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2 DIE GESCHICHTE
DES DARTSPORTS 2.1DIE ANFÄNGE
ОглавлениеDa sich keine gerade Linie vom heutigen Darts zu seinen Ursprüngen zurückverfolgen lässt, ergibt sich in diesem Sinne auch keine vollständige Geschichte. So bleibt nur eins übrig: Spurensuche!
Ob die ersten Speere, die vor rund 400.000 Jahren auf der Jagd geworfen worden sind oder die Erfindung von Pfeil und Bogen vor nahezu 30.000 Jahren v. Chr. wirklich als Wurzeln des Dartspielens herhalten können, mag jeder für sich selbst entscheiden. Abgebrochene Speer- beziehungsweise Pfeilspitzen, die um 500 v. Chr. auf Baumscheiben, die als Board dienten, geworfen worden sind, hören sich da schon besser an, doch einwandfrei wissenschaftliche Belege fehlen. So betrachte diesen Einstieg lieber unter dem Motto: „Es war einmal …“.
Ob sodann im Mittelalter und im weiteren Verlauf der menschlichen Geschichte abgebrochene Pfeilspitzen angespitzt und auf die Böden von Wein- oder Bierfässern geworfen wurden, ob das Hantieren mit Armbrüsten zwecks Zielübungen auf ebenjene Böden oder das Kneipenvergnügen „Puff and Dart“, bei dem mittels Blasrohr Pfeile auf Zielscheiben, die bereits mit Zahlen markiert waren, gepustet worden sind, nun den Vaterschaftstest bestehen, um als unmittelbare Vorfahren des heutigen Darts zu gelten, ist ebenfalls eher eine Glaubenssache, die vom Prinzip „die Gedanken sind frei“ forciert wird.
Die Franzosen setzten bei ihren Schlachten Wurfpfeile als Waffe ein. Fakt! Diese nannten sie „Darts“. Tatsache! Aus dem kriegerischen Element erwuchs allerdings auch ein amüsanter Zeitvertreib, indem man kleine Pfeile auf Holzscheiben zirkelte. An diesem neuen Freizeitvergnügen fanden die Menschen in der Grande Nation immer mehr Amusement, und der Beliebtheitsgrad stieg kontinuierlich an.
Aufgepasst: Die Idee, Darts zu spielen, schwappte über den Ärmelkanal nach England – und nicht umgekehrt. Ergo: Der Einfall, mit kleinen Pfeilen Darts zu spielen, wurde demnach vom französischen Esprit und nicht von angelsächsischem Spirit beflügelt. Nichtsdestotrotz fanden sich in Großbritannien schnell ebenfalls Fans, und Darts erfreute sich hier gleichsam einer steigenden Popularität.
Generell wird bei dieser Spurensuche eine gewisse Dame, Anne Boleyn, herbeizitiert und uns vorgeführt. Sie war Gattin von Heinrich VIII. aus dem Haus Tudor, der von 1509 bis 1547 als König von England und ab 1541 auch als König von Irland regierte, und war genau genommen die zweite von insgesamt sechs Ehefrauen, die Heinrich VIII. in seinem Leben verschliss.
Anne Boleyn hatte ihrem Gemahl angeblich dartes, so die altenglische Schreibweise, geschenkt. So war Darts zumindest am englischen Königshof angekommen. Ob Heinrich VIII. an ihnen Gefallen fand, ist nicht überliefert, allerdings schon, dass sein Gefallen an Anne Boleyn nach rund drei Jahren schon wieder erloschen war, und er sie kurzerhand einen Kopf kürzer machen ließ.
Ihre Enthauptung war insofern nichts Besonderes, als Heinrich VIII. nicht weniger als 70.000 Menschen während seiner Regentschaft hinrichten ließ. By the way: Das Wort dartes konnte man erstmalig im Jahre 1381 im Oxford English Dictionary nachschlagen.
Angeblich bereitete Darts den englischen Pilgrim Fathers viel Kurzweil bei ihrem Segelturn auf der Mayflower anno 1620 quer über den Atlantik. Zeit hatten sie sicherlich en masse, aber Hand on Heart, Sherlock, würden Puritaner wirklich ihre kostbare Zeit mit Darts vergeuden, zumal ozeanischer Wellengang nicht unbedingt das richtige Fundament zu sein scheint, um Darts spielen zu können? Was immer die Pilgrims Fathers auf ihrer Überfahrt aus der Alten in die Neue Welt taten, Darts kam damals in Neuengland nicht an.
