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I.

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„Nun schau dir doch nur dieses Naturschauspiel an“, versuchte ich meinen Freund und Teamkollegen für das Farbenspiel am Horizont zu begeistern. Doch der gab nur ein leises Grunzen von sich und im Rückspiegel meines kleinen postgelben Kia Venga konnte ich erkennen, dass er sich nicht einen Millimeter rührte.

Nun gut, die Zeitumstellung der letzten Tage und die frühe Stunde forderten auch bei Bingo ihren Tribut und trotz des herrlichen Sonnenaufgangs verfluchte ich diesen Auftrag, den Bernd ausgerechnet mir auf‘s Auge drücken musste.

Bernd, genauer Dr. Bernd Heisters, ist mein Freund und Chef und unterhält neben einer Reihe von Krav Maga Studios in ganz Deutschland auch die Detektei Argus, die im Industriegebiet Güdderath unserer schönen Stadt Mönchengladbach beheimatet ist.

Ich seufzte leise, denn ausgerechnet ich war mit der Observation eines Mannes beauftragt worden, was mich zu dieser frühen Stunde hier an den Stadtrand Rheindahlens verschlagen hatte.

„Wusstest du, dass die Sonne im Osten aufgeht?“, fragte ich meinen Freund. „Und im Westen wieder unter.“

Erneut belohnte mich ein leises Grunzen und jetzt bemerkte ich, wie ein Vorderlauf Bingos ein wenig zuckte. Bingo ist ein Malinois, ein belgischer Schäferhund, und wir zwei sind im Laufe der Zeit wirklich dicke Freunde geworden. Es ist noch gar nicht einmal so lange her, da habe ich den Hund - mehr oder weniger, also eher weniger, freiwillig - von dem schlimmsten Menschen, der größten Nervensäge und dem penetrantesten Ignoranten übernommen: Herrn Weser. Der inzwischen gut und gerne sechzig Jahre alte, dicke Mann betreute den Hund für einen Freund und als er selbst ins Krankenhaus musste, wurde mir - auch wieder dank meines Freundes Bernd - der Hund anvertraut. Dieser unsägliche Herr Weser kreuzt immer wieder meine Wege und wird auch eines Tages der Grund für meinen ersten Herzinfarkt sein.

Und entgegen allen meinen Erwartungen sind Bingo und ich inzwischen ein unzertrennliches Team geworden.

Ein Dreamteam.

Ein Mann und sein Hund.

„Du könntest ja wenigstens so tun, als würde dieser Sonnenaufgang dich begeistern“, knurrte ich. Heute handelte es sich um den zweiten Tag Ende März, an dem es richtig schön werden würde. Die Wetterfrösche hatten gute vierundzwanzig Grad angesagt und morgen sollte es noch schöner werden. Hoffentlich hatten die Leute Recht.

Doch was nützte mir das schönste Wetter, wenn ich anstatt im Liegestuhl in der Sonne zu sitzen, hier in meinem kleinen stickigen Auto einen Mann observieren musste, der angeblich seine Ehefrau betrog.

Während unseres Meetings mit Bernd hatte ich verzweifelt versucht, den Auftrag an Christine zu delegieren, doch die war von unserem Chef schon für das Judotraining der Kindergruppe eingeteilt worden.

Christine, mit vollem Namen Christine Weru, kannte ich jetzt schon etliche Jahre. Einst arbeitete die schlanke Frau mit den dunkelbraunen Haaren für mich als Sekretärin. Ein Minijob mit dem sie etwas Geld für ihr Studium verdienen wollte. Damals gründete ich gerade eine kleine Detektei im Herzen von Rheydt, die aber nicht lange Bestand haben sollte. Einige Chinesen, denen ich in die Suppe gespuckt hatte, fackelten nämlich kurzerhand das gesamt Haus mit meinem Büro darin ab. Bernd Heisters war es dann, der mir das Leben rettete und letztlich diesen Job als Personenschützer und Privatdetektiv anbot.

Leider bleibt es nicht aus, so banale Aufträge wie diese Observation durchführen zu müssen.

Im Grunde genommen haben wir die Detektei Argus lediglich gegründet, um ein offizielles Aushängeschild für die Aufträge des Oberstaatsanwalts Eberson vorweisen zu können. Denn bei seinen Einsätzen handelt es sich fast durchweg um Aktivitäten am Rande der Legalität. Aktivitäten, wie sie weder von Polizei, noch von offiziellen Stellen wahrgenommen werden können. Oder dürfen.

Wieder seufzte ich leise und dachte an Christine, die mit Thomas Friedlich, den alle nur Dozer nennen und der im Krav Maga Studio die Kampfsportausbildung leitet, heute den Unterricht durchführen würde. Aber Christine kommt besser mit Kindern zurecht, was ich neidlos zugeben muss. Ich mag auch Kinder, jedenfalls solange sie auf genügend Distanz zu mir sind.

