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Montagabend, München Haidhausen

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Mit rot verweinten Augen stand Oliver in Katharinas Küche. Neben ihm saß Svenja auf der Arbeitsplatte, am Herd drückte Katharina den Spätzleteig durch die Presse ins kochende Wasser.

»Mensch, Oliver, nicht heulen, Zwiebeln fertig schneiden, Käsespätzle ohne Zwiebeln geht nicht«, drängelte Svenja.

Schniefend wandte sich Oliver von dem Brett ab, auf dem eine Zwiebel zur Hälfte geschnitten war. Drei weitere warteten noch auf ihre Zerkleinerung.

»Das geht nicht, Katharina. Meine Augen brennen wie Feuer. Von mir aus reibe ich den Käse, um die Zwiebeln müsst ihr euch selbst kümmern. Ich esse sie sowieso nur euch zuliebe. Von wegen geht nicht ohne Zwiebeln«, schimpfte er in Svenjas Richtung. »Ich esse Käsespätzle nur ohne Zwiebeln und deine Mutter weiß, warum.«

Bedeutsam blickte er in Katharinas Richtung. Als ihm klar wurde, dass sie gerade kein Ohr für seine Zwiebel-Unverträglichkeit und die daraus resultierenden Folgen hatte, holte er den Schweizer Bergkäse aus dem Kühlschrank und begann ihn zu reiben.

»Okay, ich schneide die Zwiebeln. Immer muss man alles selber machen.« Mit diesen altklugen Worten rutschte Svenja von der Theke und verschwand in ihrem Zimmer. Kurz darauf kam sie mit einer Skibrille über den Augen zurück und begann ruhig und routiniert, eine Zwiebel nach der anderen zu bearbeiten. Wie man mit den Fingern eine Kralle machte, um sich nicht zu schneiden, hatte ihre Mutter ihr ausführlich erklärt.

»Siehste, so macht man das.« Triumphierend hielt Svenja Oliver das Ergebnis unter die Nase.

»Toll, Svenja, ganz toll, und jetzt stell sie bitte möglichst weit weg von mir.«

Nachdem Oliver – nicht ohne gründlich das Risiko einer Schnittverletzung zu erläutern – den Käse gerieben hatte, schichtete Katharina Spätzle, Zwiebeln und Käse in eine Auflaufform mit »oben viel Käse«, wie ihre Tochter angeordnet hatte.

Als die Spätzle im Ofen waren, begannen die drei mit der Vorspeise: Katharina hatte ihnen echten Büffel-Mozzarella gegönnt und den zusammen mit nach Urlaub duftenden Tomaten, Olivenöl und viel Basilikum angerichtet – ein Gericht, das auch Svenja glücklicherweise schätzte. Unter anderem, weil sie Kühe liebte und der Mozzarella »lecker nach Kuh schmeckt«.

»Wo ist eigentlich deine Elyas-M’Barek-Kappe?«

»Die habe ich einem Kontaktmann geliehen.« Gelassen aß Svenja weiter.

Katharina und Oliver schauten sich kurz an und schnell wieder weg, um sich das Lachen verbeißen zu können.

»Was für ein Kontaktmann, Svenja? Und woher weißt du überhaupt, was das ist?«

Svenja rollte die Augen: »Mensch, Mama, ich bin kein Baby mehr, du redest doch dauernd von deinen Kontaktmännern und dass die dir geheime Sachen erzählen. Und ich hab halt auch welche.«

»Aha. Was hat der dir im Tausch für die Kappe erzählt?«

»Dass der Niko in die Eileen verliebt ist, der blöde Arsch.«

»Für die Information hast du deine Lieblingskappe verliehen?«

Svenja wurde feuerrot und nickte.

»Und wann gibt dir der Kontaktmann das Teil zurück?«

»Wenn ich ihm sagen kann, ob die Luisa noch Single ist.«

»Ah, klar, na, das dürfte für dich kein Problem sein, das rauszufinden.«

»Nee, ich weiß es schon. Luisa ist kein Single, sie ist mit Fritz zusammen. Die Kappe muss mir der Jan trotzdem zurückgeben.«

Dass Svenja eben ihren Kontaktmann geoutet hatte, übergingen Katharina und Oliver diskret.

»Und wie sieht’s mit deinen Kontaktmännern aus, Mama?«

Svenja wollte offensichtlich das Thema wechseln.

