Читать книгу Feuerwehr - Challenge - Jürgen Ruhr - Страница 12

IX.

Оглавление

Das ganze Hin und Her in der Sparkasse hatte einige Stunden gedauert und als Bingo und ich endlich gehen konnten, war es früher Nachmittag. „Wir werden den restlichen Tag am Strand verbringen“, versprach ich meinem Hund auf der Rückfahrt. „Und dann gönnen wir uns ein riesiges Stea...“ Mitten im Satz musste ich mit Schrecken daran denken, dass ich in der Sparkasse ja gar kein Geld bekommen hatte. Ich würde zu der Filiale in Esens fahren müssen, doch dazu war es jetzt schon zu spät.

Zusätzlich zu den Sorgen um unsere Verpflegung kam auch noch der Gedanke daran, dass ich die Wohnung nicht würde bezahlen können. Frau Düün war darüber bestimmt nicht erfreut, zumal man ihr auch die Geldbörse nicht zurückgegeben hatte, sondern zunächst als ‚Beweisstück‘ behalten wollte.

Rieke de Düün trat aus der Haustür, als mein Wagen auf dem Gästeparkplatz hielt. Ich war inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass ich besser mit Bingo die Heimreise antrat. Das Benzin im Tank würde noch gerade so eben bis nach Hause reichen und irgendeine Dose Fertigessen und Futter für Bingo hatte ich auch noch daheim. Bevor es aber nach Hause ging, wollte ich mich wenigstens vom Strand, dem Meer und der guten Luft verabschieden.

Noch ein letztes Mal ein wenig Meeresluft schnuppern und die Weite der Nordsee genießen.

„Herr Lärrperts können sie sich vorstellen, dass man mir mein Geld nicht zurückgegeben hat?“, begrüßte mich die Bäuerin, kaum dass ich aus dem Wagen stieg. „Das ist eine Unverschämtheit. Ich soll es erst wiederbekommen, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind! Können sie sich so etwas vorstellen?“

Ich nickte. „Ja kann ich. Das ist durchaus normal. Aber keine Sorge, sie bekommen ihr Geld schon zurück!“ Die Sorgen dieser Frau wollte ich einmal haben ...

„Ihr Wort in Gottes Ohr. Wer weiß denn, wann das sein wird? Bei der Geschwindigkeit, mit der die Behörden hierzulande arbeiten. Bis ich mein Geld zurückhabe, hat die Inflation den größten Teil davon aufgefressen. Und wovon soll ich dann leben? Sachen gibt es.“

„So ist das nun einmal“, versuchte ich die Frau zu beruhigen. „Leider muss ich ihnen mitteilen, dass ich heute zurückreisen werde. Durch den Überfall wurde mir kein Geld in der Sparkasse ausgezahlt und ich kann leider die Wohnung jetzt nicht bezahlen. Außerdem besitze ich kaum noch Bargeld und Bingo muss ja etwas zu essen bekommen.“ Dass ich ebenfalls etwas essen wollte, verschwieg ich.

Die Frau überlegte, dann schüttelte sie den Kopf. „Sie können noch nicht abreisen, Herr Lärrperts. Vorhin hat die Polizei angerufen, sie sollen sich morgen früh um neun Uhr in der Dienststelle in Neuharlingersiel einfinden. Es gibt da wohl noch einige Dinge, die geklärt werden müssen.“

„Morgen? Sind sie sicher, dass sie sich nicht verhört haben. Morgen ist doch ein Feiertag.“

Die Frau nickte. „Das habe ich zu dem Polizisten auch gesagt, doch er meinte nur, dass er wegen des Überfalls morgen Vormittag im Büro sein müsste.“

Ich nickte. Mein verbliebenes Bargeld würde gerade einmal für etwas trockenes Brot reichen, doch dann dachte ich daran, dass es in einer Dose Hundefutter besser angelegt wäre. Bingo könnte mir ja ein wenig davon abgeben. Aber was kam danach? Die Banken und Sparkassen hatten geschlossen und öffneten erst nächste Woche wieder. Wie sollte ich uns ernähren?

Ein Mann und sein Hund, die am Strand verhungern würden ...

Mir kam der Gedanke, vielleicht im Meer Fische zu fangen, doch bei dem Gedanken an glibbrigen Fisch wurde mir direkt übel. Dann doch lieber verhungern ...

