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Vorwort des Herausgebers

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Seit etwa zwei Jahrzehnten sammle ich Zeitzeugenberichte, zunächst von Seeleuten, mit denen ich über Jahrzehnte in meinem Beruf als Diakon und Dipl.-Sozialpädagoge in einem Seemannsheim täglichen Kontakt hatte. So kam es, dass ich in etlichen Bänden Lebensläufe und Erlebnisberichte von Fahrensmännern aufzeichnete und zusammenstellte.

Menschenschicksale sind immer interessant und aufschlussreich, und wir können viel aus dem Erleben unserer Mitmenschen lernen. Biographien und Berichte über eigenes Erleben gehören zu meiner Lieblingslektüre. Daher reizte es mich, auch einmal das Leben und Wirken einiger Berufskollegen kennen zu lernen.

Wie kam es zu dem Berufsbild des Diakons und Sozialpädagogen?


Johann Hinrich Wichern, geboren am 21. April 1808, hatte angesichts des Kinderelends seiner Zeit 1833 als junger Kandidat der Theologie mit Hilfe einflussreicher Hamburger Bürger in dem Dorf Horn vor den Toren Hamburgs aus kleinsten Anfängen das Rauhe Haus als „Rettungshaus“ für gefährdete Kinder und Jugendliche gegründet und aufgebaut, nachdem er bei Hausbesuchen im Hamburger Stadtteil St. Georg die Not der proletarischen Großstadtmassen kennen gelernt hatte (siehe Band 65 meiner gelben Buchreihe).

Das Familienprinzip, in dem Wichern seine Schützlinge betreute und erzog, sowie die immer umfangreicher werdende pädagogische Arbeit erforderte eine größere Anzahl von Gehilfen. Im Sommer 1834 zog ein Bäckergeselle namens Josef Baumgärtner zu Fuß von Basel nach Hamburg, um Wichern als erster „Gehilfe“ für ein mageres Taschengeld von 100 Mark im Jahr bei freier Kost und Logis als Betreuer einer „Knabenfamilie“ zur Hand zu gehen. Nach drei Jahren übernahm Baumgärtner ein eigenes neu gegründetes „Rettungshaus“ in Mitau im Kurland.

Christoph Götzky, geboren 1822, von Hause aus katholisch, kam 1844 ins Rauhe Haus und war von Wichern und seinem Werk so beeindruckt, dass er konvertierte, Gehilfe Wicherns wurde und sich als Hausvater eines Rettungshauses nach Brüssow in der Uckermark entsenden ließ.

1839 ermächtigte der Verwaltungsrat des Rauhen Hauses Wichern, der Ausbildung von Gehilfen im Rauhen Haus „die größtmögliche Veröffentlichung zu geben“. Wichern ließ deshalb von 1843 an über seine Gehilfen, schon damals „Brüder“ genannt, eigene Jahresberichte erscheinen. Auf ihre theologische Ausbildung in seinem "Gehilfeninstitut" verwandte er große Sorgfalt. Aus seinen Gehilfen, die Wichern aus ganz Deutschland rief, und die ihn bei seiner Erziehungsarbeit im Rauhen Haus unterstützten und von den Jungen der Erziehungsfamilien „Brüder“ genannt wurden, baute er den hauptberuflichen Mitarbeiterstab der Inneren Mission auf, die „Berufsarbeiter“, die als „Hausväter“ in „Rettungshäusern“ und ähnlichen Einrichtungen, als Strafvollzugsbetreuer oder als „Stadtmissionare“ in ganz Deutschland und im Ausland bis hin nach Übersee tätig wurden.

Wicherns Wunsch: „Treue, gottesfürchtige Männer, so ernst als wahr, so klug als weise, in der Schrift bewandert, im Glauben gegründet, voll Liebe zum armen Volke, geschickt zu solch einem Umgang, der Menschen fürs Himmelreich gewinnt, wünschen wir in Scharen unter das Volk.“

Erst Jahrzehnte später nannte man diese Gehilfen entgegen Wicherns ursprünglichen Vorstellungen Diakone.

