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V.

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Direkt nachdem Bernd das Meeting als beendet erklärt hatte, stürmte ich in mein Büro zurück. Jetzt galt es, möglichst schnell ein Zimmer zu buchen, damit Bingo und ich unseren Kurzurlaub genießen konnten.

Natürlich nahm ich das ramponierte Stück Sahnekuchen mit.

„Jonathan, wo willst du so schnell hin? Wir woll...“, hörte ich Bernd noch sagen, doch dann war ich schon durch die Tür. Was immer Bernd noch von mir wollte, würde warten müssen.

Ich stellte das Stück Kuchen vor mich auf den Schreibtisch und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Gut, das Loch oben in der Mitte und der zermatschte vordere Teil störten den leckeren Anblick ein wenig, doch wie sich gezeigt hatte, war meine Kennzeichnung sinnvoll gewesen. Von dem alten Weser konnte man wirklich noch etwas lernen.

In den Schreibtischschubladen suchte ich nach einer Gabel oder einem Löffel, fand aber nichts dergleichen. Ich würde also noch in unsere kleine Kaffeeküche gehen müssen, um mir Besteck zu besorgen. Andererseits sollte ich so schnell wie möglich ein Zimmer buchen, denn mir war klar, dass die Nachfrage nach Übernachtungsmöglichkeiten über die Ostertage nicht gering sein würde. Mein Blick wanderte zwischen dem Kuchenstück und dem Telefon hin und her. Ich würde mich entscheiden und Prioritäten setzen müssen.

Doch dann kam mir ein wundervoller Gedanke, eine richtige Jonathan Lärpers Idee, wie ich um eine Entscheidung herumkam.

In dem Moment, als ich mit der rechten Hand die Nummer ins Telefon tippte und mir mit der linken Hand das Kuchenstück in den Mund stopfte, betrat Bernd mein Büro.

Er blieb im Türrahmen stehen und sah mich verwundert an. „Das glaube ich jetzt nicht“, stöhnte mein Freund und Chef. „Erst bohrst du ein Loch in das Kuchenstück und dann schlingst du es mit bloßen Fingern herunter? Hast du das auch von Weser?“

Ich schüttelte den Kopf und kaute ein wenig schneller, um meinem Freund Rede und Antwort zu stehen. Dabei verschluckte ich mich allerdings und etwas von dem Sahnekuchen landete wieder auf meinem Schreibtisch.

Aus dem Telefonhörer drang eine Stimme, die irgendetwas auf Holländisch sagte und als ich nicht antworten konnte, unwillig die Verbindung unterbrach. Ich legte den Hörer aus der Hand und suchte nach einem Papiertaschentuch, um die Sahne abzuwischen.

Bernd sah mir derweilen kopfschüttelnd zu.

„Ich hatte doch keine Gabel ...“, konnte ich schließlich erklären und nahm dankbar das angebotene Taschentuch.

„Wenn du möchtest, dann hole ich dir eine aus der Küche“, meinte Bernd ernst.

„Danke, das ist sehr lieb von dir, doch jetzt ist das Stück ja gegessen.“ Ich überlegte, ob - falls Bernd wirklich in die Kaffeeküche gehen sollte - er mir nicht direkt einen Kaffee mitbringen sollte, doch er schüttelte lediglich tadeln den Kopf.

„Jonathan, es gibt da ein paar Dinge, die du unbedingt ändern solltest“, meinte er streng. „Dazu gehören natürlich deine Essmanieren und diese dämlichen Angewohnheiten, die du dir bei Herrn Weser abgeguckt hast. Aber deswegen wollte ich nicht mit dir sprechen.“

Ich atmete erleichtert auf und überlegte, worauf Bernd hinauswollte. Vielleicht plante er ja einen ‚Männerurlaub‘, so wie die Frauen ihren Mädelsurlaub. Ich lächelte meinen Freund selig an.

