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III.

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Überpünktlich, um fünfzehn Minuten vor neun Uhr, betrat ich unsere Detektei in Güdderath. Birgit saß schon hinter der Rezeption und blickte mir entgegen. „Guten Morgen, Johni. Schön, dass du auch schon da bist.“ - „Was soll das denn bedeuten?“ Wollte die Zicke schon am frühen Montagmorgen mit mir Streit anfangen? „Das Meeting beginnt doch erst um neun. Also spare dir deine Worte. Ich bin sogar noch zu früh dran.“

„Johni, du bist mal wieder der Letzte. Die anderen sind alle schon im Präsentationsraum. Bis auf Bernd natürlich.“ Dann schaute sie mich ausgiebig an. „Was trägst du denn da?“ - „Wo?“ - „Na, auf deinem Kopf!“

Ich lächelte. Ja, meine neue Kopfbedeckung machte Eindruck. Privatdetektiv Jonathan Lärpers - der Mann mit dem Schlapphut. „Klasse, nicht? Das gute Stück habe ich gestern auf dem Fest in Wickrath gekauft. Ein Schnäppchen quasi.“ Ich berührte die Krempe mit zwei Fingern und zog den Hut etwas weiter ins Gesicht.

„Und was hast du dafür bezahlt?“ Birgit tippte fleißig auf ihrer Tastatur herum. Zwischendurch blickte sie immer wieder auf meinen neuen Hut. Ich sah aber auch zu gut aus. „Also wie viel, Johni?“

Vielleicht gefiel ihr der Hut so gut, dass sie sich auch einen kaufen wollte. Die Detektei der Schlapphüte ... Der Gedanke gefiel mir. „Neunundsechzig neunzig“, gab ich stolz bekannt und blickte die Zicke überlegen an. „Ein echtes Schnäppchen eben.“

Birgit tippte noch einmal auf ihre Tastatur und blickte mich freundlich an: „Du siehst ja wirklich toll darin aus, Johni.“ Sie kicherte, was ich jetzt albern fand. „Auch wenn das ein Damenhut ist. Aber du bist ja ohnehin mehr der feminine Typ.“

Was das nun wieder heißen sollte! Da denkt man einmal, dass das Fräulein Zicke nett und freundlich wäre und dann doch wieder nur Boshaftigkeiten. Ich hielt lediglich meinen ausgestreckten Mittelfinger hoch und wandte mich Richtung Präsentationsraum. Die anderen sollten nicht meinetwegen warten müssen. Obwohl - wenn Bernd auch noch nicht da war ...

Nach nicht ganz zwei Schritten rief mich Birgit zurück: „Johni, das hier solltest du dir noch kurz anschauen ...“

Ich drehte mich um: „Was ist denn nun wieder?“ - „Hier, Johni. Du solltest einen Blick auf den Monitor werfen.“

Neugierig trat ich hinter den Empfangstresen. Was gab es jetzt wieder so Wichtiges, das ich mir noch unbedingt anschauen sollte? Aber auf dem Bildschirm erblickte ich nur das übergroße Bild eines Schlapphutes. Genau so einer wie ich ihn auf dem Kopf trug. Aha, kombinierte ich messerscharf, Birgit wollte sich jetzt auch so einen Hut kaufen und mich deswegen um Rat fragen. „Sehr schön, Birgit“, lobte ich.

„Ja, nicht, Johni? Aber schau hier.“ Sie scrollte den Bildschirm ein wenig herauf, dann hielt sie ihren Zeigefinger mit einem bunt lackierten Nagel auf den Bildschirm. Dort wurde eine Zahl angezeigt, die sie mir dann aber auch gleich glucksend vorlas: „Acht Euro und neunundneunzig Cent“, verkündete sie und ich spürte, wie sehr sie ein brüllendes Lachen zurückhielt. „Da kommt allerdings noch Porto hinzu“, meinte sie dann todernst, sah mich an, blickte auf meinen Hut und brach in lautes Gelächter aus. „Du hast dich aber ganz schön über den Tisch ziehen lassen“, stieß sie mühsam hervor und ihr knallrotes Gesicht passte hervorragend zu den gefärbten Haaren.

„Das ist ja auch eine ganz andere Qualität“, stieß ich zwischen den Zähnen hervor und stürmte in den Konferenzraum. Diese blöde, blöde Zicke!

