde aus ihrer Handtasche und schob sie über den Tisch: »Schaun Sie sich’s an.«

Katharina blickte überrascht auf das Buch und dann auf die Kommissarin. Die beantwortete die unausgesprochene Frage direkt: »Ja, Sie dürfen reinschauen, ich habe die alten Adelhofers gefragt. Sie wollen nur nicht, dass es der Robert bekommt. Als ich gesagt habe, dass ich eine hervorragende Journalistin kenne, die mit dem Buch verantwortungsvoll umgehen wird und nichts veröffentlicht, ohne nachzufragen, waren sie einverstanden. Nichts veröffentlichen, ohne nachzufragen, Frau Langenfels, in Ordnung? Ich habe mich für Sie verbürgt!«

»Selbstverständlich geht das in Ordnung, vielen Dank! Dass Robert Adelhofer das Buch nicht bekommen soll, das haben sie so gesagt?«

»Die Rosa Adelhofer hat sowieso die ganze Zeit geweint, und als ich von dem Buch erzählt habe, wollten sie es beide nicht sehen. Der Max Adelhofer hat nur gesagt, dass Robert das nicht in die Finger kriegen darf, damit er es nicht in seiner Sendung verwendet. Das spricht Bände.«

»Gut, ich nehme es mit und schaue es mir gründlich an.« Katharina steckte die Kladde ein. »Das heißt, für Sie ist der Fall Adelhofer Geschichte?«

Nina Obermann wischte mit dem letzten Stück Kartoffelknödel über den Teller und steckte es sich in den Mund.

»Na ja, die Obduktion hat genau die Verletzungen bestätigt, die bei einem Sprung entstanden sein müssen. Keine Spuren von Fremdeinwirkung. Reichlich Alkohol im Blut, der zu den leeren Flaschen in seinem Zimmer passt. In der Scheune haben wir eine umfassende Beweisaufnahme und Spurensicherung gemacht, haben Fingerabdrücke von Robert und den Adelhofer-Eltern genommen, und: nichts, absolut nichts. Die einzigen Spuren, die wir gefunden haben, sind von Lukas. Überall seine Fingerabdrücke. Auf den Glasscherben, auf dem NATO-Draht, Fußabdrücke von ihm auf dem Boden der Scheune, Faserspuren im Stroh, aus dem er runtergestürzt ist. Keine anderen Spuren oder unbekannte Fingerabdrücke, nichts.«

»Sie haben Fingerabdrücke von den Eltern genommen? Wie haben die reagiert?«

Nina Obermanns Miene wurde ernst: »Es war schrecklich, dass wir der alten Frau Adelhofer das antun mussten, dafür hasse ich meinen Beruf. Sie war wie erstarrt. Und die ganze Zeit hat sie gemurmelt: ›Wir ham doch unsern Buben ned umbracht, wir ham doch unsern Buben ned umbracht.‹ Der alte Bauer hat ihr die Wange gestreichelt und nichts gesagt. Und wie nicht anders zu erwarten, haben wir keinerlei Fingerabdrücke von den beiden in der Scheune gefunden.«

Katharina überlegte: »Ist das nicht seltsam, dass vom alten Adelhofer keine Fingerabdrücke in der Scheune zu finden sind? War er nicht öfter dort? Könnte es sein, dass jemand gründlich Fingerabdrücke beseitigt hat?«

Nina Obermann grinste: »Bei Ihnen muss man gescheit achtgeben, dass Sie einem nicht den Job streitig machen. Wenn’s Ihnen bei ›Fakten‹ zu blöd wird, die Polizei kann schlaue Frauen brauchen. Jetzt im Ernst: Das habe ich mich natürlich auch gefragt. Der alte Adelhofer sagt, dass er seit Jahren nicht in der Scheune war. Die Adelhofers haben keine Landwirtschaft mehr, leben von der Rente und der Vermarktung des Sohnemanns. Der Einzige, der oft in der Scheune war, war der Lukas. Das bestätigen unabhängig voneinander seine Mutter, sein Vater und sein Kumpel Alfred Birnhuber.«