Bis in die 1970er Jahre sprach man von der männlichen Diakonie. Daneben gab es den Beruf der Diakonisse. Danach wurden Ausbildung und Beruf im Rahmen der allgemein sich durchsetzenden Emanzipation auch für Frauen geöffnet. Aus der Brüderschaft wurde die Brüder- und Schwesternschaft des Rauhen Hauses. Heute bildet die Hochschule für Sozialpädagogik und Diakonie des Rauhen Hauses in Hamburg Frauen und Männer zu Diplom-Sozialpädagog(inn)en und Diakon(inn)en aus.

Einige dieser Brüder des Rauhen Hauses, angefangen bei Wicherns Zeitgenossen Christoph Götzky, bis zu Männern unserer Tage sind in dem Band 11 dieser Zeitzeugen-Buchreihe „Genossen der Barmherzigkeit“ in kurzen Lebensportraits oder längeren Selbstzeugnissen vorgestellt worden.

Der umfangreichste dieser Beiträge stammt aus der Feder des mit einem großen Charisma für Jugendarbeit gesegneten und für seinen Herrn Jesus Christus sehr engagierten Hugo Wietholz. Seine Witwe Lisa, die mir die Überarbeitung und Auswertung seiner für die eigene Familie konzipierten Lebenserinnerungen erlaubte, war an der Erarbeitung dieses Textes maßgeblich beteiligt. In dem Sammelband konnten aus Platzgründen nur Auszüge daraus veröffentlicht werden. Da Hugo Wietholz’ Aufzeichnungen jedoch diakonie- und zeitgeschichtlich sehr aufschlussreich sind, wird in diesem Band 13 ein umfangreicherer Text gesondert veröffentlicht. Die Vorgeschichte in Kindheit und Jugend und die familiären Details wurden nur unwesentlich gekürzt, weil sie einen sehr guten Einblick in die Zeitgeschichte zwischen den Weltkriegen geben und unbedingt mit zum Persönlichkeitsbild beitragen.

Diakon Hugo Wietholz war ein engagierter christlicher Botschafter unter dem einfachen Volk, besonders für die Jugend, der ohne Rücksicht auf eigene persönliche Vorteile Zeugnis gab von der Liebe, die er selber durch Jesus Christus erfahren hatte. Mit großem Fleiß und nicht endendem persönlichen Engagement setzte er sich von Jugend auf für seine Jugendgruppen, für Benachteiligte in seiner Gemeinde und für die Verkündigung der Guten Nachricht von Jesus Christus ein und packte auch handwerklich immer wieder selber in seiner Kirchengemeinde und seinen Jugendheimen an.

Als Zeuge des Alltags seiner Zeit gestattet er uns einen guten Einblick in die christlich-bündische Jugendarbeit der 1920er und 30er Jahre, in die Geschichte des Rauhen Hauses während der NS-Zeit, in der er unbeirrt und mutig entgegen dem Zeitgeist den Weg der Bekennenden Kirche ging, in die Militärseelsorge während des 2. Weltkrieges, in die Lagerseelsorge unter Krieggefangenen, in die Gemeindediakonie der Evangelischen Kirche der Nachkriegszeit, auch ganz allgemein in das Alltagsleben seiner Generation während zweier Weltkriege und schwerer Nachkriegsjahre, besonders in die evangelische Jugendbewegung (Pfadfinder) zwischen den Kriegen und in den Aufbaujahren nach dem 2. Weltkrieg.

Seine ins Detail gehenden Schilderungen des Alltags eines Gemeindediakons verdeutlichen die Vielseitigkeit einer solchen Tätigkeit in einer Großstadtgemeinde. Familiäre Erinnerungen wurden zum Teil gekürzt, jedoch soweit wiedergegeben, wie sie die Verflochtenheit von Beruf und Familie zum Ausdruck bringen, zumal der Dienst Hugo Wietholz’ durchgehend von seiner Familie stark unterstütz und mitgetragen wurde.

Ein besonderer Dank gilt Lisa Weitholz für die Bereitstellung von Text und Bildern und das Korrekturlesen.

Hamburg, 2002 / 2005 /2014 Jürgen Ruszkowski


Hugo Wietholz – ein Diakon des Rauhen Hauses – Autobiographie

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