»Ich habe im Moment nur einen, den ich noch gar nicht kenne. Mit dem treffe ich mich am Freitag, wenn du bei der Oma bist.«

»Musst du dem auch irgendwas geben, damit er dir was erzählt?«

»Gute Frage, Svenjalein, das weiß ich erst am Freitag.«

Zwei Stunden später, nachdem eine Riesenschüssel Käsespätzle und der Lieblingsnachtisch von allen dreien, türkischer Schokoladenpudding »Supangle«, vertilgt und Svenja im Bett war, konnte Katharina Oliver auf den aktuellen Stand ihrer Recherchen bringen. Sie beendete ihren Bericht mit der Aufzeichnung von »Krise«, die sie am nächsten Tag besuchen würde. Achim Wedel hatte ihr heute die Gästeliste gemailt. Erneut hatte Katharina festgestellt, dass beautiful Robert vor nichts zurückschreckte. Seinen Vater in die Sendung zu schleppen eine Woche nach dem Selbstmord seines Sohnes, das toppte ziemlich alle Geschmacklosigkeiten, die sich »Krise« seit ihrem Bestehen geleistet hatte. Oliver nickte zustimmend und nippte nachdenklich an seinem Rotwein: »Gibt es eigentlich von Adelhofer genaue Schilderungen, wie er diesen Winter in den Bergen überlebt hat? Wo er war, was er gegessen hat, wo er geschlafen hat, wie ihm der Finger abhandengekommen ist?«

»Klar, das hat er erzählt, unendlich oft sogar. Feuermachen kann er natürlich als echter Bub aus den Bergen, er hat Tiere getötet und gegessen, mit dem Fell Umhänge hergestellt und Überzieher für die Füße. Wo er genau überwintert hat, sagt er nicht, nur dass es in der Watzmann-Region war. Die hat er sich ausgesucht, weil er sie von der Überquerung mit seinem Bruder gut kannte. Angeblich will er verhindern, dass sein Aufenthaltsort zu einer Pilgerstätte von Schaulustigen wird. Quasi als Umweltschützer behält er diese Info für sich. Er hat dafür vom Alpenverein und von Umweltinitiativen viel Lob bekommen.«

»Und das mit dem Finger? Wie ist das passiert?«

»Erfroren, fing an, langsam abzufaulen. Er hat ihn sich selbst abgeschnitten, um die restliche Hand zu retten.«

»Messer hatte er also dabei?«

Katharina schmunzelte über Olivers kriminalistischen Spürsinn. »Ja, ein Taschenmesser und sonst das, was ein normaler Bergsteiger für eine Eintageswanderung mitnimmt: Messer, Thermoskanne, Vliespulli, Regenjacke, zweites Hemd, zweite Socken und ein paar Kleinigkeiten.«

»Hat er vorgeführt, dass er das wirklich kann, Tiere töten, Felle gerben, Feuer machen?«

»Eigentlich bin ich die für die wilden Theorien«, grinste Katharina. »Wenn mein seriöser Freund überlegt, ob Adelhofer sich das alles nur ausgedacht hat, werde ich diese Spur selbstverständlich verfolgen. Vielleicht kann mir Alfred Birnhuber am Freitag einen Hinweis geben.«

»Wie heißt der? Birnhuber? Klingt eher danach, als könnte er dir Hinweise auf das beste Weißbier im Chiemgau geben. Ich gehe jetzt jedenfalls nach Hause. Morgen früh um 8 habe ich einen Termin beim Augenarzt und möchte ausgeschlafen dort ankommen.«

»Hast du ein Problem mit den Augen?« Katharina kannte die Antwort, aber es war klar, dass Oliver gefragt werden wollte.

»Nee, nur ein Check, sollte man ja alle zwei Jahre machen. Ich muss danach auch schnell in die Kanzlei. Meine neue Klientin bekommt anonyme Drohbriefe und wir prüfen, ob Polizeischutz möglich ist. Wahrscheinlich nicht, vielleicht kriege ich sie dann zumindest dazu, vorübergehend ins Frauenhaus zu gehen.«

Oliver verschwand und Katharina stellte überrascht fest, dass die Unterhaltung über Krankheiten heute quasi ausgefallen war. Seit ihrer Kindheit war sie es gewohnt, ihren Freund zu beruhigen, wenn er irgendwelche Symptome an sich feststellte und die sofort für eine schwere Krankheit hielt. Ihre Devise war eher »wird schon nichts sein«, was für Oliver oft die Rettung gewesen war. Welch ein Segen für beide, dass er ihr damals in der ersten Klasse durch die Haare gewuschelt hatte, dachte Katharina und trug die Weingläser in die Küche. Auf dem Weg ins Bad beschloss sie, Birgit um eine zusätzliche Recherche zu bitten: Was musste man können, um einen Winter in den Bergen zu überleben?

Tatort Oberbayern

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