Katharina horchte auf: »Alfred Birnhuber ist …«

»Der, der uns angerufen hat, als er mitgekriegt hat, dass der Lukas nicht bei der Pressekonferenz war.« Nina Obermann grinste Katharina an. »Übrigens würde er gern mit Ihnen sprechen, soll ich Ihnen ausrichten. Er hat uns jedenfalls zur Scheune geschickt, weil er einen Verdacht hatte. ›Robertfreier Raum‹ hat der Lukas die Scheune genannt, sagt der Birnhuber.«

»Robertfreier Raum?« Katharina zog fragend die Augenbrauen hoch.

»Ja, ein Herz und eine Seele waren sie wohl schon lange nicht mehr, die beiden Adelhofer-Brüder. Die Vermarktung auf dem Hof hat dem Lukas wohl noch den Rest gegeben, sagt zumindest der Alfred. Er hätte sich oft bei ihm ausgeweint darüber, dass niemand sieht, dass Robert ohne ihn, den Bruder, niemals diese Karriere gemacht hätte. Und dass man sich für ihn mindestens genauso interessieren müsste wie für Robert. Aber er war halt kein Menschenfänger wie der Robert. Das hat sich Alfred wohl in den letzten Jahren ständig angehört.«

Nina Obermann schaute auf die Uhr: »Ich würde gern noch weiter mit Ihnen plaudern, aber beautiful Robert darf man nicht warten lassen.« Sie rollte die Augen.

»Bevor Sie fragen: Ja, ich werde Ihnen von dem Treffen mit Adelhofer berichten.«

»Warum fahren Sie überhaupt zu ihm, wenn der Fall abgeschlossen ist?«

»Ich will ihm unsere Ermittlungsergebnisse mitteilen, das gehört sich so zum Abschluss. Und nachdem ich sowieso in München zu tun hab, habe ich ihm die Fahrt nach Rosenheim erspart.« Nina Obermann winkte die Kellnerin heran, die mit Unverständnis reagierte, als Katharina auf ihre Nachfrage verneinte, das »Krusterl« probiert zu haben. Kopfschüttelnd steckte sie ihr Trinkgeld ein, während Katharina der Kommissarin zur Tür folgte.

»Nett war’s mit Ihnen, Frau Langenfels, und denkens an unsere Vereinbarung, was Lukas’ Buch betrifft, bitte. Normalerweise bin ich nicht so freundlich zu Journalisten.«

»Versprochen, Frau Obermann, Sie können sich hundertprozentig auf mich verlassen. Eine Frage noch: Wo finde ich diesen Alfred Birnhuber?«

»Anscheinend jeden Tag ab 17 Uhr beim Seewirt in Gstadt, freitags ab 12. Servus Frau Langenfels.«

Katharina beschloss, zu Fuß in die Redaktion zurückzugehen. Zum einen, um ihre Gedanken zu sortieren, und zum anderen bewegte sie sich sowieso viel zu wenig. Mit Alfred Birnhuber müsste sie in den nächsten Tagen reden. Gstadt am Chiemsee war zwar nicht gerade der perfekte Rechercheort für eine alleinerziehende Mutter aus München, aber in diesem Fall hatte sie Glück: Freitag war Oma-Tag. Svenja freute sich seit Wochen darauf, nach der Schule zur Oma zu dürfen. Katharinas Mutter war – manchmal leider, meistens Gott sei Dank – keine von den Omas, die zu Hause saßen und darauf warteten, dass ihre Enkel zu Besuch kamen. Stattdessen musste Katharina mit ihrer Mutter Susanne Wochen im Voraus einen Termin vereinbaren.