Rieke de Düün beobachtete mich scharf, dann meinte sie: „Sie haben kein Bargeld mehr, stimmt’s?“

„Das ist nicht schwer zu erraten. Leider ist meine Bankkarte ja kaputt, sonst könnte ich am Automaten Geld abheben. Aber so sehe ich nicht einmal unsere Versorgung gesichert ...“

Die Vermieterin lachte. „Das dürfte kein Problem sein. Ich gebe ihnen ihre zweihundert Euro zurück, damit dürften sie ein paar Tage auskommen. Außerdem soll ich sie fragen, ob sie uns am Sonntag beim Mittagessen Gesellschaft leisten würden. Mein Mann hat sie noch gar nicht kennenlernen können und jetzt ist er doppelt neugierig auf den Helden vom Siel.“

„Den Helden vom Siel? Was hat das jetzt zu bedeuten? Meinen sie mich damit?“

„Wen denn sonst? Schauen oder hören sie denn keine Nachrichten? Überall spricht man davon, wie ein einzelner Mann den Banküberfall vereitelt und somit zahlreiche Menschenleben gerettet hat. Der Held vom Siel.“

„Naja“, beschwichtigte ich. „Es waren ja nur vier Leute in der Bank. Außer mir“, fügte ich dann hinzu. „Außerdem war mir nicht sonderlich daran gelegen, von den Typen erschossen zu werden.“

„Und deswegen war ihr Verhalten ja umso bewundernswerter“, beharrte sie. „Was sind sie? Supermann, Rambo oder was für einer?“

„Nichts dergleichen.“ Ich winkte mit einer Hand ab. „Ich bin Privatdetektiv und Personenschützer. Mir haben halt meine Kampfsportkenntnisse geholfen. Krav Maga zum Beispiel.“

„Was für ein Maga? Ist ja auch egal, Hauptsache sie haben uns alle gerettet. Kommen sie mit in mein Büro, dann gebe ich ihnen das Geld. Und vergessen sie ihren Termin morgen früh bei der Polizei nicht!

Im Büro zählte mir Frau Düün penibel zweihundert Euro ab, dann musste ich ihr den Erhalt quittieren. Anschließend schrieb sie etwas auf einen Zettel und reichte ihn mir dann. „Das hier ist unsere Bankverbindung. Die Kontonummer, diese merkwürdige IBAN. Darauf können sie die Miete für die Ferienwohnung überweisen, wenn sie wieder zu Hause sind. Und am Sonntag Punkt zwölf Uhr dreißig kommen sie zum Essen zu uns. Den Hund können sie natürlich gerne mitbringen. Aber seien sie pünktlich.“

Ich nickte dankbar. Mein Urlaub schien gerettet und die Sache bei der Polizei konnte ja nicht allzu lange dauern. Danach würden Bingo und ich den restlichen Vormittag bis zum Mittagessen am Strand verbringen.

Herrliche Aussichten für einen Mann und seinen Hund!

Ein wenig überpünktlich parkte ich meinen Wagen neben dem Polizeigebäude. Bingo war diesmal nicht bei mir, da ich ihn nicht im Fahrzeug lassen wollte. Laut Wetterbericht sollte es heute wieder recht warm werden. Außerdem wusste ich nicht, wie lange mein Aufenthalt bei dem Polizisten dauern würde. Meinen treuen Freund ließ ich also bei Frau de Düün auf dem Bauernhof, wo er sich direkt mit seinem Knochen in den Schatten legte. Als meine Vermieterin ihm dann noch einen Napf mit rohen Fleischresten hinstellte, war der Malinois vor Freude kaum noch zu halten.

Der Polizist, der auch den Einsatz in der Sparkasse geleitet hatte, erwartete mich schon an der Eingangstür zur Polizeistation. Er blickte mir rauchend entgegen, dann sah er auf seine Armbanduhr. „Pünktlich, pünktlich, Herr Lärpers“, lächelte er und hielt mir die Hand hin. „Guten Morgen. Kommen sie, gehen wir in den Besprechungsraum. Mein Name ist übrigens Mehrmann, Rudolf Mehrmann, meines Zeichens Hauptkommissar. Wie das Meer nur mit einem ‚h‘ und ohne zwei ‚e‘. Ich glaube, ich hatte mich ihnen gestern nicht vorgestellt.“

„Das stimmt“, murmelte ich und folgte dem Mann durch einen schmalen Gang und eine Treppe hinauf. Meermann mit ‚h‘ aber ohne ‚e‘? Ich beschloss, darüber nicht weiter nachzudenken. Wir betraten einen Raum, in dessen Mitte ein ovaler Tisch mit zahlreichen Stühlen stand. Auf dem Tisch befanden sich mehrere kleine Fläschchen mit Limonade, Cola und verschiedenen Säften. Daneben standen einige Gläser, sowie Kaffeetassen und eine Thermoskanne. Die Flaschen schienen direkt aus der Kühlung zu kommen und beim Anblick des Orangensaftes lief mir das Wasser im Mund zusammen. Eigentlich fehlten nur noch die belegten Brötchen und ich würde mich wie im Planungsraum unserer Detektei fühlen.

