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Von Manila nach den Palau-Inseln

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Es war im Mai des Jahres 1859. Von Luban, einem hoch am nordöstlichen Abhange des erloschenen Vul­kans Banajao auf Luzon liegenden Bergdorfes aus ritt ich auf schlechtem, aber wunderbar schönem Wege nach Mauban zu. Ehe ich diesen an der östlichen Küste liegenden Ort erreichte, bot mir noch in ziemlicher Höhe eine Windung des Weges den ersten Blick auf den Stil­len Ozean, dessen langgestreckte Wogen sich an den Riffen des Ufers brachen, während er im Horizont mit dem Himmel zu verschmelzen schien.

Die Bewegung des Seeganges war nur an dem Schaum der Küste zu erkennen; und das Meer selbst schien gänzlich ruhig dazulegen, in der Tat ein stiller Ozean, auf dessen weiter Fläche kein Boot, kein Schiff zu erblicken war. Aber der unbegrenzte Horizont setzte meiner Phantasie kein Hindernis entgegen; weiter und weiter nach Osten zu schweifte mein Blick in die Ferne, und je weiter er drang, umso bewegter schien mir auch das Leben des Meeres zu werden. Zunächst traf mein Auge die Marianen, unter denen mir Tinian in der Erinne­rung an Anson’s warme Schilderung tiefe Sehnsucht er­weckte, während von südwärts her die kraushaarigen dunkelbraunen Bewohner der Carolinen gastlich zu win­ken schienen.

Abba Thules (siehe das Buch von Keate Wilson, „an Accoutt of the Pelew Islanda“ London 1783, das seinerzeit großes Aufsehen erregte und auch in Deutschland viel gele­sen wurde) und Leeboos freundliche Gestalten zogen, bedeutungsvoll lächeln, an mir vorüber; aber auch grau­same Mordszenen zwischen Farbigen und Weißen tra­ten mir vor das Auge. Bald sah ich die Fidschi-Insulaner den getöteten Feind als Sühnopfer verzehren, während von ihrer heimatlichen Insel vertriebene Bewohner der Samao-Inseln nach Tonga und Neuseeland absegelten, bis plötzlich ein großartiger Ausbruch des Mauna-Roa das Bild zerstörte, das sich mir so in der Fülle des tropi­schen Lebens und mir geschichtlichen Erinnerungen ver­webt entrollt hatte. Verlangen nach den wunderbaren Koralleninseln des Stillen Ozeans erfasste mich mächtig, und ich gelobte mir, keine Gelegenheit unbenutzt vor­übergehen zu lassen, wenigstens einen kleinen Zug aus dem übervollen Freudenbecher zu tun, den ich dort zu meinen Füßen so unermesslich weit ausgebreitet zu se­hen wähnte.

Mit diesem Entschluss, einige Inseln des Stillen Oze­ans kennen zu lernen, kehrte ich nach Manila zurück. Bald schien sich mir eine treffliche Gelegenheit zu bie­ten. Ich erfuhr durch einen Freund, dass ein englischer Kapitän namens Cheyne soeben mit einer Ladung Tre­pang (so heißen die für den Handel nach China zubereiteten Holothurien, eigentümliche fast wurmartige Tiere aus der Klas­se der Echinodermen) von einer den Spaniern längst be­kannten Inselgruppe, den Palaos (Pelew-Islands der Engländer, besser Palau-Inseln), angekommen sei und nach Verkauf derselben möglichst rasch wieder dahin zurückzukehren gedenke.

Zwar lagen diese Inseln noch ziemlich nahe an den Philippinen und schienen so von keinem besonderen In­teresse, aber da ihre Bewohner sicherlich einer ganz an­dern der tagalischen, ganz fern stehenden Rasse ange­hörten und ihre Barrièrenriffe mit den durch sie einge­schlossenen Kanälen und Lagunen reiche zoologische Ernte versprachen, so verschaffte ich mir eine Empfeh­lung an diesen Kapitän. Ich besuchte ihn an Bord seines Dreimasters. Er empfing mich freundlich, fast zu sehr, war gleich bereit mich mitzunehmen und deutete mir so­gar an, dass ich mit ihm reisend wohl auch im Handel mit den Eingeborenen, den er mir gestatten wolle eini­gen Ersatz für meine Reisekosten würde finden können. Dennoch wies er mich nachher mit einigen Entschuldi­gungen ab.

Ich vergaß bald diese Enttäuschung während einer gleich danach unternommenen Reise nach dem süd­lichsten Punkte der Philippinen, nach Zamboanga und Basilan; und ich vergaß Cheyne um so leichter, als ich bei meinen Erkundigungen nach dem Trepang-Handel mit den Palaos in Erfahrung gebracht dass noch andere Kapitäne von Zeit zu Zeit in Manila einzulaufen pflegten, welche vom Stillen Ozean herkämen, dass ich also leicht zu einer andern Zeit den ungern aufgegebenen Plan würde ausführen können.