Hochroten Kopfes ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. „Guten Morgen, Jonathan.“ Christine grinste mich an. „Der Esel grüßt aber zuerst, wenn er in den Stall kommt.“

„Morgen, Chrissi, morgen Sam.“ Sam nickte mir zu und blickte interessiert auf meinen Schlapphut. „Was ist denn das, Jonathan? Bist du jetzt unter die Cowboys gegangen? Wir haben doch keinen Karneval.“ Christine lachte: „Ich glaube eher, dass Jonathan seine weibliche Seite damit ausdrücken will.“

Reichte es eigentlich nicht, dass Birgit mich so ärgern musste? Warum hörte ich mir jetzt auch noch die dummen Kommentare meiner Kollegen an? Mir lag schon eine entsprechende Entgegnung auf der Zunge, als Bernd den Raum betrat. Hinter ihm kam Birgit in das Zimmer und schloss die Tür.

Ich grinste und machte ihr ein Zeichen: „Von außen, Birgit, von außen.“

Bernd nickte uns zu und wünschte uns einen guten Morgen. „Guten Morgen zusammen. Und Jonathan: Es hat schon seine Richtigkeit, dass Fräulein Zickler, also Birgit, heute beim Meeting anwesend sein wird. Nähere Erläuterungen später.“

Birgit ließ sich mir gegenüber grinsend nieder und machte - als Bernd nicht hinsah - das Victory - Zeichen. Ich konterte mit dem ausgestreckten Mittelfinger, was Bernd allerdings auffiel, da er sich in diesem Moment umdrehte. „Jonathan, Jonathan. Was soll das jetzt wieder? Und nimm’ endlich diesen kindischen Hut ab. Das ist doch ein Damenhut; du siehst damit irgendwie komisch aus.“ Er suchte einige Unterlagen zusammen und sah mich an. „Gut, wenn Jonathan auch endlich bereit ist, dann können wir ja beginnen. Nachdem der Observierungsauftrag nun beendet ist - auch wenn der Ausgang doch etwas, wie soll ich sagen ... eigenartig war, so ist Jonathan nun immerhin für weitere Aufgaben frei. Aber dazu gleich mehr. Monika sollte eigentlich heute auch dabei sein, musste aber kurzfristig absagen, da sie mit ihrem Mann zu einem Kongress nach Dublin geflogen ist. Wir sind also unter uns ...“

Als Birgit leise lachte, machte ich ein böses Gesicht: Nein, wir waren nicht unter uns, denn die Zicke gehörte schließlich hinter die Rezeption und nicht in dieses Meeting hier. Dieser Platz war für die wirklichen Detektive reserviert. Und wenn es nun in der Tat um einen Auftrag vom Oberstaatsanwalt gehen sollte, so hatte das Mädchen hier erst recht nichts verloren.

Aber ich sagte nichts, schließlich war Bernd ja der Chef und er würde schon wissen, wen er zu seinen Meetings einlud.

Seufzend goss ich mir ein Glas Mineralwasser ein. Wieso standen eigentlich die Flaschen Orangensaft, Apfelsaft und Limonade außerhalb meiner Reichweite? Das ging doch wieder auf die Zicke zurück! Aber ich wollte die Versammlung jetzt ja auch nicht stören, indem ich aufstand und mir eine Flasche vom anderen Ende des Tisches her holte. Und warum kochte Birgit niemals Kaffee?

„Jonathan, hörst du mir zu?“ Bernd riss mich aus meinen Gedanken.

„Natürlich Bernd“, entgegnete ich und sah Birgits Grinsen aus dem Augenwinkel.

„Also, zunächst zu einer kleinen Änderung die Detektei betreffend: Wie wir feststellen mussten, erfordern die Aufgaben hier keine Sekretärin mit Vollzeitstelle. Ja, eigentlich nicht einmal eine in Teilzeit. Nach intensiven Gesprächen mit Jennifer und Birgit sind wir zu dem Schluss gelangt, dass die verwaltungstechnischen Dinge auch von Jennifer miterledigt werden können. In den nächsten Tagen wird an der Eingangstüre ein Hinweis für Laufkundschaft ausgehängt werden, dass die Detektei ab sofort drüben im Krav Maga Zentrum von Jennifer, also Frau Enssel, mitverwaltet wird. Anrufe werden direkt umgeleitet und ihr sorgt bitte dafür, dass die Türe vorne stets geschlossen ist, so dass niemand Unbefugtes in die Räume gelangen kann.“