„Setzen sie sich, Herr Lärpers. Bedienen sie sich ruhig. Einen Kaffee vielleicht?“

„Danke, aber ich bevorzuge den Orangensaft. Kaffee gab es heute Morgen schon zur Genüge.“ Brötchen zwar auch - meine Vermieterin Rieke de Düün hatte mir eine Tüte, sowie jede Menge Wurst zukommen lassen - doch ein Brötchen konnte ja nie schaden. Ich überlegte, ob ich Herrn Meer- oder Mehr- oder wie-auch-immer mann einmal danach fragen sollte.

Der Polizist schob mir ein Glas und den Orangensaft hin und lächelte. „Nun, Herr Lärpers, der Grund, dass wir uns heute noch einmal hier treffen ist Folgender.“ Er trank einen Schluck Kaffee, was ich zum Anlass nahm, eine Bemerkung einzufügen.

„Ich weiß, sie haben noch einige Fragen an mich, doch im Grunde sagte ich ihrem Kollegen gestern schon alles. Worum geht es denn nun?“

„Tja, weitere Fragen gibt es wirklich nicht mehr, doch hat sich ein neuer Aspekt in Bezug auf die Bankräuber ergeben.“ Er sah auf seine Uhr und fuhr fort: „Ich möchte der Sache nicht vorgreifen, aber ich erwarte noch einen Herrn, der ihnen genau erklären wird, warum wir sie bitten mussten, noch einmal nach Neuharlingersiel zu kommen.“ Er tat sehr geheimnisvoll und sah erneut auf seine Uhr. Dann stand er abrupt auf, ging zur Tür und spähte auf den Gang hinaus. Ich konnte leises Gemurmel vernehmen und der Polizist blickte mich grinsend an. „Da kommen sie ja schon ...“

Wenige Minuten später betrat ein Herr in grauem Anzug, weißem Hemd und roter Krawatte den Raum. In der linken Hand hielt er eine dicke Mappe und es folgten ihm zwei weitere, wesentlich jüngere Männer. Die beiden trugen eher legere Kleidung, Jeans und bunte Hemden und hielten sich geflissentlich im Hintergrund. Der Polizist und der Mann im Anzug begrüßten sich, dann kamen beide auf mich zu.

Aus Höflichkeit erhob ich mich, stieß dabei aber gegen mein Glas mit dem Orangensaft, das polternd umfiel. Gut, dass es nicht einmal mehr halbvoll war ... verstohlen sah ich mich nach den kleinen Fläschchen um und zu meinem Glück stand dort noch ein weiteres mit Orangensaft.

„Darf ich ihnen den Herrn von Zweigel vorstellen?“, holte der Hauptkommissar mich aus meinen Gedanken. „Herr von Zweigel ist der Leiter der Kreissparkasse Wittmund, zu der auch die Filiale hier in Neuharlingersiel gehört.“

Wir reichten uns die Hände.

„Sie sind der Herr Lärpers“, stellte der Anzugträger fest und als ich nickte, fuhr er fort: „Unser Held vom Siel.“ Er klopfte mir auf die Schulter und lächelte mich mit einem makellosen, aber künstlichen Gebiss an. „Der Retter zahlreicher Menschenleben.“

Er winkte die beiden anderen Männer heran, von denen einer jetzt einen Fotoapparat in der Hand hielt. „Die beiden Herren sind von der Presse und werden eine Reportage über den Helden vom Siel bringen. Lächeln sie, Herr Lärpers, lächeln!“ Er nahm meine Hand und schüttelte sie erneut, diesmal aber lang und anhaltend. Der Mann mit der Kamera schoss einige Fotos.

Ich zeigte mein strahlendstes Lächeln, musste mich dann aber an meinen Freund Bernd erinnern, der mich immer zurechtwies, da ich ja angeblich ‚dämlich‘ grinste. Doch hier und jetzt verlangte man von mir zu lächeln und das tat ich auch. Gekonnt und professionell.

„Können wir auch ein paar Fotos ohne dieses dämliche Grinsen machen?“, fragte der Mann mit der Kamera und von Zweigel ergriff erneut meine Hand. Wieder klickte die Kamera, doch jetzt blickte ich ernst drein.

