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2. Die Beerdigung

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Es war kein Tag für eine Beerdigung. Eigentlich ist ja nie ‚ein Tag für eine Beerdigung‘, aber dieser hier eignete sich besonders schlecht. Leichter Nieselregen setzte sich in die Kleidung und durchweichte Haut und Haar und dort, wo sich genügend Tropfen zusammenfanden. Anschließend flossen diese in Kragen und Ärmel.

Ein Tag fast wie im Winter und doch war es gerade einmal Spätsommer. Aber in diesem Jahr konnte man ja auch nicht von Sommer reden. Nicht eine zusammenhängende Woche Sonnenschein hatte es bisher gegeben. Niemand, aber auch niemand auf dieser Beerdigung trug heute einen Schirm bei sich. War es doch zunächst noch recht trocken gewesen und keine Wetterstation im Radio erwähnte irgendetwas von Regen. Aber Nieselregen fiel wohl nicht unter diese Kategorie.

Dr. Frank Rudak stand am offenen Grab der jungen Kollegin, die so vorschnell aus dem Leben geschieden war. Keine 24 Jahre alt, gerade das Studium absolviert und als eine der erfolgreichsten Studentinnen ihres Jahrgangs mit Handkuss an der Klinik als Assistenzärztin aufgenommen. Ihrem kometenhaften Aufstieg setzte dann der rätselhafte Autounfall ein abruptes Ende.

Frank sah sich um. Da standen sie alle: Dr. Klaus Werner Schwenker, sein unmittelbarer Vorgesetzter; Professor Dr. Johann Brenzal, der Leiter der Forschungsabteilung und der Kinderklinik; Karl Hergann, ein guter Bekannter der Verstorbenen und noch Student.

Viele der Anwesenden kannte Frank Rudak vom Sehen aus der Klinik. Wieder rann ein Schwall kalten Regenwassers seinen Nacken herunter. Warum war er eigentlich hier? Weder, dass er die junge Frau gekannt hätte, noch gab es eine berufliche Übereinstimmung irgendeiner Art. Aber Dr. Schwenker hatte ihn ‚gebeten‘ teilzunehmen und dieser ‚Bitte‘ hatte er Folge zu leisten, wollte Frank seinen Chef nicht verärgern.

Professor Brenzal starrte mit gewohnt missmutigem Blick auf den Sarg. Frank konnte sich nicht erinnern, den Professor jemals mit einem anderen Gesichtsausdruck gesehen zu haben. Brenzal selbst war vor einigen Jahren dem Tod gerade so von der Schippe gesprungen, nachdem die Bruchlandung eines gecharterten Flugzeuges halbwegs glimpflich abgelaufen war. Danach war der Professor noch verschlossener geworden.

Verstohlen sah Frank auf seine Uhr. Jetzt musste der Pfarrer aber bald ein Ende finden. Und wirklich, die Anwesenden setzten sich in Bewegung. Eine lange Schlange von Trauernden bekundete den Eltern und Verwandten ihr Beileid.

Frank und Dr. Schwenker standen dicht beieinander in der Schlange. Mit Genugtuung registrierte er, dass Dr. Schwenker kein bisschen trockener war als er selbst.

„Dr. Rudak, ich würde gleich mit ihnen gerne ein paar Worte unter vier Augen wechseln. Bitte begleiten sie mich doch zu meinem Wagen.“ Schwenker sprach die Worte leise und gepresst. Sie waren kaum zu verstehen. Frank schüttelte den Verwandten die Hand. „Mein Beileid.“ Dann zog ihn Dr. Schwenker schon zur Seite und auf einen verlassenen Weg.