Neben Christine wäre eventuell noch Birgit Zickler für diesen Job in Frage gekommen. Doch die ‚Zicke‘ - wie ich sie heimlich nenne - traute ich mich dann letztlich doch nicht zu fragen, zumal ihre Antwort garantiert negativ ausgefallen wäre.

Das Schicksal meinte es momentan nicht wirklich gut mit Jonathan Lärpers.

Ich öffnete leise die Tüte mit den belegten Brötchen, die ich mir heute in aller Frühe in einer Bäckerei besorgt hatte. Knusprige Brötchen mit Schinken und Käse. Aber ohne Gurkenscheiben, dieses unnötige Grünzeug verdarb nur den leckeren Geschmack.

Grinsend führte ich das Brötchen zum Mund. Es war mir tatsächlich gelungen, es ohne das leiseste Geräusch oder Knistern aus der Tüte zu fischen.

Ein empörtes Fiepen ließ mich einen Blick in den Rückspiegel werfen. Bingo saß aufrecht auf der Rückbank und blickte mich vorwurfsvoll an. Dann leckte er sich genüsslich über die Schnauze.

„Ich dachte, du schläfst“, rechtfertigte ich mein Handeln, während ich ein weiteres Brötchen aus der Tüte holte und nach hinten zum Hund durchreichte. Der Malinois schnappte es sich und legte sich wieder auf die Bank, seine Beute zwischen den Pfoten.

„Du hättest ja wenigstens ‚Danke‘ sagen können“, nuschelte ich mit vollem Mund und warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Kurz vor acht Uhr. Von der Ehefrau hatte ich einiges über mein Zielobjekt erfahren: Männlich, siebenundfünfzig Jahre alt und - laut ihren Worten - ein gefeierter Schlagersänger. Meine Recherchen ergaben allerdings, dass der Mann eher im unteren Teil der Beliebtheitsskala rangiert und es sich bei seinen Gesangsdarbietungen durchweg um wehmütige Schnulzen handelt. Immerhin folgt er damit dem Trend der heutigen Zeit, wo doch Schnulzen- und Jammerlieder vorwiegen. Und die Engagements dieses ‚Künstlers‘ waren eher dürftig, was vielleicht den heruntergekommenen Zustand seines Hauses erklärte. Ein Zustand, der mich stark an Herrn Wesers kleines Häuschen in Mönchengladbach Geistenbeck erinnerte, das ich kurzerhand als abbruchreif bezeichnen würde. Dieses alte Gebäude des Künstlers Adriano Puddu, der sich kurz Adrio Pu nannte, hätte auch auf eine Abbruchliste gehört.

Adriano Puddu war italienischer Abstammung, wie seine Frau erklärte, und das Bild, das sie mir überlassen hatte, zeigte einen dicklichen, zirka ein Meter achtundsechzig großen Mann mit Glatze und übergroßer Brille. Puddu war schon einmal geschieden und erst seit einigen Jahren erneut verheiratet.

Was hatte dieser Mann eigentlich zu bieten, dass eine Frau mit ihm fremdgehen würde? Geld war es jedenfalls nicht.

Puddu sollte laut der Aussage seiner Frau heute gegen acht Uhr das Haus verlassen und zu seiner Geliebten fahren. So hielt er es jeden Dienstag und Frau Puddu hatte schon mehrere Male versucht, ihm zu folgen, war aber jedes Mal von ihrem Gatten abgehängt worden. Laut Puddus Aussagen seiner Frau gegenüber wollte er den heutigen Tag damit verbringen, sich diversen Künstleragenturen vorzustellen.

Nun, eine Frau Puddu würde der Mann ja abhängen können aber keinen Privatdetektiv und Personenschützer Jonathan Lärpers! Ich überprüfte noch einmal mein Handy, mit dem ich die Beweisfotos für die Untreue des Mannes anfertigen würde. Bingo lag inzwischen wieder auf der Rückbank und - wie es schien - schlief der Hund. Sollte ich es wagen, noch ein Brötchen aus der Tüte zu holen?

Doch die Frage erübrigte sich, denn in diesem Moment trat der Schnulzensänger aus dem Haus. Scheinheilig verabschiedete er sich mit einem Kuss auf die Wange von seiner Frau und ging dann, ohne sich noch einmal umzublicken, zu seinem Fahrzeug, das am Straßenrand geparkt war. Es handelte sich um einen alten Seat Ibiza in einem verblichenen Hellrot, der einen genauso heruntergekommenen Eindruck machte wie sein Haus.

Wenigstens würde er mir in dem Wagen nicht davonfahren können.

Noch bevor Puddu in sein Auto stieg, erwachte der Motor meines Kia röchelnd zum Leben.

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