‚JA - JA - JA’, jubelte es in mir. Das war’s dann, liebe Frau Zickler - Birgit - Zicke! Ich hatte Mühe, mir meine Freude nicht anmerken zu lassen. Also deswegen befand sich Birgit jetzt mit uns hier im Meeting! Bernd entließ sie. Endlich! Das wurde ja auch Zeit. Vielleicht könnte ich ja sogar Bernd davon überzeugen, dass Jennifer ihre Tätigkeit hierhin verlegte. Die Anrufe von drüben hierhin umleiten. Ich roch schon den von Jenni so perfekt aufgebrühten Kaffee. Rasch überlegte ich, welche Brötchen ich mir zuerst von ihr wünschen würde. Schinken? Käse? Vielleicht Mettbrötchen mit Zwiebeln ... Ich sah rosige Zeiten auf mich zukommen.

Bis Bernd meinen Traum auf brutale Weise platzen ließ. Ich hatte ihm nicht richtig zugehört, so sehr war ich in meiner Freude versunken, aber die folgenden Worte drangen wie Schläge mit einem Vorschlaghammer in mein Hirn: „... deswegen also haben wir beschlossen, dass Birgit ab jetzt bei uns aktiv im Team mitarbeiten wird. Sie bekommt eine Ausbildung, wobei einer von euch sie zunächst unter seine Fittiche nehmen wird, dann absolviert sie entsprechende Lehrgänge.“

Das kühle, klare Mineralwasser floss aus meinem offenstehenden Mund heraus, meinen Hals hinunter und durchnässte mein Hemd. Mir war klar, dass ich das Glas absetzen musste, aber meine Hand gehorchte mir nicht mehr. Erst als sich alles Wasser auf meinem Hemd und meiner Hose befand, war ich in der Lage das Glas auf dem Tisch abzustellen. Aus ungläubigen Augen blickte ich abwechselnd Bernd und die Zicke an. Birgit Zickler als Kollegin! Ich stöhnte gequält auf. Das fehlte gerade noch. Wie hieß es so schön: Den Bock im Garten machen. Oder so ähnlich.

„Bernd, das ... das ...“ - „Ja, Jonathan? Was möchtest du sagen? Wir alle freuen uns, Birgit als neue Detektivkollegin begrüßen zu dürfen. Jennifer hat sogar extra etwas vorbereitet - Birgit, würdest du?“

Die Zicke erhob sich grinsend, verließ den Raum und kam nach wenigen Minuten mit einem riesigen Blumenstrauß zurück. Diesen reichte sie Bernd.

„Also, offiziell und im Namen aller Kollegen hier und im Krav Maga Studio heiße ich dich, liebe Birgit, herzlich willkommen in unserem Kreis.“ Er überreichte ihr den Strauß.

Mir wurde schwindelig. Mit zittrigen Fingern goss ich mir ein neues Glas Wasser ein. Ein halbes zumindest, denn die Hälfte landete auf dem Tisch.

„Kommen wir nach diesen erfreulichen Neuigkeiten zurück zum Ernst des Lebens. Jennifer hat schon einen umfangreichen Trainingsplan ausgearbeitet. Kampfsporttraining bei Dozer und Sam - Birgit kann später auch die Kindergruppe mit Frank Behrmann zusammen betreuen. Jedenfalls soweit es Aufträge oder Ausbildung zulassen. Christine übernimmt das Schießtraining und Jonathan zeigt ihr ein wenig die Praxisarbeit.“

Wieder floss Mineralwasser an meinem Hals herunter, sickerte durch mein Hemd und vergrößerte den Fleck auf meiner Hose. Hatte ich das richtig verstanden? Jonathan zeigt ihr die Praxisarbeit? Das konnte Bernd nicht von mir verlangen! Nie und nimmer würde ich mit der Zicke zusammenarbeiten. Das musste ich ihm jetzt unmissverständlich klar machen. „Bernd, also, ich ... die Zi... Birgit und - also, Bernd ...“

