Читать книгу Das RFID Komplott - Jürgen H. Ruhr - Страница 10
6. Die Nachricht
ОглавлениеNach der dritten Tasse Kaffee ging es ihm ein wenig besser. Auch wenn sich seine Gedanken um Lydia lediglich im Kreis drehten, so dürfte sein Tag heute damit ausgefüllt sein, den Computer wieder ans Laufen zu bringen.
Frank hasste diese Arbeiten, und einige wichtige Berichte müsste er auf jeden Fall neu verfassen. ‚Ja‘, schalt er sich selbst, ‚warum hatte ich auch keine Datensicherung? ‘ Er goss sich eine vierte Tasse Kaffee ein nahm sie mit ins Arbeitszimmer. Dann schaltete er den Rechner an und suchte schon einmal einige der notwendigen CDs für die Neuinstallation zusammen. Als er dann auf den Bildschirm sah, war die Überraschung groß. Das Spiel hatte sich wieder automatisch gestartet und eine kleine Meldung in der Mitte des Bildschirmes wies ihn darauf hin, dass, solange das Spiel im Rechner aktiv sei, kein Löschen von Daten oder kein Formatieren des Rechners möglich sei.
„Danke Dr. Schwenker“, kam es dankbar aus Franks Mund. So ein Glück. Dr. Schwenkers kleines Spiel verhinderte das Löschen des Rechners. Alle Daten waren noch vorhanden! Frank jubelte leise. ‚Datensicherung‘, dachte er. ‚Jetzt aber schnell als erstes eine Datensicherung angelegt.‘ Retten, was zu retten war.
Die Datensicherung war nicht so umfangreich geworden, wie Frank es befürchtet hatte. Der Tag war gerettet. Ach was, der Tag - das Wochenende. Lydia, lass uns das Wo... Ach ja, seine Frau war ja weg. Fortgerannt wegen des blöden Spiels. Frank überlegte. Irgendetwas musste doch dran sein an der Sache. Warum startete sich das Spiel immer wieder so hartnäckig und warum verhinderte es das Löschen und Formatieren der Festplatte? Den fehlerhaften Internetzugriff konnte Frank sich ja noch erklären, schließlich hatte er selbst das Kabel herausgezogen und die Verbindung damit getrennt.
Mechanisch startete er das Spiel. Wie der dicke Bär durch den Wald zu bugsieren war, hatte er bei Lydia ja oft genug gesehen. Im Nu stand er vor dem ersten Rätsel. Frank sah sich um. Jetzt nur keine Störung. Rasch erhob er sich und schloss die Tür seines Büros ab. Doppelt. Sicher ist sicher. Diesmal würde Lydia nicht plötzlich hinter ihm stehen.
Dann machte er sich an die Lösung des Rätsels. Zunächst gab er sein Geburtsdatum ein. Nichts, natürlich. Dann Lydias. Naja. Frank überlegte. Die Codeeingabe ließ sowohl Ziffern, als auch Zahlen zu. Damit waren nahezu unendliche Eingaben und Kombinationen möglich. Rätselraten war eigentlich noch nie so richtig sein Ding gewesen. Deswegen mochte er auch keine Computerspiele. Immer da, wo langwieriges Nachdenken erforderlich war, hatte er bisher einen Bogen drumherum gemacht. Er gab seinen Namen ein. Nichts. Außer dem tanzenden Bären. Plötzlich wurde das Bild komplett rot ‚Spiel verloren - ENDE‘.
Frank startete das Spiel neu. So ging das nicht. Wenn Lydia daran verzweifelt war, hatte sie diese Kombinationen mit Sicherheit ohne Erfolg schon alle ausprobiert. Frank grübelte. Das Spiel kam von Dr. Schwenker. Hatte der ihm vielleicht einen Hinweis auf den Code gegeben? Frank erinnerte sich an das Gespräch auf dem Friedhof. ‚Inkubator‘ - sie hatten damals vereinbart über den Inkubator zu sprechen. Frank tippte das Wort ein.
Nichts. Nächster Versuch. Was kam jetzt in Frage? Dr. Schwenker hatte ihm einmal den Zugangscode zu seinem Safe mitgeteilt. Natürlich unter äußerster Verschwiegenheit und nur für den absoluten Notfall. Der Safe sollte sich im Schreibtisch befinden und wichtige Unterlagen beinhalten. Frank hatte sich damals nicht allzu viel Gedanken darum gemacht und die Angelegenheit auch bald wieder vergessen. Er dachte nicht im Traum daran, an Dr. Schwenkers Privatsafe zu gehen oder jemals gehen zu müssen.
Zumindest damals noch nicht.