„Nun, Herr Lärpers“, begann der Sparkassenmensch nachdem er meine Hand endlich losgelassen hatte, „ich will mich kurzfassen, denn bei dem herrlichen Wetter wollen sie doch bestimmt den Tag an dieser herrlichen Küste, in einer herrlichen Urlaubsregion, bei herrlichem Sonnenschein am Strand genießen.“

Ich nickte. „Das wäre herrlich bei dem herrlichen Wetter. Ich liebe diese herrliche See und die herrliche Luft.“

Der Mann sah mich einen Moment irritiert an, nickte dem Fotografen dann kurz zu und zog umständlich seine Mappe hervor, während jede einzelne seiner Bewegungen auf digitales Zelluloid gebannt wurde. „Es hat sich herausgestellt, dass die von ihnen dingfest gemachten Bankräuber“, er machte eine kurze Kunstpause und lächelte in die Kamera, wobei er die Mappe ein wenig in die Höhe hielt, „schon mehrere unserer Filialen ausgeraubt hatten. Die Sparkasse hat deswegen eine Belohnung von dreißigtausend Euro auf Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, ausgesetzt.“ Er hob theatralisch beide Hände und wieder klickte die Kamera. „Herr Lärpers, diese Summe steht einzig und alleine ihnen zu.“

Ich ließ mich rückwärts auf den Stuhl fallen. Dreißigtausend Euro? Hatte ich den Mann richtig verstanden? „Sagten sie dreißigtausend?“

Von Zweigel nickte. „Dreißigtausend Euro. Aber damit nicht genug. Sie haben ja nicht nur Hinweise geliefert, sondern die Bande selbst zur Strecke gebracht. Deswegen“, er zog ein Blatt aus seiner Mappe, sowie eine Scheckkarte, „möchte sich die Kreissparkasse Wittmund bei ihnen mit diesem kostenlosen Konto und natürlich einer dazugehörigen Scheckkarte bedanken.“ Er hielt mir das Blatt und die Karte hin, doch ein wenig außerhalb meiner Reichweite. Dann nahm er meine Hand und zog mich vom Stuhl hoch. „Danke Herr Lärpers. Auch im Namen unserer Kunden!“

Wieder tat der Fotograf seine Arbeit und ich bemühte mich, nicht zu grinsen. Dreißigtausend Euro und dazu eine funktionierende Karte, mit der ich am Automaten mein Geld abheben konnte. Mir schwirrte der Kopf vor lauter Freude.

„Wissen sie denn schon, was sie mit dem ganzen Geld anfangen werden?“, ließ sich jetzt der andere junge Mann vernehmen, der mit einem Bleistift fleißig auf einen kleinen Notizblock schrieb.

„Nein, das weiß ich noch nicht.“ Ich dachte an den neuen Wagen, den ich mir kaufen wollte, zahlreiche Steaks mit doppelten Portionen Pommes Frites und enorm viel Mayonnaise und - an meine Vermieterin, der ich ja noch Geld schuldete. „Ich werde wohl erst einmal meine Ferienwohnung bezahlen“, gab ich schließlich von mir. Die Sachen mit den Steaks und Pommes behielt ich wohlweislich für mich.

Während der Sparkassenleiter weiter meine Hand schüttelte und der Fotograf seine Fotos machte, nahm der andere Journalist am Tisch Platz und bediente sich seelenruhig an der letzten Flasche Orangensaft. „Haben sie denn gar keine persönlichen Wünsche und Träume, die sie sich jetzt erfüllen können?“, nuschelte er schließlich nach einem tiefen Schluck aus der Flasche.

„Darüber habe ich noch nicht nachgedacht“, gestand ich. „Das kommt alles so ... so überraschend. Trotzdem Danke!“ Endlich überließ von Zweigel mir die Kreditkarte, doch das Blatt hielt er noch zurück.

„Sie müssen dann noch hier unterschreiben.“ Er wandte sich zur Kamera und lachte. „Aber keine Sorge, sie kaufen damit keine Waschmaschine ...“

Irgendwann hatte die Angelegenheit dann doch ein Ende und alle verabschiedeten sich voneinander. Der Sparkassenleiter von Zweigel klopfte mir abschließend auf die Schulter und wiederholte es noch zweimal für die Kamera, dann endlich war auch ich entlassen.

Mein erster Weg führte mich zu dem Geldautomaten und der spuckte problemlos die gewünschte Summe aus. Von meinen Sorgen befreit, atmete ich tief durch.