„Genau Jonathan. Ich wusste, dass du dich freuen würdest. Endlich kannst du dein Wissen weitergeben. Du brauchst auch nichts zu sagen, wir haben uns das reiflich überlegt und Birgit hat uns ja auch bestätigt, dass ihr beide wunderbar miteinander auskommt. Bedenke nur, dass sie noch keinerlei Erfahrung hat und du sie nicht allzu hart rannehmen solltest. Ich habe auch schon einen ersten Auftrag für euch. Eigentlich sollte den Christine übernehmen aber so ist es vielleicht sogar noch besser. Denn für Chrissi habe ich ebenfalls eine Aufgabe, dazu komme ich aber später noch.“

Ich stöhnte erneut gequält auf. Womit hatte ich das verdient? Birgit grinste mich jetzt unverhohlen an und aus ihrer Gestik sprach die ganze Genugtuung mir richtig eins ausgewischt zu haben.

Schwach versuchte ich mich zu wehren: „Also ... ja eigentlich ... Bernd, ich bin doch mehr der Einzelgänger, ich ka...“

„Wir sind doch alle ein Team, Jonathan. Willst du mir jetzt sagen, dass du nicht mit Birgit zusammenarbeiten möchtest? Ich zähle auf dich.“

„Nein - ja - natürlich“, stammelte ich und überlegte, was ich sagen wollte.

„Gut, dann zu eurem Auftrag. Die Unterlagen darüber befinden sich bei Birgit, hier also lediglich eine kurze Zusammenfassung: Es ist ein Überwachungsjob, also nichts wirklich Schwieriges. Auch wenn dein letzter Auftrag nicht unbedingt optimal verlief, Jonathan.“

Bernd machte eine Pause und goss sich ein Glas Orangensaft ein. Kühler, goldgelber Orangensaft. Sein Glas beschlug und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Sollte ich vielleicht doch aufstehen und mir auch eine Flasche holen? Ich beschloss, dass diese kurze Unterbrechung den Ablauf nicht wesentlich stören würde und erhob mich schwerfällig. Alle starrten auf den Fleck auf meiner Hose. „Mineralwasser“, erklärte ich, stolperte die zwei Schritte auf Bernd und die Orangensaftflaschen zu und griff nach einer. Dabei berührte ich allerdings Bernds geöffnete Flasche unglücklich, so dass diese umkippte und der Inhalt sich über den Tisch ergoss. Rasch trat ich an meinen Platz zurück und setzte ich mich wieder mit meiner Beute.

Bernd betrachtete die Lache auf dem Tisch nachdenklich. „Jonathan, würdest du das bitte wegwischen?“ - „Natürlich“, krächzte ich und verließ rasch den Raum auf der Suche nach einem Lappen. Als ich endlich in den Konferenzraum zurückkehrte, war das Malheur schon von Birgit behoben. Ich setzte mich rasch wieder und stellte fest, dass sich meine Flasche Orangensaft wieder an ihrem ursprünglichen Platz befand. Diese Zicke!

Aber Bernd fuhr jetzt fort und ich verzichtete auf das Getränk: „Ihr alle kennt Kaufstatt, das Warenhaus im Herzen Rheydts. Do...“

Natürlich kannte ich Kaufstatt. Schließlich hatte ich dort selbst schon des Öfteren eingekauft. Wie war deren Slogan noch? „Kauf zwei statt ein bei Kaufstatt“, unterbrach ich Bernd und zeigte damit deutlich, dass mir der Laden nicht unbekannt war.

„Ja, Jonathan. Ich sehe, du weißt, was ich meine. Ihr alle dürftet das Kaufhaus kennen. Also ...“

„Ich habe dort sogar schon eingekauft“, wusste ich zu berichten.

„Gut, Jonathan. Aber bitte lass’ mich meine Erläuterungen jetzt zu Ende bringen. Also, wo war ich stehengeblieben? Ach ja - die Geschäftsführung hat sich an uns gewandt, da in letzter Zeit größere Mengen an Waren abhandengekommen sind. So große Mengen, dass es sich nicht um gewöhnlichen Ladendiebstahl handeln kann. Hier müssen Insider, beziehungsweise Mitarbeiter am Werk sein.“ Bernd nahm einen Schluck und mir lief das Wasser im Mund zusammen. ‚Durst’, dachte meine gequälte Seele, aber als ich Birgits süffisanten Blick bemerkte, riss ich mich zusammen.

