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Prolog

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Die Tour de France ist ein Radrennen – das könnte man durchaus so sagen, es wäre aber ein wenig zu kurz gesprungen. Etwa so wie: Wimbledon ist ein Tennisturnier, der Große Preis von Monaco ein Autorennen und der Ironman auf Hawaii ein Triathlon. Stimmt natürlich alles – und auch wieder nicht, weil all diese Veranstaltungen eben auch weltweit strahlende Monumente des Sports sind. Und manchmal auch mehr. Über die Tour de France sagen zum Beispiel viele, eigentlich sei sie ein Autorennen mit Radprofis als Behinderung. Oder so etwas wie ein Verkehrsinfarkt auf Reisen. Manche stempeln die Tour gern als das letzte große sportliche Abenteuer für Radrennfahrer und Zuschauer. All das trifft es natürlich auch.

Nüchtern betrachtet ist die Tour de France das größte mobile Sportereignis der Welt und das drittgrößte nach den Olympischen Spielen und Fußballweltmeisterschaften. Die 21 Etappen bewegen alljährlich Menschen und Millionen, schaffen Sieger und Verlierer, Stars und tragische Figuren. Als 2003 die Tour 100 Jahre alt wurde, erschienen Geschichtsbände, die waren so dick und schwer, dass man sie nur am Tisch lesen konnte, weil sie einen im Bett erschlagen hätten. Spätestens da war klar, dass dieses Radrennen unentwegt Geschichten produziert, die weit über das Nacherzählen eines Renntages hinausgehen. In Frankreich hat man das wortreiche Fabulieren darüber kultiviert; kaum ein Schriftsteller oder Philosoph, der etwas auf sich hält, hat nicht über die Tour geschrieben. Da unterscheidet sich die Frankreichrundfahrt gewaltig vom Giro d’Italia oder der Vuelta in Spanien. Beide Rennen sind vom Profil her vor allem in jüngerer Zeit oft noch härter, die Etappen schwerer. Aber die großen Geschichten werden über die „Grande Boucle“ erzählt, und genau dafür wurde sie ja 1903 von dem Verleger Henri Desgrange aus der Taufe gehoben: als Marketinginstrument für die Zeitschrift L’Auto-Vélo – später L’Auto, und aus der entstand dann die L’Équipe. Und L’Auto schrieb mit dickem Pathos über die wackeren „Helden der Landstraße“, damit die Auflage ebenso wacker stieg.

So entstanden über Generationen hinweg Geschichten, die so ziemlich alles sein konnten. Heldenepen oder rührselige Dramen von tragischen Verlierern und Opfern. Aber eben auch Storys über Heiteres und Kurioses – und genau von diesen Ereignissen handelt dieses Buch. Die Tour de France kurios – Anekdoten, die einem ein Lächeln oder Staunen ins Gesicht zaubern. Manchmal aber auch ein nachdenkliches Schaudern, wenn es um Doping geht. Viele Episoden, allerdings ohne den Anspruch auf Vollständigkeit. Auch dieses Buch kann nicht alle Kuriositäten aus der über 100-jährigen Tourgeschichte aufzählen. Dazu sind es zu viele, und vor allem ist bei manchen die Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit doch ziemlich fließend. Ein wunderbares Beispiel dazu vornweg: In den 1970er-Jahren war es durchaus üblich, den Dopingkontrolleuren den Urin einer anderen Person unterzujubeln, den man in Beuteln am Körper trug und dann in die Probenfläschchen füllte. Fakt ist, dass der Belgier Michel Pollentier 1978 als Führender der Gesamtwertung bei so einem Versuch in Alpe d’Huez erwischt und disqualifiziert wurde. Hartnäckig hält sich zudem das Gerücht, dass damals noch ein anderer Profi auffiel – dem gratulierten die Kontrolleure nach dem Ergebnis der Tests allerdings herzlich zur Schwangerschaft … Da kann man nur sagen: Augen auf bei der Urinauswahl. Ob diese Geschichte wahr ist? Nichts Genaues weiß man nicht.

Reine Spekulationen gibt es in diesem Buch aber nur wenige, und die sind dann auch als solche gekennzeichnet. Die meisten hier wiedergegebenen Kuriositäten sind faktisch belegt. Besonders die jüngeren Datums. Und dann legen wir jetzt mal los.

Ihr elenden Mörder

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