Als ich auf den Ferienhof zurückkam, schien Bingo sich nicht vom Fleck gerührt zu haben. Es hatte den Anschein, als würde der Hund zusehends fauler werden und es wurde allmählich Zeit, unsere morgendlichen Dauerläufe wieder aufzunehmen. Aber zunächst verfolgte ich andere Pläne, denn es ging stark auf die Mittagzeit zu.

Frau de Düün trat gerade neben Bingo, sagte etwas und lachte leise, worauf der Hund sich träge auf den Rücken drehte. Sie ging in die Hocke und streichelte dem Malinois Brust und Bauch. Hätte ich nicht das Bild noch vor Augen, wie mein Freund den Gangster in der Sparkasse zugerichtet hatte, so würde ich nie glauben, wie gefährlich der Hund sein konnte.

Wenn er wollte.

Ein treuer Freund, der sein Herrchen jederzeit und in jeder Situation beschützt.

Ich trat zu den beiden. „Frau de Düün, ich würde gerne mit ihnen in ihr Büro gehen und meine Übernachtungskosten bezahlen“, störte ich die Schmuserei und die Frau richtete sich rasch auf.

„Sie wollen was?“

„Bezahlen. Sie bekommen doch noch achthundert Euro von mir.“

„Achthundertsechsundzwanzig!“, korrigierte sie mich. Dann fragte sie leicht misstrauisch: „Wie sind sie denn plötzlich so schnell an Geld gekommen?“

„Es gab eine Belohnung“, erklärte ich, „und die Sparkasse hat mir aus Dankbarkeit ein kostenloses Konto eingerichtet. Mit einer Scheckkarte, die auch am Automaten funktioniert.“

„Soso“, knurrte sie. „Und ich bin schon seit meiner frühesten Jugend dort Kundin, habe noch niemals etwas von denen geschenkt bekommen. Na dann kommen sie mal mit in mein Büro ...“

Bingo gab ein enttäuschtes Knurren von sich, wälzte sich wieder auf den Bauch und legte den Kopf auf die gekreuzten Pfoten. Das war eine seiner Lieblingspositionen, wie ich mittlerweile wusste.

Im Büro zählte ich der Frau das Geld ab und bekam dafür, wie zuvor auch, wieder eine Quittung. „Sagen sie“, fragte ich, nachdem der finanzielle Teil erledigt war, „gibt es hier im Ort ein gutes Steakhaus? Ich meine so ein richtiges ...“

„Steakhaus? Junger Mann, sie sind hier an der Küste. Da sollten sie lieber einmal frischen Fisch probieren. Fangfrischen Fisch, nicht das, was man bei euch so ‚frisch‘ nennt und was ja doch nur tiefgefroren war und aufgetaut wurde. Aber hier im Ort finden sie nichts, da müssen sie schon nach Neuharlingersiel, Esens oder Bensersiel fahren. Dort gibt es eine Reihe guter Restaurants, allerdings ist mir nichts von einem Steakhaus bekannt. Gehen sie doch in Bensersiel in das Restaurant ‚Meeresfrüchte‘. Dort bekommen sie alle Arten von Fisch; sie werden sehen, es bleiben keine Wünsche offen. Und Fleisch bekommen sie in nahezu allen Restaurants. Aber Steaks ...“ Sie zuckte mit den Schultern und sah mich an, als würde ich etwas Unmögliches verlangen.

Also doch wieder nach Neuharlingersiel? Oder vielleicht zur Abwechslung in dieses Bensersiel? Nach Esens zog es mich nicht, da hatte ich noch genug von dem griechischen Lokal mit dem passenden Namen ‚Hades‘.

Bingo schleppte seinen stinkenden Knochen zum Wagen und ließ keinerlei Diskussion darüber zu, ihn doch vielleicht hier vor dem Haus liegen zu lassen. Ich würde das Ding irgendwie entsorgen müssen, vielleicht sollte ich es heute Nacht heimlich aus dem Zimmer schaffen. Doch als ich den Blick des Malinois sah, wurde mir klar, dass so etwas kaum funktionieren dürfte.

Die Fahrt dauerte knapp fünf Minuten, dann lenkte ich den Wagen auf einen Parkplatz mitten im Ort. Der Platz war rappelvoll, doch ich konnte den Kia noch zwischen einem protzigen SUV und einem dornigen Strauch quetschen. Als ich mich auf der Beifahrerseite aus dem Wagen quälte, riss ich mir an den Dornen ein Loch in die Hose. Bingo bereitete das Aussteigen weniger Probleme und ich nahm ihn direkt an die Leine. Zum Glück ließ er den Knochen im Wagen, doch leider musste ich Fahrer- und Beifahrerfenster wegen des Geruchs einen Spalt offenstehen lassen. Hoffentlich lockte der Geruch keine Aasfresser an!