Vor zehn Jahren hatte Susanne ihrer Tochter mitgeteilt, dass sie sich von ihrem Vater scheiden lassen würde. Nachdem Katharina auf eigenen Füßen stand, hatte ihre Mutter genug gehabt vom Leben an der Seite eines eher wortkargen Polizisten. Katharina wunderte das nicht, sie selbst hatte auch nie richtig Zugang zu ihrem Vater gefunden. Seitdem er im Ruhestand war und die meiste Zeit auf Mallorca lebte, bestand ihr Kontakt aus zwei bis drei Telefonaten im Jahr und Geburtstagspostkarten.

Ihre Mutter hatte kurz nach der Trennung verkündet, dass sie nun eine Heilpraktikerinnen-Ausbildung mache und wieder Hartschmidt heiße, ihr Mädchenname.

Heute hatte Susanne Hartschmidt eine florierende eigene Praxis – und wenig Zeit.

Aber diesen Freitag würde Svenja bei ihr sein und Katharina konnte in aller Ruhe an den Chiemsee fahren.

Für heute stand erst etwas anderes an: Fotodateien durchsuchen mit Birgit.

Als Katharina in Birgit Wachtelmaiers Büro eintraf, stand die Archivarin von »Fakten« an einem kleinen Beistelltisch neben ihrem Schreibtisch und rührte lustlos in einem Messbecher. Vermutlich ein Schlankheitsdrink, Eier-Diät ade, mutmaßte Katharina. Birgit trug auch heute schwindelerregend hohe Pumps – diesmal aus schwarzem Samt –, dazu eine schwarze Marlene-Dietrich-Hose, für ihre Verhältnisse ungewohnt einfarbig. Dies änderte sich allerdings oberhalb der Gürtellinie. Sie hatte eine giftgrüne, transparente Chiffon-Bluse an, darunter ein orangefarbenes Top. Die hellblauen Spitzenträger des BHs konnte man erahnen. Birgit lächelte ihre Freundin erfreut an: »Du kommst genau rechtzeitig zum Mittagessen! Auch einen Sojadrink? Total gesund, aus dem Reformhaus. Meiner ist Vanille, ich kann dir ansonsten eine herzhafte Geschmacksrichtung anbieten, Salami, Schinken, Chili …«

»Nein, danke, Birgit, ich habe keinen Hunger. Hast du im Netz noch irgendetwas Interessantes gefunden in Sachen Adelhofer?«

Birgit setzte sich an den Computer, nahm einen Schluck von ihrem Drink, verzog das Gesicht und legte los: »Eine normale Recherche habe ich ja schon gemacht, da kamen die besagten Facebook- und Instagram-Bilder raus, ohne Ende Artikel und Blogs, die sich mit Adelhofer beschäftigen, Homestorys vom Hof am Chiemsee, übrigens aus den letzten Jahren so gut wie keine Fotos mehr mit den beiden Brüdern allein. Höchstens auf irgendwelchen Events, ich suche die interessantesten raus und schicke sie dir. Ich glaube, dass Robert und Lukas keinen Draht mehr zueinander hatten, ehrlich gesagt.«

Katharina nickte. »Das meint die Obermann von der Kripo auch.«

Birgit klopfte sich grinsend auf die Schulter und fuhr fort: »Viel spannender als diese normale Netzrecherche wären Infos, die Menschen verschlüsselt auf ihren Seiten haben, das, was man eben genau nicht der Öffentlichkeit zeigen will oder darf. Richtig?« Erwartungsvoll schaute Birgit Katharina an.

Die räusperte sich und antwortete diplomatisch: »Klar, aber an die kommt man legal nicht ran.«

»Ach, Katharina, das Internet ist ein offenes Buch. Wenn man sich ein bisschen auskennt, ist alles zugänglich. Ich werde weitersuchen, verlass dich drauf.«

Katharina wusste, dass Einspruch zwecklos war, und wechselte deshalb das Thema. »Vielleicht bringt uns Alfred Birnhuber noch auf eine neue Spur. Der scheint einige Geheimnisse zu kennen, und zwar über Lukas Adelhofer.«

Birgits Kopf flog herum, die rosa Plastikherzen, die die Archivarin heute als Ohrringe trug, vibrierten heftig.

