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Von Bussen und Bögen

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Frankreich ist ein großes Land mit vielen Gemeinden. Da liegt es nahe, dass der Name einer Gemeinde nicht unbedingt einmalig ist, hierzulande gibt es ja auch mehr als ein Kirchheim oder Stetten. Das Ziel der fünften Etappe der Tour 2004 lag in Chartres. Die Fahrer des Mannschaftsbusses eines großen Teams, das aus Scham nicht genannt werden möchte, verabschiedeten sich am Start in Amiens und wollten direkt zum Ziel rollen, um da die Profis wieder einzusammeln. Dort kamen sie aber nicht an, weil sie ihrem Navi blind vertrauten und in ein völlig anderes Chartres fuhren, wo sie partout kein Radrennen fanden. Die Profis standen derweil im echten Chartres im Ziel, im Freien, und waren ziemlich angefressen. Man hat sie dann zum Transfer ins Hotel auf andere Teambusse verteilt. Sie waren verschwitzt, hungrig und grantig, aber es half ja nichts. Der Bus kam dann schließlich irgendwann in der Nacht an. Aber natürlich viel zu spät. Das Kuriose daran: Solche Dinge passieren erst, seit es Navigationsgeräte gibt. Früher fuhr man nach dem Streckenplan, der in der Regel im richtigen Zielort endet.

Riesige Busse für die Mannschaften gehören mittlerweile zu jedem großen Radrennen dazu. Und natürlich auch zur Tour, wobei man oft den Eindruck hat, die Teams überbieten sich in diesem Jahreszentrum des Medieninteresses in Größe und Ausstattung ihrer rollenden Beinahe-Hotels. Ruhepritschen, Massagebänke, überall Fernseher, Duschen, natürlich eine Küche, das alles hinter verspiegelten und getönten Scheiben. Außen sind die Busse immer aufwendiger lackiert und natürlich blitzeblank, damit der Name des Sponsors so hell leuchtet wie die Sonne. Solche Busse kosten mehr als eine halbe Million Euro und sind mittlerweile so groß, dass die Fahrer Millimeterarbeit leisten müssen, um die Ungetüme in den oft verwinkelten und engen Start- und Zielbereichen kleinerer Städte zu parken. Die Tour ist ja nicht nur in Großstädten wie Marseille, Lyon, Bordeaux, Toulouse oder Paris zu Gast.

2013 startete das Rennen auf Korsika. Die ganze Insel hat deutlich weniger Einwohner als jede einzelne der genannten Großstädte. Der Auftakt war, anders als üblich, kein kurzes Zeitfahren als Prolog, sondern eine ganz normale Etappe von Porto Vecchio nach Bastia. Man erwartete gerade eine Sprintankunft, als sich im Zielort Bastia ein in der Tourgeschichte bisher einmaliges Ereignis zutrug. Der Mannschaftsbus des australischen Teams Orica Greenedge, auch so ein rollendes Einfamilienhaus, hatte weit vor dem Ziel eine Abzweigung Richtung Parkzone verpasst und wurde jetzt von dienstbaren einheimischen Helfern durch die enge Hafenstadt geleitet. Die Helfer schickten den Bus am Ende des ungewollten Umwegs durch den Zielbogen – aber der war ein paar Zentimeter tiefer als der Bus hoch. Kurzum, das Monstrum verkeilte sich, steckte im Zielbogen fest, und das heranrasende Feld war nur noch knapp 20 Minuten entfernt. Die Hektik, die jetzt entstand, hatte schon was. Sollte man die Etappe stoppen und die Wertung ausfallen lassen? Das Ziel mitsamt der Zeitmessung in Windeseile drei Kilometer nach vorn verlegen? Man hat debattiert wie auf einem Basar. Es zeichnete sich bald eine Zielverlegung ab, obwohl man damit Hunderte von Menschen verärgert hätte, die auf der Ehrentribüne im Zielbereich saßen und statt einer Sprinterankunft nur einen eingeklemmten Bus gesehen hätten.

Ein erfahrener Offizieller behielt allerdings die Nerven. Der Mann ließ einfach die Luft aus den Reifen des Busses, der so ein paar Zentimeter tiefer sank, freikam und auf den Felgen aus dem Ziel schlich. Das Rennen konnte normal zu Ende gehen; Marcel Kittel gewann die Etappe und das Gelbe Trikot. Der Fahrer des Busses saß derweil mit den Nerven zu Fuß neben seinem mittlerweile wieder korrekt geparkten und aufgepumpten Gefährt. Für den spanischen Fahrer Garikoitz Atxa war dies sein erster Arbeitstag bei Orica Greenedge gewesen – aber dann doch nicht sein einziger. Auch die Teamleitung sah ein, dass Offizielle ihn mehrfach aufgefordert hatten, unter dem Bogen durchzufahren.


Luft lass nach: Der Mannschaftsbus, eingekeilt im Zielbogen, war der Aufreger beim Grand Départ der Tour 2013 auf Korsika.

Ihr elenden Mörder

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