Merkwürdig war nur gewesen, dass diese Safekombination aus alphanumerischen Zeichen bestand. War beim Safe denn so eine Eingabe möglich? Frank versuchte sich an die Kombination zu erinnern. Sein Gedächtnis konnte Namen und Zahlen fast fotografisch speichern. Bei Gesichtern dagegen versagte es gänzlich. Mit sogenannten Eselsbrücken ließen sich auch längere Kombinationen leicht einprägen und selbst nach vielen Jahren wieder rekapitulieren.
Selbst die Geburtsdaten von ehemaligen Kommilitonen aus seiner Studienzeit hatte Frank noch im Kopf. Jetzt überlegte er. Die Länge des Codes war an einen Freitag gebunden. Freitag der dreizehnte. Also waren es dreizehn Zeichen. Alternierend Buchstaben und Zahlen. Fing es mit einer Zahl an? NEIN. Also der erste Buchstabe war ein n. Frank tippte das Zeichen direkt ein. Nach und nach tauchten die Zahlen oder Buchstaben wieder vor seinem Auge auf. ‚n 7 o 2 g 8 a 5 b 3 c 4 m‘. Rasch tippe er alle Zeichen nacheinander ein.
‚Falsch, falsch, falsch‘, der tanzende Bär schien ihn höhnisch anzugrinsen. Also auch dieser Code nicht. Frank schrieb sich die Kombination noch einmal auf einen Zettel. Hatten die Buchstaben rückwärts gelesen nicht irgendeinen Namen ergeben? Aber auch das war für ihn damals nicht allzu interessant gewesen, denn mit dem Namen konnte er ohnehin nichts anfangen. ‚Mcbagon.‘ Moment - McDagon könnte hinkommen, der unsympathische Typ von der Feier. Schnell gab Frank die Kombination korrekt ein. ‚n 7 o 2 g 8 a 5 d 3 c 4 m‘.
Ein krächzendes Dudeln ertönte aus dem Lautsprecher. ‚Gratulation, Gratulation, du hast das erste Rätsel gelöst. Jetzt aber schnell durch den Dunkelwald zum nächsten Rätsel!‘ Frank schmunzelte. Nur ein einziger Buchstabe der dreizehn Zeichen war falsch gewesen. Ein wenig stolz konnte er ja schon auf sein Gedächtnis sein.
Aber was wollte das blöde Spiel denn jetzt von ihm. ‚Schnell durch den Dunkelwald.‘ Frank las die nächsten Anweisungen: ‚Der Dunkelwald darf nur in absoluter Dunkelheit durchschritten werden. Aufgepasst Spieler - besorge dir eine Decke und hülle dich und deinen Monitor in absolute Dunkelheit. Nur so kommst du heil durch den Dunkelwald.‘
Frank fühlte sich wieder auf den Arm genommen. Warum in aller Welt sollte er jetzt eine Decke besorgen und diesen um sich und den Monitor legen? Er drückte die ‚Weiter‘ - Taste. ‚Du bist nicht in die Dunkelheit gehüllt, Spieler‘, erschien ein neues Schriftfeld auf dem Bildschirm. ‚Hülle dich in die Dunkelheit, oder das Spiel wird abgebrochen.‘
Frank überlegte. Diese Meldung musste willkürlich erscheinen. Das Spiel konnte doch nicht kontrollieren, ob er wirklich in die Decke gehüllt dasaß! Trotzdem stand Frank auf und besorgte sich eine Wolldecke aus dem Schlafzimmer. Dann schloss er die Türe wieder sorgfältig hinter sich ab.
Endlich hatte er die Decke so über sich und den Bildschirm gelegt, dass die Dunkelheit wenigstens halbwegs perfekt war. Jetzt konnte es aber weitergehen! Frank drückte wieder die Taste. ‚Na siehst du, es geht doch“, stand da auf dem Schirm. ‚Jetzt aber das nächste Rätsel: Der nächste Code besteht aus einem Namen und zwei Geburtsdaten ohne Jahr. Das Jahr wird durch die doppelt genutzte Null dargestellt, die Geburtsdaten laufen auf diese Null in Addition zu.‘ Frank überlegte. Na, nach den bisherigen Rätseln war dies ein Kinderspiel. Der Name konnte nur McDagon lauten und die Geburtsdaten 9.8. und 7.5. Das waren sein Geburtstag und der von Lydia. Frank tippte die Daten ein.
‚Hallo Dr. Frank Rudak‘ Die Schrift erschien in Briefform auf dem Bildschirm. Als Absender stand dort Dr. K. W. Schwenker. Frank las neugierig die Zeilen:
‚Zunächst einmal muss ich mich für den ganzen Aufwand entschuldigen, aber wenn Sie Näheres erfahren, werden sie verstehen, dass dies alles einen Sinn ergibt und Ihrer Sicherheit dient.