So sollte man mit Herzen nie umgehen, philosophierte Katharina im Stillen.

»Gut, stelle ich meine Recherchen eben ein. Madame Redakteurin ist offenbar lieber allein unterwegs«, giftete Birgit los. »Danke, dass du mich an deinen Infos genauso teilhaben lässt wie ich dich an meinen. Darf man erfahren, wer Alfred Birnhuber ist?«

Katharina fragte sich, ob sie den Schlankheitsdrinks die Schuld an Birgits plötzlichem Wutausbruch geben sollte, schwieg aber. Stattdessen stand sie auf, trat hinter ihre Freundin und begann, ihr die vom vielen Internetsurfen verspannten Nackenmuskeln zu massieren.

»Birgit, dass es einen Alfred Birnhuber gibt, weiß ich erst seit einer halben Stunde. Nina Obermann hat mir von ihm erzählt, er ist ein Freund von Lukas Adelhofer. Der scheint mehr darüber zu wissen, warum es Lukas so schlecht ging. Es kommt noch ein Haufen Arbeit auf mich zu und ich bitte dich inständig, mir dabei zu helfen. Ohne dich schaffe ich das niemals. Ohne dich hätte ich keine meiner Geschichten jemals zu Ende recherchieren können.«

Katharina merkte, wie sich Birgit unter ihren Händen entspannte.

»Okay, danke, lieb, dass du das sagst. Ich weiß es eigentlich auch. Ich glaube, ich sollte mit diesen Scheißschlankheitsdrinks aufhören, die machen mich fertig. Gut, du triffst dich mit diesem Alfred Hirnhuber, Dirnbuber, Birnhuber und dann schauen wir weiter.«

Katharina seufzte erleichtert.

»So machen wir es, Birgit. Bist ein Schatz!«

Katharina verließ das Archiv und beschloss, durch Birgits Worte ermuntert, heute bald Schluss zu machen, einzukaufen, Svenja früh aus dem Hort abzuholen und abends lecker zu kochen. Vielleicht hatte Oliver Lust dazuzukommen.

Als sie gerade zum Hörer greifen wollte, um ihn anzurufen, klingelte das Telefon.

»Obermann hier, melde mich zum Adelhofer-Rapport.«

»Hallo, Frau Obermann, das ging aber schnell. Hatte Herr Adelhofer nicht viel Zeit für Sie?«

Das donnernde Lachen, das aus dem Hörer kam, war so laut, dass Katharina den Arm ausstreckte, um die Lautstärke ertragen zu können. »Umgekehrt. Wissens, Nina Obermann von der Kripo Rosenheim entscheidet selbst, wie viel Zeit sie für ein Gespräch erübrigen kann. In diesem Fall gab es kaum noch etwas zu besprechen. Ich habe ihm gesagt, was wir herausgefunden haben. Er hat zugehört, wirkte nicht weiter überrascht und das war’s. Dass es eine grauslige Bruderbeziehung war, wissen wir beide und das weiß vielleicht auch der Robert Adelhofer, aber das ist nicht kriminell. Wenn jeder Narzisst auf dieser Welt in den Knast käme, würden mir einige einfallen, zum Beispiel Donald Trump.«

Katharina schmunzelte. »Danke für die Infos, Frau Obermann. Bleibt die Frage, wem Sie zu viel Bedeutung mit diesem Vergleich beimessen – Donald Trump oder Robert Adelhofer.«

Dröhnendes Gelächter am anderen Ende. »Wahrscheinlich beiden, Frau Langenfels, wahrscheinlich beiden.«

Tatort Oberbayern

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