„Und gewöhn dir bitte dieses dämliche Grinsen ab, das ist ja kaum zum Aushalten. Ich muss mit dir wegen deines Auftrages sprechen. Adriano Puddu, auch Adrio Pu. Du erinnerst dich doch an den Sänger?“

Ich nickte. Also doch kein ‚Männerurlaub‘ ...

„Es hat massive Beschwerden wegen deines Verhaltens gegeben, Jonathan. Du musst solche diffizilen Aufträge mit mehr Fingerspitzengefühl handhaben. Solche Aktionen, wie du sie in dem Supermarkt abgezogen hast, schaden unserem Image. Ich habe die Sache nur mit einiger Mühe wieder geradebiegen können.“

Ich unterdrückte ein Lächeln. Ja, mein Chef stand in jeder Hinsicht hinter uns und hielt uns auch bei den schwierigsten Aufträgen den Rücken frei. Während ich die Sahne von meinem Schreibtisch wischte, blickte ich Bernd treuherzig an.

„Danke, das werde ich dir nie vergessen.“

„Das wirst du auch nicht, Jonathan.“

Jetzt blickte ich meinen Freund irritiert an. „Was meinst du damit, Bernd? Ich habe mich bei dem Mann doch schon entschuldigt.“

Er nickte. „Um die Sache aus der Welt zu schaffen, musste ich Adrio Pu allerdings für ein kleines Privatkonzert engagieren. Sonntag in einer Woche wird das drüben im Atrium des Krav Maga Studios stattfinden. Um neunzehn Uhr. Und die Kosten dieser ganzen Sache trägst du.“

Bevor ich noch etwas erwidern konnte, verließ Bernd mein Büro.

Ein Konzert mit diesem unsäglichen Schnulzensänger? Und dann auch noch auf meine Kosten? Mir schossen zahlreiche Ideen durch den Kopf, wie ich mich der Sache würde entziehen können, doch dann verdrängte der Gedanke an meinen bevorstehenden Kurzurlaub das Schnulzenkonzert. Bis dahin verging noch über eine Woche. Eine Woche, in der ich mir gute und glaubwürdige Ausreden einfallen lassen konnte.

Jetzt galt es erst einmal, ein Zimmer zu buchen.

Vergangenes Jahr reiste ich im Rahmen meiner Ermittlungen bezüglich eines korrupten Anwalts in das schöne Städtchen Ockenburgh an der holländischen Küste und dort würde ich mit Bingo nun wieder hinreisen. Dem Malinois - und auch mir - hatte es damals am Meer sehr gut gefallen.

Keinen Gedanken an den Schnulzensänger mit seinem Schnulzenkonzert verschwendend, drückte ich die Wahlwiederholung auf meinem Telefon. Schon beim zweiten Klingeln meldete sich eine Frauenstimme, die etwas auf Holländisch sagte, das ich nicht verstand.

„Ja, guten Tag. Hier spricht Jonathan Lärpers aus Deutschland.“ Ich verzichtete darauf, meine wenigen Sprachkenntnisse in Niederländisch anzuwenden, da ich wusste, dass die Angestellten dort an der Rezeption auch perfekt Deutsch sprachen. „Ich möchte bei ihnen ein Zimmer buchen. Eine Person mit Hund. Anreise morgen, Abreise am Dienstag.“

So einfach war das.

„Das tut mir leid, mein Herr. Wir sind über die Feiertage restlos ausgebucht. Ich könnte ihnen aber ein Zimmer für das Wochenende danach reservieren.“

So einfach war das leider doch nicht.

„Nein, nein. Es muss schon dieses Wochenende sein. Haben sie denn wirklich nichts mehr frei? Ein winziges Zimmerchen würde mir schon genügen.“

Im Geiste sah ich, wie die Frau den Kopf schüttelte. „Leider ist nichts mehr zu machen. Da hätten sie schon etwas früher reservieren müssen ...“

„Können sie mir denn sagen, wo in der Gegend noch etwas frei ist? Ich bin mit allem zufrieden, Hauptsache es liegt nicht zu weit vom Meer entfernt.“ Ein Jonathan Lärpers gab nicht so schnell auf.