„Die ideale Situation, um Birgit in die Feinheiten der Observation einzuweihen“, fuhr Bernd fort. „Jonathan und Birgit werden als neue Mitarbeiter bei Kaufstatt eingeschleust. Einzig die Geschäftsleitung hat davon Kenntnis, dass es sich um Angestellte der Detektei ‚Argus’ handelt. Wir we...“

Ich unterbrach Bernd mit einem berechtigten Einwurf: „Und natürlich wir, also die Zi... Birgit und ich ...“

„Ja, Jonathan, du bist natürlich darüber informiert, dass du ein Mitarbeiter unserer Detektei bist. Kann ich jetzt fortfahren?“

Die anderen kicherten und insbesondere Birgit schien sich köstlich zu amüsieren. So, dass nur ich es erkennen konnte, machte sie zu mir das Daumenhoch - Zeichen.

„Ihr beide werdet vorzugsweise dort eingesetzt, wo die Geschäftsleitung die eigentlichen Übeltäter vermutet. Freundet euch mit den anderen Mitarbeitern an und versucht an die Diebe heranzukommen. Wir vermuten, dass es sich um mehrere Leute handelt, denn einer allein kann einen Diebstahl dieser Größenordnung nicht durchführen.“

Bernd trank einen weiteren Schluck Saft und blätterte dann in seinen Unterlagen. „Ihr meldet euch bei einem Herrn Sanurski. Das ist der zuständige Abteilungsleiter. Er hat die Anweisung, euch in einem bestimmten Bereich einzusetzen. Birgit hat die Unterlagen schon von mir bekommen. Geht sie zusammen durch und bereitet euch auf euren Einsatz dort entsprechend vor. Sanurski erwartet euch am Mittwoch um neun Uhr in seinem Büro.“

„Mittwoch?“, fragte ich. „Das ist ja schon übermorgen. Oder meinst du einen anderen Mittwoch?“ - „Übermorgen ist korrekt, Jonathan.“

Ich verbiss mir weitere Fragen - wie zum Beispiel: ‚So schnell?’, zumal die Zicke mich wieder so zuckersüß anlächelte. Natürlich, die Dame kannte ja die Details schon, da sie über die Unterlagen verfügte. Warum hatte das Miststück mich denn nicht vorher informiert?

„Falls keine weiteren Fragen zu der Angelegenheit sind, komme ich jetzt zu dem Auftrag für Christine.“

Ich räusperte mich und hielt die Hand hoch. So wie in der Schule, schließlich wollte ich Bernd ja nicht einfach unterbrechen. „Was gibt es, Jonathan?“

„Wer sind denn unsere neuen Kollegen bei Kaufstatt? Und was werden genau unsere Aufgaben sein?“ Zwei sehr wichtige Fragen, wie ich fand.

Bernd stöhnte auf: „Jonathan! Das erfährst du alles aus den Unterlagen, beziehungsweise von diesem Herrn Sanurski. Wenn du keine wirklich wichtigen Fragen hast, dann lass’ mich doch bitte fortfahren. Sonst ist der Tag um, bevor wir etwas geschafft haben ...“

Ich nickte. Ja, die Details würden vermutlich aus den Unterlagen hervorgehen. Und was dort nicht stand, könnte uns ja Sanurski erklären. „Eine Frage noch“, beharrte ich trotzdem.

„Ja, was denn?“ Bernd schaute mich ungehalten an.

„Sanurski, wie heißt der mit Vornamen?“

Bernd sah mich zweifelnd an. „Ist das jetzt wichtig, Jonathan? Kennst du ihn vielleicht?“ Er blätterte erneut in seinen Unterlagen, während ich mich beeilte zu erklären: „Nein, nein. Ich kenne den Mann nicht. Aber ist es nicht wichtig, den Vornamen zu erfahren?“

Bernd schüttelte den Kopf. „Nein, ist es nicht, Jonathan. Aber der Mann heißt Detlef mit Vornamen. Ist dir jetzt geholfen?“

Ich nickte dankend. Der Vorname sagte immer etwas über den Menschen aus. Das war mir als Detektiv bewusst. Detlef Sanurski. Nun ja. Detlef. Aha.

„Also zurück zu Christine“, begann Bernd erneut und blickte mich kurz von der Seite an. „Dein Auftrag beginnt an einem Sonntag. Nämlich dem zweiundzwanzigsten Mai.“

Er kramte in seinen Papieren und hob schließlich einen Flyer und eine dünne Mappe hoch. Dann schubste er beides quer über den Tisch zu Chrissi herüber.