Rieke de Düün hatte mir mehrere Lokale empfohlen und auch die Wege dorthin erklärt. Alle verfügten über Sitzplätze im Freien, was mir sehr gelegen kam. Laut der Aussage meiner Vermieterin sollten auch alle Fleischgerichte anbieten.

Das erste Lokal machte einen hervorragenden Eindruck und auf der an der Eingangstüre angeschlagenen Speisekarte befand sich sogar ein Rumpsteak. Es wurde zwar mit Röstkartoffeln angeboten, doch da ließ sich bestimmt etwas machen ... Zum Steak gehörten auf jeden Fall Pommes Frites mit ordentlich Mayonnaise und vielleicht auch Ketchup.

Aber das Lokal war brechend voll und an einer kleinen Theke standen bestimmt zehn Personen, die auf einen Tisch warteten. Ein Ober eilte auf mich zu und zeigte auf die Theke. „Guten Tag, der Herr. Wir sind momentan komplett ausgebucht, doch falls sie es wünschen, können sie an der Bar auf einen freien Tisch warten. Die Herrschaften dort sind allerdings noch vor ihnen an der Reihe.“

Ich nickte dem Mann zu und drehte mich auf dem Absatz um. Mein Magen knurrte jetzt und wer weiß, wie lange es dauern würde, bis ich einen freien Tisch bekam. Es gab noch mehr Lokale hier und im nächsten würde ich garantiert einen Platz finden.

Leider hatte ich mich da geirrt, denn auch hier herrschte drangvolle Enge. Sowohl im Lokal, als auch im Außenbereich gab es nicht einen einzigen freien Platz mehr.

Die nächsten beiden Lokale waren ebenfalls ausgebucht und als ich an einer Metzgerei vorbeikam, überlegte ich schon, ob ich mir hier nicht - falls sie so etwas überhaupt anboten - ein oder mehrere belegte Brötchen oder ein Schnitzel kaufen sollte. Es konnte bestimmt ganz gemütlich werden, die Mahlzeit auf einer Bank am Meer zu mir zu nehmen.

Doch die Metzgerei war geschlossen, was natürlich an dem heutigen Feiertag lag.

Eine halbe Stunde und zahlreiche Flüche später war ich nahe daran, aufzugeben, als ich endlich ein Lokal entdeckte, das ein wenig abseits in einer Seitenstraße lag. Es trug den schönen Namen ‚De Fiskenhuus‘ und unter bunten Sonnenschirmen waren noch zwei Tische frei.

Bevor uns jemand zuvorkommen konnte, jagte ich mit Bingo im Laufschritt zu einem der Tische und ließ mich seufzend daran nieder. Glück gehabt, doch warum sollten ein Mann und sein Hund nicht auch einmal eine Glückssträhne bekommen?

‚De Fiskenhuus‘. Das hörte sich doch eigentlich nett an. Ich überlegte, was der Name bedeuten konnte, während ich auf die Bedienung wartete. ‚Fisken‘ könnten vielleicht Fritten sein. Zwar hätte ich das Lokal dann ‚de Pommes Fisken‘ genannt, was ja auch eindeutiger gewesen wäre, doch die eigentliche Frage, die sich mir stellte lautete: Gab es hier auch Steaks?

Eine junge Dame, die ich direkt als Studentin im Ferienjob einstufte, trat an meinen Tisch und nickte mir freundlich zu. „Guten Tag. Was darf ich ihnen bringen, wollen sie bei uns speisen?“

„Und ob ich das will. Ich habe einen Bärenhunger und könnte ihre gesamte Speisekarte rauf und runter essen. Aber zunächst hätte ich gerne ein großes Bier und die Karte.“ Sie wollte gerade gehen, als ich sie noch einmal ansprach: „Oder wissen sie was? Bringen sie mir doch einfach das größte Steak, das sie auf Lager haben mit einer Doppelten Portion Fisken. Und viel Mayo!“

Die Frau sah mich sinnend an, dann schüttelte sie den Kopf. „Ich bringe ihnen erst einmal das Bier und die Karte. Dann können sie in Ruhe auswählen.“ Sie überlegte einen Moment und lächelte. „Aber mit Fisken haben sie auf jeden Fall eine gute Wahl getroffen.“

Zufrieden lehnte ich mich zurück und sah dem jungen Ding hinterher. Natürlich hatte ich mit Fritten - oder wie sie die hier nannten ‚Fisken‘ - eine gute Wahl getroffen. Ich musste an Curry-Erwin, meinen Freund mit dem feinen Essen in Rheydt, denken, der seine Speisekarte vielleicht auch ein wenig internationaler gestalten sollte. Fisken statt Fritten hörte sich irgendwie gelungen an.