„Auch da kann ich ihnen nicht helfen“, zerstörte die Dame meine letzte Hoffnung. „Hier in der Gegend ist alles ausgebucht. Selbst auf den Campingplätzen gibt es keine Übernachtungsmöglichkeiten mehr.“ Im Hintergrund ließen sich Stimmen und Kinderlachen vernehmen. „Ich muss jetzt wieder an die Arbeit. Viel Glück bei ihrer Suche. Tot ziens.“ Die Dame legte auf.

Seufzend ließ ich den Hörer auf die Gabel fallen und überlegte, wie ich weiter vorgehen könnte.

Dass Bingo und ich an die Küste fahren würden, stand für mich unverrückbar fest. Ein Jonathan Lärpers lässt sich so schnell nicht unterkriegen. Ich rief auf meinem Computer die Karte von Holland auf und ging die verschiedenen Orte durch, die für mich in Frage kämen. Wir beide mussten über die Feiertage einfach gesunde Seeluft schnuppern, davon ließ ich mich nicht abbringen.

Ausgehend von meinem ursprünglichen Ziel Ockenburgh wanderte ich auf der Karte in nördlicher Richtung an der Küste entlang. Den Haag übersprang ich geflissentlich, dort befand sich vermutlich zu viel Industrie. Und Bingo, sowie sein Herrchen sollten nur die gesündeste Seeluft schnuppern.

Ein Mann und sein Hund halt ...

„Wir finden noch etwas“, sprach ich zu dem Hund und beugte mich zu ihm herab, um Bingo den Kopf zu tätscheln. Doch da lag kein Tier; der Malinois war vermutlich bei den Frauen im Planungsraum geblieben und ließ sich von denen wieder einmal nach Strich und Faden verwöhnen.

Ein Mann und sein untreuer Hund halt ...

„Das mache ich doch alles nur für dich“, murmelte ich mehr zu mir selbst, als zu dem nicht anwesenden Malinois. Dann suchte ich Adressen und Rufnummern von Hotels und Pensionen heraus und wählte eine Nummer nach der anderen.

Und erhielt eine Absage nach der anderen.

Es schien, als würde die halbe Welt über die Ostertage in Urlaub fahren - und alle hatten früh genug gebucht. Ich wanderte auf der Karte an der Küste entlang und bewegte mich immer weiter in nördlicher Richtung fort. Irgendwo musste es doch einen freien Platz geben.

Ein einziges kleines Zimmer, mehr wollte ich doch nicht ...

Plötzlich befand ich mich in Deutschland. Aber Nordsee war Nordsee und wenn in Holland kein Zimmer mehr frei war, dann hatte ich ja vielleicht in Deutschland mehr Glück. Vorbei an der Stadt Norden hielt ich mich immer dicht an der Küste, doch es hagelte eine Absage nach der anderen. Ich wurde zusehends mutloser. „Dann übernachten wir halt im Auto“, grunzte ich, doch noch gab ich mich nicht geschlagen. Und wählte eine Nummer in einem Örtchen mit dem nichtssagenden Namen ‚Ostbense‘. Ich musste eine ganze Weile warten und dem Klingelton lauschen, bis sich eine Frauenstimme meldete.

„Ferienwohnung de goode Diek. Guten Tag.“

„Guten Tag. Lärpers, Jonathan Lärpers“, stellte ich mich vor. „Ich suche ein Zimmer von morgen an bis Dienstag kommender Woche.“ Der Spruch war mir mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen und ich erwartete wieder die übliche Absage.

„Ein Zimmer? Wir vermieten keine Zimmer, nur Ferienwohnungen. Für wie viele Personen denn?“

„Eine Person und ein Hund. Und es ist mir egal, ob Zimmer, Besenkammer oder Wohnung. Ich nehme alles.“

„Herr Lässers? Ich hätte da eve...“

„Lärpers, Jonathan Lärpers“, stellte ich klar.