„Theresa Gräfin von Seydow ist eine gute Bekannte eines NRW Ministers und dieser Minister wiederum ist ein guter Bekannter unseres Oberstaatsanwaltes Eberson. Theresa Gräfin von Se...“

„Welcher Minister denn?“, fragte ich. Eine berechtigte Frage, denn schließlich wollten wir ja alle wissen, um wen es sich hier handelte.

„Das spielt keine Rolle, Jonathan. Sei mit der Information zufrieden, dass es sich um einen NRW Minister handelt.“

Ich nickte. Schon klar, die hohen Herren wollten nicht in Erscheinung treten.

„Also, um da weiter zu machen, wo ich vor der Unterbrechung durch Jonathan stehen geblieben war: Die Gräfin wird in Kürze eine Urlaubsreise antreten. Bisher begleitete sie immer ihre persönliche Gesellschafterin und Bodyguard, eine jüngere und agilere Frau. Diese Dame kündigte aber vor kurzem, da sie in Dubai die Liebe ihres Lebens gefunden hat und dort blieb. Eigentlich hatte die Gräfin auch schon eine neue Angestellte, die machte aber kurzfristig einen Rückzieher. Jetzt steht unsere Dame ganz ohne Begleiterin da, will aber die Reise nicht absagen. Und alleine verreisen will sie auch nicht, immerhin ist unsere Gräfin schon vierundsiebzig Jahre alt. Da eine Hand die andere wäscht und die höheren Herrschaften - wie es scheint - alle miteinander bekannt sind, sprach Eberson mich vor Kurzem an, ob wir aushelfen könnten. Bei der Reise handelt es sich um eine Kreuzfahrt in die Karibik. Abfahrt und Rückankunft in Mallorca, Hin- und Rückflug mit Lufthansa. Normalerweise wäre der Auftrag ideal für Monika gewesen, aber die steht ja nicht zur Verfügung. Aber ich glaube, mit Christine habe ich ebenfalls eine gute Wahl getroffen!“

Christine strahlte über alle Backen. Wie ein Backenhörnchen. Wieso hatte Bernd eigentlich nicht mich ausgewählt? Bodyguard einer reichen Gräfin.

Wir standen an der weiß gestrichenen Reling des Luxusliners und blickten auf das blaue Meer. Vereinzelte Möwen flatterten auf der Suche nach Nahrung herum, setzten sich hier und dort auf das Geländer und flogen dann aufgeschreckt wieder fort. „Dort hinten, sehen Frau Gräfin die Insel?“ - „Ja, Jon, auch wenn mein Augenlicht nicht mehr das einer Zwanzigjährigen ist, so de...“ - „Aber Frau Gräfin! So etwas dürfen Frau Gräfin nicht sagen, ja nicht einmal denken. Ihr Augenlicht scheint immer noch so hell wie in jüngsten Jahren, so hell wie das Funkeln der Sterne hier in der Karibik, so hell wie Diamanten an einem klaren Sonnentag. So hell w...“ - „Danke Jon, sie sind aber auch zu freundlich. Sie wissen, wie man mit alten Menschen umgeht.“ - „Frau Gräfin sind doch nicht alt, Frau Gräfin. Die Anzahl ihrer Lebensj...“ - „Ach Jon, ach Jon. Was habe ich früher nur ohne sie gemacht? Wie konnte ich ohne ihre tatkräftige Unterstützung überhaupt einen Fuß vor die Türe setzen? Es ist so gut, dass es sie gibt, lieber Jon. Aber jetzt ist mir heiß. Wollen sie mich in die Bar zu einem frühen Trunk begleiten?“ - „Aber selbstverständlich, Frau Gräfin, ich bin doch ihr ergebener Die...“

Eine Hand legte sich schwer auf meine Schulter. Die Stimme Bernds drang an mein Ohr: „Was ist los, Jonathan? Bist du eingeschlafen? Die anderen sind alle schon fort. Also, was sitzt du noch hier herum? Birgit erwartet dich sicher schon in deinem Büro!“