Trotzdem an dieser Stelle eine Warnung: Noch haben Sie die Auswahl, dieses ‚Spiel‘ abzubrechen und Ihr Leben - zumindest vermutlich bedingt - so weiterzuleben wie bisher. Oder aber Sie können die nächste Seite mit mehr Informationen aufrufen. Sollte Sie diesen Weg einschlagen, so muss ich Ihnen sagen, dass sich Ihr Leben grundlegend ändern wird.
Und, Frank - ich darf Sie doch Frank nennen? - ich meine es ernst. Ich kenne Sie und vermutlich werden Sie jetzt denken, dass ich ein wenig übertreibe. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es wird schlimmer, als Sie sich das ausmalen können. Und es gibt dann keinen Weg mehr zurück. Keinen Weg! Also wählen Sie jetzt, lassen Sie sich auch meinetwegen etwas Zeit. Aber Sie werden zu Ihrer Entscheidung stehen müssen.‘
Frank schaute ungläubig auf den Bildschirm. War das nicht alles lächerlich? Er saß hier unter einer Wolldecke und las diese Worte Dr. Schwenkers. Dr. Schwenker, der ihm diese Nachricht aus seinem Urlaub zukommen ließ. Wieder überlegte Frank, ob Dr. Schwenker sich nicht einen Spaß mit ihm erlaubte. Montag im Büro würde er ihm dann freundschaftlich auf die Schulter klopfen und mit gespielter Unwissenheit danach befragen, wie er sein Wochenende denn verbracht hätte. Wäre es da nicht doch besser, dieses Spiel nicht mehr mitzuspielen und Montag Dr. Schwenker selbst eine lange Nase zu drehen?
Frank wollte gerade ‚abbrechen‘ wählen und diese lächerliche Wolldecke von den Schultern streifen, als er dann aber doch zögerte. Noch einmal dachte er über den gesamten Aufwand, den Dr. Schwenker hier trieb, nach. Vielleicht war es doch kein einfacher Scherz, denn sein Kollege und Vorgesetzter hatte ihm doch schon vor einem Jahr die Chipkarte zugesteckt. Ein so lange vorbereiteter Witz? Wohl kaum. Und dann der Aufwand das Spiel zu programmieren. Das hatte Dr. Schwenker mit Sicherheit nicht selbst gemacht. Und das merkwürdige Verhalten Lydias in letzter Zeit. Aber was wäre denn, wenn sich nach dem Abruf weiterer Informationen wirklich sein komplettes Leben ändern würde?
Frank war zufrieden mit seinem Leben. Er hatte Aussichten in die Forschungsabteilung übernommen zu werden. Sein Lebensweg war eigentlich schon bestimmt. Sollte er jetzt alle Zukunftspläne über den Haufen werfen? Seine angehende Professur. Ein Leben mit Lydia und zwei oder drei Kindern. Frank fühlte sich hin- und hergerissen. Andererseits: Könnte sich sein Leben wirklich derart drastisch ändern, wenn er jetzt mehr von Dr. Schwenker erfuhr? Lag es nicht an ihm selbst, wie es mit ihm weiterging? Kein Dr. Schwenker würde so gravierende Informationen preisgeben können, dass sich sein Leben so grundlegend ändern würde. Und mit Lydia dürfte schon bald wieder alles im Reinen sein, da war er sich ziemlich sicher.
Frank drückte die ‚Weiter‘ - Taste. Es erschien nur ein kleines Feld am Bildschirm: ‚Frank, sind Sie wirklich sicher? Bedenken Sie die Folgen!‘. Frank drückte ‚JA‘.
Wieder öffnete sich ein Brief mit dem Absender Dr. Schwenkers:
‚So, Frank, Sie haben sich also entschlossen, die Wahrheit zu erfahren? Nun, ich muss Sie noch einmal warnen: Auch wenn Sie es nicht glauben sollten, Ihr Leben wird nicht mehr dasselbe wie zuvor sein, wenn Sie die folgenden Seiten gelesen haben. Es geht nicht um solche Kleinigkeiten, wie die Arbeit in der Klinik oder Ihre Professur. All das werden Sie vergessen können. Im Endeffekt geht es nur noch um Leben und Tod!
Das Wissen der folgenden Seiten wird Sie zum Gejagten machen. Sie werden in Angst leben, nie wissen, wem Sie vertrauen können. Aber Sie werden bestimmt guten Gewissens in den Spiegel schauen können. Wenn Sie dann noch leben ...‘
Jetzt machten Frank diese Worte Dr. Schwenkers doch ein wenig Angst. ‚Sicherlich wird es etwas zu hoch gegriffen sein‘, dachte er, ‚aber wenn nur ein Körnchen Wahrheit an all dem ist, ...‘ Frank kamen Zweifel. Wollte er das denn jetzt wirklich wissen? Sollte er nicht lieber über alles noch einmal in Ruhe nachdenken und gegebenenfalls darüber schlafen? Das war doch alles zu lächerlich! Mechanisch tippte Franks Finger auf die Taste für die nächste Seite. Sei‘s drum. So richtig glaubte er noch nicht an Dr. Schwenkers Worte.