„Hören sie, Dr. Rudak, ich habe nicht viel Zeit, mit ihnen zu reden. Dieses Gespräch muss auf jeden Fall unter uns bleiben. Schauen sie mich jetzt nicht an und tun sie so, als wenn wir uns beruflich unterhalten würden. Bitte stellen sie auch keine Fragen. Es bleibt uns nicht viel Zeit! Im Zweifelsfall unterhalten wir uns über den neuen Inkubator.“

Dr. Schwenker sprach schnell und abgehackt. So hatte Frank ihn noch nicht erlebt, aber er war ja auch mit seinem Kollegen und Vorgesetzten noch nie in solch einer Situation gewesen. Verstohlen sah er sich um. Missmutig blickte ihnen Professor Brenzal hinterher. Irgendwie lag etwas Merkwürdiges im Blick des Professors. Die Eltern der Verstorbenen redeten gerade intensiv auf den Professor ein.

„Hey Rudak, hören sie mir überhaupt zu? Also, noch einmal. Sie finden in ihrer Manteltasche eine Chipkarte auf der der Chip fehlt. Es handelt sich um einen Miniaturchip, der keine 5 x 5 mm misst. Er kann eindeutig in die Karte eingesetzt werden, da eine Seite abgeflacht ist. Haben sie das verstanden?“

Schwenker sah Frank eindringlich an. Dann wandte er sich schnell ab und konzentrierte sich auf den vor ihnen liegenden Weg.

„Ja sicher, aber was hat ...“

„Gut, hören sie mir nur zu, wir sind gleich beim Wagen: Eines Tages werden sie vielleicht eine Postkarte von mir erhalten. Schenken sie der Briefmarke dann besondere Beachtung. Es handelt sich im Einzelnen um ...“

Eine Hand legte sich auf die Schulter von Dr. Schwenker. „Dr. Schwenker, gut dass ich sie noch erwische.“ Professor Brenzal war leicht außer Atem. „Ich sah sie im Gespräch mit Dr. Rudak und ich nehme an, dass es sich um unsere Klinik und die Abteilung handelt. So ernst, wie sie sich unterhalten. Gibt es etwas, was auch für mich von Belang wäre?“

Der Professor sah Schwenker in die Augen.

„Nein, es ging um die neue Ausstattung für die zu früh Geborenen. Dr. Rudak wird sich die nächsten Tage um neue Apparaturen kümmern, es gibt da einige Neuigkeiten aus Amerika.“

Professor Brenzal blickte von Schwenker zu Rudak. „Nun, dann bin ich ja auf die Ergebnisse gespannt. Ich werde doch von ihnen entsprechend informiert?“ Schwenker nickte nur und stieg in seinen Wagen.

Frank wollte sich abwenden, als der Professor ihn noch einmal ansprach: „Herr Dr. Rudak, sie wissen, dass ich über alle Vorgänge in der Klinik stets informiert sein möchte. Gibt es etwas, dass sie mir vielleicht vertraulich mitteilen wollen?“

Frank Rudak wurde es unter dem lauernden Blick des Professors mulmig. Bisher hatte er mit dem Mann wenig bis gar nichts zu tun gehabt und war auch froh darum. Warum jetzt diese peinlichen Fragen, inmitten des scheußlichen Nieselregens. Und das nach der Beerdigung?

„Nein, Herr Professor, es ging um den neuen Inkubator. Wir bekommen nächste Tage eine Lieferung des Gerätes und Dr. Schwenker instruierte mich in Hinsicht auf die zu machenden Tests.“

Endlich saß Frank wieder in seinem Auto. Der Professor hatte auf seine Antwort nichts weiter erwidert und ihn nur merkwürdig angesehen. Vorsichtig tastete seine Hand in die Manteltasche. Da war wirklich eine Karte. Es musste sich um eine der älteren Chipkarten handeln, die man früher als Telefonkarten oder Karten der Krankenkasse genutzt hatte. Frank fuhr sich durch den dichten Vollbart. Feine Wassertropfen spritzten auf das Lenkrad. Nein, von diesem Gespräch durfte er niemandem erzählen.

Das RFID Komplott

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