Birgit Zickler, die Zicke, saß auf meinem Bürostuhl und wippte vor und zurück. Vor ihr auf meinem Schreibtisch lag eine Mappe, noch ungeöffnet. Darin befanden sich vermutlich die Informationen zu unserem Auftrag. Kaufhaus ‚Kaufstatt’. Auch schön - Kaufstatt statt Karibik. Ich blickte meine neue Kollegin missmutig an. „Das ist mein Sessel. Und das ist auch mein Büro!“

Birgit schüttelte den Kopf: „Unser, lieber Johni. Schon vergessen: wir arbeiten jetzt zusammen.“ - „Dann besorge dir selbst einen Stuhl. Und jetzt raus aus meinem Sessel!“

Ich trat drohend auf sie zu, die Zicke aber lächelte nur. Hilflos stand ich vor ihr. Was sollte ich jetzt machen?

„Also gut, Birgit, was willst du?“ - „Nichts, Johni. Sei nur einfach etwas netter zu mir. Du bist immer so griesgrämig ...“ Rasch stand sie auf und ging um den Schreibtisch herum. „Lies die Akte, dort stehen alle Informationen drin, die du brauchst. Ich gehe jetzt rüber ins Studio, Chrissi will mir zeigen, wie man mit Waffen umgeht. Also bis später, Johni.“

Ich ließ mich seufzend in meinen Sessel fallen. Birgit hatte irgendetwas an der Einstellung verändert und fast wäre ich hintenüber gekippt. Ich fluchte. Warum tat Bernd mir das an? Ein Blick in die Akte zeigte mir, dass es wenig Neues gab. Es gab eine Zusammenfassung, offensichtlich vom Vorstand des Kaufhauses, welche Waren abhandengekommen waren. Ein kurzer Kommentar, wer verdächtigt wurde und eine Reihe von Maßnahmen, die aber offensichtlich alle nicht fruchteten. Entweder war die gesamte Belegschaft involviert oder die Diebe stellten sich äußerst geschickt an und besaßen einen siebten Sinn für Kontrollen.

Es gab kurze Zeiträume, da verschwand nichts. Mir kam der Gedanke, dass man diese Zeiträume mit den Arbeitszeiten der Verdächtigen abgleichen sollte. Aber in einer weiteren Notiz fand ich dann den Hinweis, dass die Verantwortlichen auch schon auf diese Idee gekommen waren und dass dabei keine Ergebnisse erzielt worden waren. Es gab einfach keine heiße Spur. Interessant war auch, dass sowohl Waren aus dem Lager, als auch aus dem Verkaufsraum verschwanden. Und es gab keinerlei Beschränkung in der Auswahl des Diebesguts. Demnach mussten die Mitarbeiter von Kaufstatt freien Zugang zu allen Bereichen der Verkaufsfläche, sowie des Lagers, haben.

Aber die Auswertung der Überwachungsvideos zeigte auch keinen Erfolg. Jedenfalls sollten wir Mittwoch pünktlich bei Detlef Sanurski erscheinen. Einfache, strapazierfähige Kleidung: Jeans, Hemd und bequeme Schuhe. Einen Arbeitskittel würde man uns stellen. Birgit und ich kamen angeblich vom Arbeitsamt und die entsprechenden Papiere lagen den Unterlagen bei. Laut unserer Legenden fristete Birgit ungelernt ihr Leben, wobei ich ein hartnäckiger Langzeitarbeitsloser mit einer lange zurückliegenden Ausbildung zum Bäcker sei. Den Beruf hatte ich wegen einer Mehlstauballergie angeblich niemals ausgeübt. Hin und wieder irgendwo gejobbt, aber niemals wirklich lange. Man ließ sogar anklingen, dass ich vermutlich nicht ganz ehrlich sei. Na, herzlichen Dank! Dann, als ich näher darüber nachdachte, musste ich zugeben, dass dieser Lebenslauf ziemlich ideal war: Ich schien der perfekte Kandidat für zweifelhafte Aktivitäten, sprich - Veruntreuung oder Diebstahl - zu sein.

Irgendwann legte ich die Akte zur Seite. Es gab einfach keinen sinnvollen Hinweis. Kein Wunder, dass Kaufstatt jetzt eine externe Firma mit den Ermittlungen beauftragte.

Ich verschränkte die Arme im Nacken und wippte mit meinem Sessel ein wenig zurück. In dieser bequemen Stellung dachte ich über den bevorstehenden Auftrag intensiv nach.

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