‚So habe ich Sie eingeschätzt, Frank. Schon damals riet ich davon ab, Sie mit in das Projekt zu nehmen. Aber lesen Sie einfach, nachdenken sollten Sie später. Sie werden jetzt nicht viel Zeit haben, denn man wird sich Gedanken machen, zum Beispiel darüber, warum sie unter einer Wolldecke vor ihrem Monitor sitzen. Sie sitzen doch unter einer Wolldecke? Denn wenn nicht, steht es ziemlich schlecht. Und ich garantiere Ihnen, dass Lydia in Kürze bei Ihnen sein wird. Oder schaut Sie Ihnen gerade über die Schulter? Ich hoffe nicht ...
Also, der ganze Zirkus diente im Endeffekt nur Ihrer Sicherheit und dem Schutz der von mir gesammelten Daten. Wenn Sie diese Zeilen lesen, bin ich tot. Desto länger, je mehr Zeit Sie für das Lösen der Rätsel gebraucht haben. Denn die Postkarte, die Sie von mir erhielten, war nur ein Ablenkungsmanöver. Ist die Karte verschwunden? Wenn ja, habe ich unsere Gegner richtig eingeschätzt.
Natürlich bin ich auf keinem Segeltörn, oder ich bin von meinem letzten nicht zurückgekommen. Jedenfalls wird man meine Leiche vermutlich niemals finden. Mein Boot vielleicht. Diese Karten wurden verschickt, weil ich mich eine gewisse Zeit bei einer gewissen Person nicht gemeldet habe. Leider gibt es nur sehr wenige Personen, denen ich wirklich vertraue ...
Nun, Ihnen dürfte bekannt sein, dass ich mich von meiner Frau vor zirka einem halben Jahr scheiden ließ. Sie wusste von allem nichts und das passte denen gar nicht. Schauen Sie sich doch die Frauen unserer Ärzte einmal an: Frau Dr. Grander, Lydia, und und und ...‘
Frank las die Zeilen, konnte sich aber bisher noch keinen Reim darauf machen. Was hatte das jetzt alles mit den Frauen zu tun? Dr. Schwenker sprach doch sehr in Rätseln. Er las weiter:
‚Die Frauen sind neugierig und sollen es auch sein, denn ihre Aufgabe ist es, ihre Ehemänner zu überwachen und alles weiter zu melden. Wem? Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Wir sprechen immer von der ‚Organisation‘, auch wenn die natürlich einen Namen hat. Den erfahren sie aber später in diesem Schreiben, wenn ich ihnen ein wenig mehr über die Hintergründe erzählt habe. Es wird sie überraschen und ihnen das gesamte Ausmaß dieser ‚Angelegenheit‘ vor Augen führen. Sprechen wir aber zunächst nur von der ‚Organisation‘, denn das ist auch der offizielle Terminus, den alle nutzen. Aber weiter im Text ...
Garantiert werden Ihre Räume, Dr. Rudak, mit Kameras überwacht. Deswegen auch das Spielchen mit der Wolldecke. Außerdem wird niemand wissen, was Sie mit der Chipkarte angefangen haben, denn nach dem Einfügen des Chips in das Lesegerät sandte diese für einige Stunden ein hochfrequentes Störsignal aus. Kameras und Mikrofone wurden dadurch in der Funkübertragung gestört. Hoffentlich haben unsere Gegner Funkübertragung benutzt. War Lydia sehr wütend? Sie gerät jetzt langsam unter Druck.
Kommen wir zurück zu meiner Frau und dem Grund, warum Sie diese Zeilen lesen. Meine Frau gehörte nie zu der ‚Organisation‘ und ich habe sie ehrlich geliebt. Allerdings erhöhte man nach und nach den Druck auf mich, da die Überwachung meiner Person wohl zu lückenhaft war. Man zwang mich schließlich zu der Scheidung, ansonsten hätte man Katrin, so hieß meine Frau, umgebracht. Ich sollte dann nach gewisser Zeit eine andere heiraten. Zum damaligen Zeitpunkt war mir schon alles egal, nur Katrin durfte nichts geschehen und so ließ ich mich auf die Scheidung ein.
Aber man brachte sie kurz nach unserer Trennung doch um, davon habe ich erst vor zirka einem Monat erfahren. Das war der Zeitpunkt, an dem Katrin mit mir in Kontakt treten sollte. Tat sie auch, aber posthum. Wir hatten bestimmte Codes vereinbart, die mir mitteilen sollten, ob es ihr gutging. Nachdem ich von ihrem Tod erfahren hatte, reifte in mir der Plan alles über die ‚Organisation‘ und das von ihr installierte System an die Öffentlichkeit zu bringen.