Mein Bier kam nach kurzer Zeit und auch die Speisekarte, eingebunden in einer Art Leder, machte auf mich einen guten Eindruck. Hier ließ es sich speisen, hier war der Kunde noch König.

Und auch der beste Kumpel des Königs sollte hier sein feines Fresschen erhalten. Ein Jonathan Lärpers ließ sich ja schließlich nicht lumpen!

Die Speisekarte schien von den Pommes Frites dominiert zu werden, denn alle Gerichte begannen mit ‚Fisken‘. Was dann folgte, waren abenteuerliche Bezeichnungen, die mir zwar nichts sagten, aber mein kulinarisches Herz höherschlagen ließen. ‚Knurrhahnfilet‘ lenkte meine Gedanken an ein Hähnchen und ‚Kibbeling‘ hörte sich irgendwie Exotisch an. Nach Karibik vielleicht, was ja bei ‚Karibbeling‘ nicht so abwegig sein dürfte.

Doch leider fand ich kein Steak auf der Karte, lediglich das ‚Filet vom Dover sole‘ kam meinen Wünschen am nächsten. Filet war mir klar, Dover kannte ich als irgendeine Stadt in England und ‚sole‘ konnte eigentlich nur die Sonne bezeichnen. Bei einem Filetsteak konnte man kaum etwas verkehrt machen und wenn das Rind noch in Dover an der Sonne gereift war, dann musste es ja wirklich etwas Besonderes sein.

Meine Wahl stand fest, auch wenn der Preis für das Gericht ziemlich hoch war. Doch warum sollte ein Jonathan Lärpers sich nicht auch einmal etwas Gute gönnen. „Bingo, heute lassen wir zwei es uns einmal so richtig gut gehen“, flüsterte ich meinem Hund zu und genoss mein Bier.

„Ich nehme das Filet vom Dover sole“, bestellte ich bei der jungen Frau. „Doch bitte mit Pommes Frites anstatt der Kräuterkartoffeln. Und den Salat können sie getrost weglassen, vielleicht bringen sie stattdessen eine doppelte Portion Pommes. Und das alles mit Mayonnaise und Ketchup bitte. Und was können sie mir für den Hund empfehlen?“

„Für den Hund?“ Die Frau überlegte. „Wir haben einen Schnitzelteller für Kinder. Wenn wir die Pommes Frites weglassen, da...“

„Nein, nein, bringen sie den Teller ruhig mit Pommes.“ Ich wusste, dass ich die Kartoffelstäbchen essen würde. „Aber auf die Pommes auch ruhig Mayo und Ketchup. Und vielleicht etwas Wasser für den Hund. Und für mich noch ein Bier.“

„Selbstverständlich. Sie haben eine gute Wahl getroffen. Unsere Fisken sind wirklich frisch. Fangfrisch, ebenso natürlich die Dover sole.“

‚Merkwürdige Leute hier an der Küste‘, dachte ich, nachdem die Kellnerin gegangen war. Die Fritten nannten sie Fisken und die sollten dann ‚fangfrisch‘ sein? Und ebenso das Filet? Ich leerte mein Bierglas und schaute zufrieden in die Runde. Auch am letzten Tisch saßen nun hungrige Gäste und ich wusste, dass ich eine gute Wahl mit diesem Lokal getroffen hatte.

Das Essen kam nach einer kurzen Wartezeit, die ich mir damit verkürzte, die Leute an den Tischen ringsherum zu beobachten. Alle schienen die Nähe zum Meer ausnutzen zu wollen und durchweg Fischgerichte zu sich zu nehmen. Insgeheim schüttelte ich den Kopf. Selbst wenn diese glibberigen Tiere frisch aus der Nordsee auf den Teller kamen, so ging doch nichts über ein großes, saftiges Rindersteak. Oder ein Filet, auch wenn es aus Dover kam.

