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Brandenburg – 09:30 – Autobahnkreuz Schönefeld

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Vorne quälen sich die Autos mühsam durch die Schneemassen, eines hinter dem anderen. Mit der freien Hand wechselt Max auf die Überholspur. Der schwere Wagen schwimmt. Räder drehen durch. Mehr Tempo.

Der schmuddelige Alte, anscheinend der Stargast des Dresdner Fests, hat rosige Wangen bekommen. Die Currywurst schmeckt ihm anscheinend so gut, dass er beim Losbrabbeln mit vollem Mund Fleischstücke spuckt. Er deutet auf den Schriftzug am Armaturenbrett.

»Phaeton, Fohn def Fonnenfottf.«

»Schluck erst mal runter, Alterchen.«

»… des Sonnengotts!«

Zwei Laster tauchen vor ihnen auf. Elefantenrennen. Schlingernde Vollbremsung. Das ABS klackert, die Sicherheitsgurte schnüren ins Fleisch. Aufprall unvermeidlich. Also über die Standspur.

Baustellenwarnung, Tempo 60. Der Kotflügel nimmt eine weiß-rote Pfeilbake mit. Rote Radarblitze, die mitten in die Pupillen treffen. Sekundenlanger Blindflug. Aus einer Parkbucht schießt ein Polizeifahrzeug, überholt und schwenkt die Kelle. Links vorbei, beschleunigen. Blaulicht im Rückspiegel, kleiner werdend. In einer lang gestreckten Kurve kommt ihr schwerer Wagen ins Rutschen. Fängt sich wieder. Schnee spritzt auf. Die Autobahn vor ihnen gleicht einer weißen Fläche.

»Schneller, Phaeton!«, krächzt der Greis auf dem Beifahrersitz. »Törichter Sohn des Sonnengotts. Erklommst die Kutsche deines Vaters, schwangst die Peitsche. Die Himmelsrösser, sie spürten deinen Übermut, rasten höher und höher, bis dir der Atem verging. In wilder Unordnung entflammten Berggipfel und Wälder. Bäume brannten mitsamt ihren Blättern, saftige Wiesen wurden weiße Asche. Das reife Korn auf dem Feld nährte die heißen Flammen, von denen es verzehrt wurde. Städte versanken in ihren Mauern. Völker erlagen der ungeheuren Feuersbrunst. Auf brach der Erden Kruste. Selbst Hades, Gott der in der Unterwelt, erschrak. Gottvater Zeus erhob seinen Wurfspeer. Gewaltig der Blitz, der das Sonnengefährt darnieder streckte. Regen gleich einer Sintflut löschte den Weltenbrand.«

»Tolle Story, Alterchen.«

Max greift sich einen Zimtstern aus Evis Bäckereitütchen, macht sein Handy wieder scharf, tippt auf Wahlwiederholung.

»Morgenstern? Geben Sie mir Europol!«

»Ja bittschön, das hätt’S auch freundlicher sagen können. Swaro, hallo Swaro? Der Piefke ist am Apparat. Also wenn du mich fragst, dieser Gendarmerie-Lehrbub …«

»Kurwa mać, gib schon her! Hallo? Hier Europol, Kommissar Swarożyc Gwiazdek Abteilung Operative Tätigkeiten.«

Eine kantige Stimme, rau und hart, wie damals der Kompaniespieß beim Grundlehrgang. Siebte gnadenlos aus, wer am Wochenende auf Sauftour durfte und wer in der Kaserne bleiben musste, zum Latrinenputzen. Max wurde zur Klofrau der Truppe.

»Europol? Personenschützer von Zielperson Scultetus am Apparat. Melde gehorsamst, Aurora Celestico an einem Brief verreckt, an einem verdammten Brief.«

»Geben Sie Position durch und warten Sie auf Polizei. Dies guter Rat von Kommissar Gwiazdek.«

»Negativ. Tagesbefehl, Zielperson nach Dresden.«

»Spokojnie, bardzo spokojnie. Ruhig bleiben, Herr Max. Sie heißen doch Max? So ist sich in Europol-Akte. Das korrekt, Max?«

»Positiv. Finden Sie den Brief, Kommissar Gwiazdek. Steckt im Kasten. Abfahrt Sonnenallee, am, warten Sie … Sterndamm! Und lassen Sie die Leiche untersuchen. Das Anschreiben von der Zentralbank müsste sie am Körper haben.«

»Problematycznie. Gibt sich Briefgeheimnis. Und Europol ist sich kein europäisches FBI nicht. Wir transnationale Behörde. Koordinieren Information. Aussprechen Empfehlung. Vermitteln Kooperation.«

Gerade Strecke, freie Bahn. 225 Stundenkilometer. Dann eine immer enger werdende Autobahnkurve. Der Polizeistudent hält mit links das Telefon und steuert mit rechts gegen. Mit zusammengekniffenen Augen starrt er durch die Frontscheibe. Die heranrasenden Schneeflocken machen es fast unmöglich, den Rand der Autobahn zu erkennen.

Auf dem Beifahrersitz kramt der Greis emsig in seinem labberigen Stoffbeutel, zieht einen Briefumschlag raus. Ebenfalls ein buntes Horoskop, einen großen Geldschein und ein creme-gelbes Couvert. Wiederum bitterer Mandelgeruch. Schmatzende Geräusche, als er Speichel aus den Backen saugt und sich mit seiner spitzen Zunge unaufhaltsam der Gummierung des Umschlags nähert.

»Sie geboren am 21. Januar 1990, nicht wahr, Max?«, tönt der Pole aus dem Handy. »Das ist sich schwierige konstelacja planet. Atmen tief durch. Sagen, wo sind. Warten auf Polizei. Ich heißen Swarożyc. Können sagen Swaro. Hören Sie auf Swaro.«

»Ende und over!«, brüllt Max, lässt in der Kurve das Steuer los, beugt sich rüber und reißt dem Alten das Couvert unter der Nase weg. Der Phaeton rast geradeaus weiter, kommt von der Fahrbahn ab. Schneemassen türmen sich vor der Motorhaube auf, bremsen die Fahrt abrupt ab. Die Airbags knallen auf. Der Wagen versinkt in einem Schneehaufen. Schlagartig wird es schwärzer als die schwärzeste Nacht.

Der Astrologe

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