Dass ich jetzt tot bin, ist der Beweis für meine Unvorsichtigkeit. Oder dafür, dass es einfach keine Chance gegen die Organisation gibt. Sie lassen niemanden am Leben, der ihnen schaden könnte.‘
Frank wischte sich über die Augen. Alle diese Maßnahmen. Sollte wirklich stimmen, was Dr. Schwenker da schrieb, dann ...
‚Aber jetzt nicht nachdenken, erst einmal lesen‘, schalt er sich und richtete die Augen erneut auf den Bildschirm.
‚So, jetzt wissen Sie zumindest meine Beweggründe. Ich kann nicht alle Informationen, die für Sie wichtig sind, auf diesem Chip unterbringen. Deswegen erhalten Sie jetzt die notwendigsten und wichtigsten Anweisungen. Vor allem bedenken Sie eines: Unterschätzen Sie unsere - äh, Ihre - Gegner nicht. Niemals.
Zunächst müssen Sie die Chipkarte sicher verschwinden lassen. Gehen Sie davon aus, dass man Sie beobachten wird. Entweder vernichten Sie die Karte komplett, oder Sie finden einen Ort, möglichst nicht in Ihrem Haus, der absolut sicher ist. Die Informationen, die sich auf diesem Chip befinden sind sehr brisant und wenn sie in falsche Hände geraten, könnte dies meine gesamten Recherchen und den Tod vieler Menschen umsonst sein lassen.
Es gibt zwei Verstecke, die Dokumente und Beweise enthalten. Herauszufinden, wo sie sich genau befinden, überlasse ich Ihrem Scharfsinn und Ihrer Kombinationsgabe. Ja, Frank, Sie lesen richtig: Entgegen Ihrer Selbsteinschätzung verfügen Sie nämlich über eine exzellente Kombinationsgabe. Erinnern Sie sich an einige unserer Gespräche und nutzen Sie meine Aussagen, so wie Sie auch den Code für dieses Spiel herausgefunden haben. Kombinieren Sie richtig, so finden sie die Verstecke. Eines befindet sich auf meinem Segelboot, ein anderes in der Klinik. Sie werden noch einige Zeit in der Klinik mehr oder weniger sicher sein, also gehen Sie wie gewohnt zur Arbeit. Verhalten Sie sich zunächst möglichst unauffällig, so wie immer und gehen Sie niemals auf entsprechende Andeutungen Ihres Umfeldes ein. Man wird mit Sicherheit versuchen herauszufinden, wie viel Sie schon wissen. Dann gibt es einen Mann in England, den Sie aufsuchen sollten. Dort erfahren Sie Details, die ich selbst hier niemals nennen kann oder auch nicht kenne. Mehr als den Namen des Mannes habe ich aber auch nicht.
Doch zunächst muss ich Sie erneut warnen: Ich nenne Ihnen jetzt einige Namen von Personen, die für Sie äußerst gefährlich sind. Auf der folgenden Seite finden Sie eine Liste der gefährlichsten Leute. Und danach folgen zwei Seiten mit näheren Informationen zur Sache. Also, Dr. Rudak, machen Sie sich auf einiges gefasst und blättern Sie jetzt um ...‘
Der Bildschirm wurde schwarz. Kein Geräusch war zu hören. Stromausfall. Frank lugte unter der Decke hervor. Weder die elektrische Uhr, noch das Licht, noch irgendein elektrisches Gerät im Raum funktionierte. Stromausfall. Dann hörte er dumpf die Stimme Lydias:
„Schatz, Fraaaaank. Hier ist ein Kurzschluss. Der Strom ist ausgefallen. Fraaank, komm mir bitte helfen!“
Es klang jämmerlich. Frank wollte aus Reflex direkt aufspringen. Dann besann er sich. Die Chipkarte! Mit der Decke über dem Kopf beugte er sich zu seinem Computer herunter. In nahezu perfekter Dunkelheit tastete er nach dem Lesegerät, das hinter dem Rechner am Kabel hing. Dann zog er die Chipkarte aus dem Gerät heraus und ließ sie unauffällig in der Hosentasche verschwinden. Jetzt erst legte er die Wolldecke zur Seite und stürzte auf die Tür zu.
Lydia stand völlig aufgelöst in der Küche. In der linken Hand hielt sie noch die Glaskanne der Kaffeemaschine. Die allerdings stand rauchend und zischend da. „Frank, Frank!“ Lydia stürzte in seine Arme. „Ich wollte uns einen Kaffee machen, da ist das Ding plötzlich explodiert!“ Sicherlich dramatisierte sie jetzt ein wenig. Frank zog den Stecker aus der Steckdose.