Die Bedienung stellte alles auf den Tisch, versorgte Bingo mit einer Schale Wasser und ein erster Blick zeigte mir, dass sie Mayonnaise und Ketchup vergessen hatte. „Bei beiden Gerichten fehlen Mayonnaise und Ketchup“, reklamierte ich dann auch direkt, bevor sie wieder fortlaufen konnte. Zum Glück war kein Salat dabei, doch die Pommes bei meinem Steak schienen nur eine einfache Portion zu sein. Nun, ich würde mir die von Bingos Kinderteller dazutun und im Zweifelsfall noch eine Portion nachbestellen.

„Hier“, sie zeigte auf vier kleine Tütchen, Zweimal Mayonnaise und zweimal Ketchup.“

„Das ist aber zu wenig“, lächelte ich. In diesen winzigen Tütchen konnte ja nicht viel drin sein. „Würden sie mir dann noch einmal vier von jeder Sorte bringen? Und noch ein Bier, bitte.“

Sie sah mich ein wenig merkwürdig an, nickte aber und verschwand. Wenn schon mit Geschmack, dann aber richtig. Während ich auf die Mayonnaise wartete, betrachtete ich mein Steak. Es war ziemlich dünn und paniert, was mich ein wenig verwunderte. Ein richtiges Rindersteak musste auf dem Grill medium gegart sein und höchstens mit ein wenig grobem Pfeffer bestreut werden. Vorsichtig schnitt ich das Steak an, um zu schauen, ob es wenigstens medium gebraten war.

Doch das Fleisch erschien mir merkwürdig weiß und weich. Von ‚medium‘ keine Spur. Ich überlegte ernsthaft, ob ich es nicht zurückgehen lassen sollte, doch dann knurrte mein Magen vernehmlich und ich zuckte mit den Schultern. Hier an der Küste war das wohl so und ein Dover-Steak hatte ich ja noch nie gegessen. Vielleicht musste das so sein ...

Bier, Mayonnaise und Ketchup kamen schon nach wenigen Minuten, als ich gerade Bingo das Schnitzel vorsetzte. Natürlich hatte ich die Pommes zuvor auf meinen Teller geschaufelt. Dann öffnete ich ein Tütchen nach dem anderen und verteilte die Mayo- und Ketchupmasse kunstvoll auf Pommes und Steak, was eine lustige Farbmischung ergab. „Guten Appetit“, wünschte ich Bingo, der sein Schnitzel aber schon aufgefressen hatte.

Das Steak war weich und labbrig und schmeckte ein wenig nach Fisch. Vielleicht hatte man die Rinder in Dover mit Fischmehl gefüttert, doch zum Glück rettete der Ketchup den Geschmack. Ich nahm mir vor, dieses Dover-Steak nie mehr zu essen, doch dank der doppelten Portion Pommes und der Verfeinerung mit Mayonnaise und Ketchup hatte das Essen doch einigermaßen gut geschmeckt. Sobald ich zurück in Mönchengladbach war, würde ich in meinem Lieblingssteakhaus einkehren und mir ein richtiges, gutes deutsches Rindersteak gönnen.

Die junge Frau trat an meinen Tisch, um die leeren Teller und das Besteck abzuräumen, warf einen skeptischen Blick auf meinen soßenverschmierten Teller und meinte: „Hat es dem Herrn geschmeckt?“

„Sehr gut“, lobte ich, konnte dann aber eine gewisse Kritik nicht zurückhalten: „Allerdings erschien mir das Filetsteak ... nun, also ... ein wenig ... merkwürdig.“ Ich wusste nicht, wie ich mich ausdrücken wollte, ohne direkt zu sagen, dass es überhaupt nicht gelungen war. „Also, mein Rindersteak bin ich ein wenig anders gewöhnt.“

„Rindersteak?“ Sie sah mich aus großen Augen an. „Das war doch Filet vom Dover sole. Fisken, sie verstehen?“

Ich schüttelte den Kopf. „Fritten?“

„Fisch. Fisken sind Fische und wir bieten nur Fisch an, deswegen auch Fiskenhuus.“ Sie lächelte in Richtung des Hundes. „Und natürlich für die Kinder Schnitzel. Wenn sie keinen Fisch mögen. Dover sole ist doch Seezunge ...“

Ich sah ihr entgeistert nach, als sie mit den leeren Tellern in Richtung Küche ging und verspürte plötzlich ein leichtes Würgen. Die Konstitution eines Jonathan Lärpers war nicht auf die Aufnahme irgendwelcher Fischgerichte ausgerichtet.

Doch ich riss mich tapfer zusammen und würgte ein paar Mal dezent hinter vorgehaltener Hand, bis ein enormer Rülpser mir ein wenig Linderung verschaffte.

Feuerwehr - Challenge

Подняться наверх