„Ja, sicher. Auch gut. Also ich hätte da eine Wohnung für zwei Personen. Das Ehepaar, das sie gebucht hatte, musste wegen einer Krankheit ihre Reise leider absagen. Allerdings mit Hund ...“ Die Frau schwieg einen Moment und dachte anscheinend kurz nach. Dann fuhr sie fort: „Was ist das denn für ein Hund? Ein lieber? Sie müssen wissen, wir haben hier einen Bauernhof und jede Menge Tiere, auch Hunde und Katzen. Ist ihr Hund denn verträglich?“

Ich nickte. Bingo war verträglich. Zu den Guten jedenfalls. Bei Gangstern und Verbrechern konnte er allerdings ganz schön böse werden.

„Hallo, Herr Lähpers? Sind sie noch am Apparat? Haben sie meine Frage verstanden?“

„Lärpers, Jonathan Lärpers. Mit ‚r‘ mittendrin. Ja, ich bin noch am Apparat.“

„Also, was ist das für ein Hund?“

„Ein Malinois. Sehr lieb und freundlich. Geradezu verschmust. Und er kommt mit Menschen und mit Tieren zurecht. Es wird mit uns keine Probleme geben.“ Ich rieb mir insgeheim die Hände. Unser Urlaub schien gerettet.

„Die Wohnung kostet pro Tag einhundertfünfzehn Euro, wobei der Preis alle anfallenden Kosten beinhaltet.“ Die Frau lachte leise und fügte dann hinzu: „Nur für ihr Essen müssen sie selber sorgen. Und die Zahlung hat im Voraus zu erfolgen. Das wären für sieben Tage insgesamt“, ich hörte wie sie auf etwas herumtippte, „achthundertundfünf Euro.“

Ganz schön teuer, doch was tat man nicht alles für seinen Hund.

Ein Mann und sein treuer Freund ...

Bevor die Frau es sich noch anders überlegen konnte, erklärte ich hastig: „Gebongt. Ich nehme die Ferienwohnung.“

„Sehr gut. Dann warten sie einen Moment, ich notiere mir alles. Wie war noch ihr Name?“

Ich lächelte und mein Blick fiel auf die Uhr über der Tür. Nach gerade einmal drei Stunden erfolglosen Herumtelefonierens endlich ein Volltreffer. Zum Zeichen meines Sieges reckte ich den rechten Daumen in die Höhe.

„Hallo, sind sie noch da?“

„Lärpers, Jonathan Lärpers.“ Zur Sicherheit und zum besseren Verständnis buchstabierte ich meinen Namen.

„Und ihr Hund, wie heißt ihr Hund?“

„Bingo.“

„Bingo? Ein Hund namens Bingo? Ist das nicht so ein komisches Spiel? Na egal, ich habe mir ihre Namen notiert. Herr Lärrperts mit seinem Bingo - Hund. Die Formalitäten erledigen wir dann, wenn sie hier sind. Und vergessen sie nicht die achthundertsechsundzwanzig Euro mitzubringen.“

„Achthundertsechsundzwanzig? Ich dachte, es wären achthundertundfünf Euro?“ Hatte ich mich vorhin verhört?

„Ja, das ist richtig. Dazu kommen aber noch einundzwanzig Euro Gästebeitrag. Drei Euro pro Tag.“

„Gästebeitrag?“ Offensichtlich wollte die Frau jetzt, da ich zugesagt hatte, den Preis noch ein wenig in die Höhe schrauben. Da war sie allerdings bei einem Jonathan Lärpers an den Falschen geraten. „Was soll das denn nun wieder sein?“

Ich hörte die Frau stöhnen. „Gästebeitrag ist das, was man früher Kurtaxe nannte. Wollen sie nun die Wohnung oder nicht?“

„Doch, doch. Auf jeden Fall.“

Was spielten die einundzwanzig Euro für eine Rolle, wenn ein Mann und sein Hund gesunde Seeluft schnuppern können ...

Feuerwehr - Challenge

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