„Hmm, bestimmt ein Kurzschluss. Ich glaube, wir brauchen eine neue Kaffeemaschine.“
Lydia drängte sich an ihn. „Frank, es tut mir so leid. Ich liebe dich so. Ich möchte mich nie mehr mit dir streiten. Warst du oben in deinem Büro? Was hast du dort gemacht?“
Zu viele Fragen auf einmal. Frank machte sich los und ging in die Diele zum Sicherungskasten. Sämtliche Sicherungen waren aus. Alle Sicherungen wegen des Kurzschlusses in der Küche ausgefallen? Er schob die Hebel der Automaten nach oben. Warum fiel im Schlafzimmer der Strom aus - oder in seinem Büro -, wenn es lediglich in der Küche einen Kurzschluss gab?
Frank warf durch die geöffnete Tür einen Seitenblick auf Lydia. „Hast du die Sicherungsautomaten ausgeschaltet?“ Er schaute auf seine Frau, die immer noch die Glaskanne der Kaffeemaschine in der Hand hielt. Fast wartete er schon darauf, dass sie sich wegen der Frage wieder aufregen würde, aber Lydia blieb erstaunlich gefasst.
„Nein, Liebster. Warum sollte ich das denn getan haben? Wie kommst du bloß immer auf so etwas?“ Sie schüttelte den Kopf. Dann stellte sie die Kanne ab und schmiegte sich in seine Arme.
„Ich habe solch einen Schreck bekommen. Da hat es geknallt, das Licht ging aus und ich wusste gar nicht, was ich tun sollte.“
Aus großen, unschuldigen Augen schaute sie ihn an. Dann kullerten plötzlich Tränen aus ihren braunen Augen. Frank schmolz dahin. Er hatte noch nie vertragen können, dass seine Frau weinte. Oder dass irgendeine Frau weinte. Das rührte ihn immer zutiefst. Er wusste, dass Lydia seine Schwäche schon mal gezielt ausnutzte, dagegen etwas ausrichten konnte er trotzdem nicht.
Zärtlich küsste er ihr die Tränen von den Wangen. „Nicht weinen, Liebste. Es ist doch nicht so schlimm. Komm, wir vergessen die Sache einfach und du gehst heute in die Stadt und kaufst uns eine neue Kaffeemaschine. Und vielleicht noch ein hübsches Kleid für dich.“ Augenblicklich versiegten die Tränen und Lydia schaute ihn strahlend an. „Du hast immer so wunderbare Ideen, Liebster!“
Frank war rasiert und lag jetzt in der Badewanne. Lydia hatte bald nach dem Vorfall mit der Kaffeemaschine das Haus verlassen und würde den Vormittag zum Shoppen nutzen. So fand er endlich die Zeit, um sich wohlig zu entspannen und einmal in Ruhe über alles nachzudenken. Wurde das Haus wirklich videoüberwacht? Frank kroch trotz des warmen Wassers eine Gänsehaut über den Rücken. War Dr. Schwenker wirklich tot? In der Klinik sprach man nur von Urlaub. Eine Leiche des Arztes war nicht gefunden worden, das hätte er erfahren. Was stimmte wirklich an all den Informationen in diesem Brief von Schwenker? Sollte er vielleicht versuchen, etwas über Schwenkers Ex - Frau herauszufinden? Das könnte die gesamte Geschichte unter Umständen widerlegen. Aber wer wüsste etwas über Katrin Schwenker, oder hatte sie wieder ihrem Mädchennamen angenommen? Aber machte es einen Sinn, da die Frau ja anscheinend tot war? Professor Brenzal müsste doch vielleicht etwas wissen.
Frank ging nach und nach alle Möglichkeiten durch. Aber vielleicht sollte er noch einmal die Informationen auf der Chipkarte abrufen. Schließlich hatte er ja nur einen äußerst geringen Teil der Informationen zu lesen bekommen. Frank stieg aus der Wanne. Sorgsam trocknete er sich ab, zog sich an und tastete dann nach der Chipkarte in seiner Hosentasche. Ja, er würde jetzt die Botschaft Schwenkers zu Ende lesen.
Der Kaffee schmeckte grauenhaft. Selbst mit Kaffeemaschine hatte er noch nie einen wirklich guten Kaffee aufgebrüht. Aber das, was er sich da jetzt zusammengebraut hatte, war fürchterlich. Frank hatte einfach das Pulver in die Tasse gelöffelt und anschließend heißes Wasser darauf gegossen. ‚Muss zur Not doch auch gehen‘, dachte er.