Jahre vergingen nun. Rastlos wandernd, bald zu Fuß, bald zu Pferde oder im Boot durchzog ich das nördliche Luzon nach allen Richtungen bis mich endlich im Okto­ber des Jahres 1861 eine lang genährte aber nicht er­kannte und unbeachtet gelassene Dysenterie (Die Dysen­terie ist eine Entzündung des Darms, die oft zu starker Diar­rhö, Magenschmerzen und Erbrechen führt.) so danieder warf, dass ich die Reise unterbrechend rasch nach Mani­la zurückkehren musste. Meinen Diener Antonio Angara schickte ich weiter auf der begonnenen Reise, da ich hoffte, ihn in kürzester Frist wieder irgendwo im Norden treffen zu können. Das Schicksal hatte es anders be­schlossen. Dort in Manila obgleich von treuen liebenden Händen gepflegt und von einem geschickten deutschen Arzt behandelt, wurde ich des Nebels nicht Herr – und mitten in meinem Gram über die Unmöglichkeit meiner Weiterreise überraschte mich eines Tages meine Braut mit dem Worte, dass der Arzt eine Seereise dringend an­rate und dass sie bereits ein Schiff gefunden habe, wel­ches in wenig Wochen nach den Carolinen absegeln sol­le! Alles war bereits mit dem Kapitän Woodin verabre­det, ich brauchte nur noch mein Wort zu geben, dass ich mich der auf höchstens vier bis fünf Monate berechneten Expedition anschließen wolle. Die sicher scheinende Aussicht auf Erfüllung eines meiner sehnsüchtigsten Wünsche gab meiner Spannkraft neue Nahrung – und ich entschloss mich leicht und gern zu einer Reise, die ich krank, nur unvollständig ausgerüstet und ohne mei­nen treuen erprobten Antonio antreten musste, die aber zu einer der genussreichsten und zugleich mühseligsten meines ganzen Wanderlebens werden sollte!

Kapitän Woodin der Befehlshaber der „LADY LEIGH“ ein alter englischer Seemann von echtem Schrot und Korn empfing mich aufs freundlichste. Zwar bot er mir nicht an wie Cheyne es früher getan, dort neben ihm Handel treiben zu dürfen, ja er verweigerte sogar seine Einwilligung Äxte Beile und eiserne Kochschalen, die dort auf den Inseln beliebtesten Artikel zum Zweck des Eintauschens von Tieren mitnehmen zu dürfen. Aber gerade diese Offenheit und die humane Gesinnung, die aus seinem nicht sehr geistreichen Auge sprach, nah­men mich für den Mann ein. Unter seiner Leitung be­sorgte ich denn auch meine Ausrüstung, obgleich ich mir namentlich in Bezug auf Lebensmittel wie Schokolade Biscuit, Tee Plumpudding und konserviertes Fleisch eini­ge Ausschreitungen erlaubte, und es kostete mir einen kleinen Kampf, seine Einwilligung zu meinem Plane zu erhalten außer einem nur für meine leiblichen Bedürfnis­se sorgenden Diener Alejandro, noch einen jungen Mes­tizen D Enrique Gonzalez, seines Zeichens ein angehen­der Maler, mitzunehmen. Mit diesem letzteren wollte ich einmal den Versuch wagen, ob nicht ein in der zu Manila 1859 gegründeten und unter der Leitung des trefflichen spanischen Malers D Matias de Sainz stehenden Maler­schule (Real Academia de pinturas) gebildeter Mestize der Leitung seines Lehrers entzogen und selbständig ar­beitend Tüchtiges würde leisten können.

Durch seine Hilfe hoffte ich eine Fülle ethnologischer Studien und Porträts, ohne selbst viel Zeit an die Verfer­tigung von Skizzen verwenden zu müssen, sammeln, statt dessen aber meine Zeit zu Beobachtungen aller Art und zum Fangen von Tieren verwenden zu können. Während ich teilweise die Anschaffung der Lebensmittel und der benötigten Tauschartikel (Reis, Pulver und Flin­tenkugeln, weißer und roter Calico (Kattun - Baumwolle), Taschenmesser usw. dem Kapitän überließ, wendete ich die geringe mir noch zu Gebote stehende Zeit und kör­perliche Kraft dazu an, meine Gläser für die Reise einzu­packen und alle nötigen Vorbereitungen zu zoologischen Arbeiten zu machen.

Dr. Karl Semper und seine Studien auf den Palau-Inseln im Sillen Ozean

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