Vorsichtig stellte er die Tasse neben seinem Rechner ab. Die Wolldecke lag noch da, wo er sie hatte liegenlassen. Die würde er gleich wieder brauchen. Es schien, als wäre zwischenzeitlich niemand in dem Raum gewesen. Er schaltete den Rechner an. Nichts. Frank drückte den Schalter der Tischlampe. Die funktionierte. Also war Strom da. Aber am Computer tat sich nichts. Frank versuchte ihn erneut anzuschalten. Wieder nichts. Dann überprüfte er das Anschlusskabel. Alles in Ordnung. Das Kabel steckte korrekt in der Steckdose. Probehalber wackelte er vorsichtig an dem Kabel. Nichts. Auch leichtes Draufschlagen auf den Rechner half nicht. Natürlich nicht. Was nun?
Ein anderes Netzkabel musste her. Frank suchte in seiner Kramkiste und fand auch wirklich etwas. Nur brachte der Anschluss des neuen Kabels auch nichts. Der Rechner regte sich nicht, kein Lichtlein, kein Lüftersummen. Frank resignierte. Den würde er zur Reparatur bringen müssen. War der Rechner durch den Stromausfall vielleicht auch kaputtgegangen? War so etwas möglich? Oder handelte es sich lediglich um einen dummen Zufall und Rechner und Kaffeemaschine hatte sich kollektiv verabschiedet?
Nun, jetzt und hier würde er jedenfalls nicht weiter kommen. Vielleicht sollte er sich das Gerät nehmen und direkt zum Reparaturcenter fahren? Frank wusste, dass es einen größeren Computerladen in Frankfurt - Bürgel gab. Schnell waren die Kabel vom Gerät getrennt und Dr. Frank Rudak machte sich auf den Weg zur Reparatur.
Der Weg über die Mainbrücke war zum Höllentrip geworden. Verstopft durch einen Bagatellunfall brauchte Frank über eine Stunde zu diesem Reparaturcenter. Und von einem Parkplatz konnte zunächst auch keine Rede sein. Erst nachdem er das Wohnviertel dreimal umrundet hatte, konnte er seinen Wagen in eine Parklücke quetschen.
„Kommen sie in zwei Wochen wieder, dann ist ihr Gerät mit Sicherheit repariert!“ Der junge Mann hinter dem Tresen war nicht unfreundlich. Nur uninteressiert.
„Ich brauche das Gerät aber heute noch.“ Frank verzweifelte. Zwei Wochen! Da waren wichtige Berichte und Statistiken. „Also das geht nicht. Ich brauche den Rechner dieses Wochenende noch. Da sind wichtige Berichte, Statistiken und ...“ - „Ja, guter Mann. Aber heute ist Samstag. Und samstags wird eh‘ nicht repariert. Außerdem wissen wir doch gar nicht, was mit dem Gerät ist. Da muss getestet und gemessen werden. Und das braucht Zeit. Und glauben sie denn, dass dieses das einzige Gerät ist, das wir hier zur Reparatur haben?“
Frank sah die Schlange wartender Menschen hinter sich. So würde er hier nicht weiterkommen. Also zwei Wochen! Er musste sich in sein Schicksal fügen. Mit einem ganz schlechten Gefühl machte er sich auf den Heimweg.
Unterwegs fielen ihm die Worte Dr. Schwenkers ein: ‚Entweder vernichten Sie die Karte komplett, oder Sie finden einen Ort, möglichst nicht in Ihrem Haus, der absolut sicher ist.‘ Wo aber könnte er die Karte sicher aufbewahren? Bei Dr. Grander? Der wohnte hier in der Nähe, da könnte er vielleicht schnell vorbeifahren. Dann aber erinnerte er sich an die unschöne Szene mit der Briefmarke und Granders Frau und ließ den Gedanken wieder fallen. Frank fuhr ziellos durch die Gegend. Wo wäre die Karte sicher? In der Klinik? Er könnte kurz in der Klinik vorbeifahren und die Karte in seinem Safe deponieren. Nein, den Gedanken verwarf er auch wieder. Die Klinik war zu unsicher. Frank ging in Gedanken seinen Freundes- und Bekanntenkreis durch. Da war niemand, dem er ausreichend vertraute. Nicht in dieser Hinsicht.
Die Idee kam Frank, als er an einem Elektrogeschäft vorbeifuhr. Ja, so müsste es gehen: Er würde für sein Büro eine neue Standlampe kaufen und die Karte im Fuß platzieren. Das dürfte mit einfachen Mitteln schnell erledigt sein und könnte im Kofferraum seines Wagens geschehen. Eine Standlampe wollte er immer schon haben. Das würde weder Lydia besonders auffallen, noch bei einer eventuellen Videoüberwachung in seinem Haus Verdacht erregen.
Frank hatte Glück. Der Elektroladen verfügte über einen eigenen Parkplatz und es waren sogar genügend Stellplätze frei.
Hässlich wäre ein noch zu niedlicher Ausdruck für die Standlampe, mit der Frank schließlich den Laden verließ. Aber er hatte sich überzeugt, dass die Bodenplatte des Fußes mit wenigen Schrauben befestigt war und es kein Problem sein würde, die Karte dort unterzubringen. Es war die einzige Lampe mit einem solchen Fuß gewesen und der Verkäufer gab ihm sogar einen geringen Rabatt. Und an einen Schraubendreher hatte er auch gedacht. Der Fuß der Lampe ließ sich leicht öffnen und Frank deponierte die Karte vorsichtig in der Mitte. Dann schraubte er die Bodenplatte wieder an. Die ganze Aktion hatte nur wenige Minuten gedauert und Frank war sicher, dass ihn niemand beobachtet hatte. Außerdem fand die Aktion so im Kofferraum statt, dass man ihm schon über die Schulter hätte blicken müssen, um etwas zu sehen. Dr. Frank Rudak war mit sich zufrieden. Wenigstens die Karte war nun in Sicherheit.
Lydia stand schon in der Tür, als er endlich nach Hause kam. „Wo warst du?“ Es klang nicht unfreundlich, aber ein wenig vorwurfsvoll.
„Ich habe meinen Computer zur Reparatur gebracht. Vermutlich hat er bei dem Kurzschluss heute Morgen auch etwas abbekommen. Jedenfalls funktionierte er nicht mehr.“ Frank zuckte mit den Achseln.
„Und was ist das da?“ Lydia zeigte auf die Lampe. „Das kommt mir nicht ins Haus! Die ist ja potthässlich!“
„Das ist meine neue Bürolampe. Die habe ich auf dem Rückweg günstig gekauft. Mir gefällt sie.“ Frank ließ keine Widerworte zu und trug die Lampe direkt in sein Büro. Neben dem Sessel war der optimale Platz. Und so schlecht sah das gute Stück nun auch wieder nicht aus. Oder? Naja, er würde sich schon daran gewöhnen. Lydia betrachtete ihn von der Türe her skeptisch.
„Dein Geschmack wird aber auch immer schlechter, Schatz. Nur gut, dass ich mir meinen guten Geschmack bewahrt habe. Komm, ich zeige dir das neue Kleid!“ Lydia stieg die Treppen zum Wohnzimmer herunter. Willig folgte Frank ihr.
„Setz dich auf das Sofa und warte auf meine Modenschau.“ Lydias obligatorischer Champagner stand schon auf dem Tisch. Frank hatte grade einen kleinen Schluck getrunken, als sie in den Raum tanzte. Lediglich bekleidet mit einem hauchdünnen Kleid mit riesigem Ausschnitt.
„Mein neues Abendkleid.“ Sie drehte sich nach links und rechts. Frank musste anerkennend zugeben, dass sie nahezu prädestiniert war, solche Kleider zu tragen. Das Kleid zeigte nicht nur den größten Teil ihrer hübschen Brüste, sondern war so kurz, dass ihre Beine noch länger erschienen. Frank fragte sich, ob bei der nächsten Drehung ein Teil ihres Hinterns zum Vorschein kommen würde. Natürlich trug sie keine Unterwäsche darunter und jetzt drehte sie sich ein wenig nach rechts und beugte sich leicht nach vorne, so dass Frank plötzlich ihren festen, runden Hintern andeutungsweise zu sehen bekam.
Er spürte, wie ihm warm wurde. Lange würde er diese Show nicht mehr mitmachen können. Aber Lydia machte dem selbst ein Ende, indem sie lachend auf der Treppe in Richtung Schlafzimmer verschwand. Bevor sie noch sein Blickfeld verließ, war Frank schon auf der Treppe hinter ihr und bewunderte den Anblick, den ihm seine Hüfte schwingende Frau zwei Stufen über ihm nur zu gerne darbot.
Den Rest des Tages verbrachten sie größtenteils im Bett. Lydia verließ ihn nur kurz, um den Champagner und eine Kleinigkeit zu essen zu holen. Endlich lagen sie zufrieden nebeneinander und Lydia streichelte seine Brust.
„Verrate mir etwas, Liebster. Du hast doch keine Geheimnisse vor mir, oder? Was hast du heute Morgen in deinem Büro gemacht? Sag‘s deiner lieben kleinen Frau.“ Ihre Hand wanderte tiefer. Aber Frank war schläfrig. Sie hatte ihn so ausgelaugt, dass er jetzt nur noch an ein wenig Schlaf dachte. Außerdem hatte er ja die letzte Nacht schlecht geschlafen. Entsprechend faul fiel auch seine Antwort aus: „Nichts. Ich habe nur noch an einigen Berichten gearbeitet.“ Und kurz bevor er einschlief fügte er noch hinzu: „Und den Rechner neu eingerichtet.“ Dass Lydia vorsichtig aufstand und seine Taschen durchsuchte, bekam er schon nicht mehr mit. Auch nicht, dass sie in der fest verschlossenen Küche noch ein Telefonat führte.