Nicht als un-, allerdings durchaus als mittelbaren Zeitzeugen in Sachen Darts kann man getrost den wohl größten Dramatiker aller Zeiten, William Shakespeare, befragen. Das 1564 in Stratford-upon-Avon geborne und dort auch 1616 verstorbene Genie galt als ausgewiesener Sportsman, der auch immer wieder sportliche Szenen in seine Werke einfließen ließ. Über Darts verlor er allerdings kein einziges Wort.
Die ersten Darts, die in größerer Anzahl von Menschen zum Spielen benutzt worden sind, wurden Mitte bis Ende des Viktorianischen Zeitalters (1837 bis 1901) aus Frankreich importiert. Der wachsende Bedarf wurde zunächst durch Rummelplätze hervorgerufen, die Dartstände zu ihren neuesten Attraktionen erklärten. Nicht überraschend ist es daher, dass diese Pfeile in England als „französische Darts“ bekannt wurden und einen weiteren Beweis darstellen, dass Darts aus Frankreich importiert worden war, wo es unstrittig seine Wurzeln hatte.
Der Pfeil bestand damals überwiegend aus Holz, an einem Ende besaß er eine Metallspitze, im anderen steckten drei bis vier Truthahnfedern, die als Flights dienten. Über viele Jahre waren diese Darts sehr beliebt, sie waren die einzigen, die preislich erschwinglich waren. Geiz war schon damals geil.
Der Name Brian Gamlin darf allerdings in jeder Historie über Darts nicht unerwähnt bleiben. Brian Gamlin lebte in Bury und verdingte sich beruflich als Zimmermann. En passant legte er 1898 die heutige populäre Zahlenanordnung auf dem Dartboard fest. Aber nicht nur das, er ging zudem als erster englischer Dartspromoter in die Geschichte ein. Sein Portfolio: Er machte sich auf den Weg durch die englische Publandschaft und brachte so Darts an den Mann.
Ein anderer Name, der in diesem Zusammenhang nicht fehlen darf, ist bereits aufgetaucht: Jim Garside. Er besaß einen Pub im nordenglischen Leeds. Er musste vor den Kadi! Warum? In seiner Gaststätte durfte man Darts spielen und auf den Ausgang der Partien wetten. Kein Problem – so die Sichtweise Garsides.
Der Kläger offenbarte eine ganz andere: Das Wetten auf Darts ist absolut tabu. Weil? Weil Glücksspiel – it’s illegal – und in der Grafschaft Yorkshire strengstens untersagt.
Jim Garside machte sozusagen eine Ortsbesichtigung im Gerichtssaal, dazu zitierte er seinen besten Dartspieler, William „Big Foot“ Annakin, vor die Justitia und ließ ihn zu Demonstrationszwecken Darts spielen. Das überzeugte den Mann in Robe und mit Perücke. Für ihn stand fest, dass Darts kein Glücksspiel sei. Der Richterspruch verkündete: „This is not a game of chance.“
Das war kein Einzelsieg des Jim Garside, sondern popularisierte Darts grundlegend und nachhaltig auf der Insel. Ein Großteil der Autoren, die sich mit Darts auseinandergesetzt haben, schießen hier aber maßlos über das Ziel hinaus, wenn sie damit Darts den Durchbruch als Sport attestieren. Die Briten sahen Darts als „Game“ und nicht unbedingt als Sport im herkömmlichen Sinne an.
Noch in den 1970er-Jahren siedelte die Mehrzahl der britischen Journalisten Darts im Bereich Game an, wenn sie denn überhaupt bereit waren, über Darts zu berichten. Die deutschen Journalisten sowieso nicht, die in den beiden Begriffen Kneipe und Sport einen unvereinbaren Widerspruch a priori sahen.
Schlägt man den aktuellen Oxford Learner’s Dictionary unter „darts“ auf, dann findet man heute noch Folgendes geschrieben: „… a game in which darts are thrown at a round board marked with numbers for scoring. Darts is often played in British pubs.“
Wenn du tiefer in die Historie des Darts eindringen möchtest, dann legen wir dir die Schilderungen von Dr. Patrick Chaplin (2012) Darts in England 1900-1939: A Social History nahe, in der du einige der oben angerissenen Aspekte in ausführlicherer Weise dargestellt wiederfinden wirst. Cui honorem, honorem – Ehre, wem Ehre gebührt: Dr. Chaplin ist mittlerweile auch als Dr. Darts bekannt.
Wir hatten oben bereits ausgeführt, dass mit der Weiterentwicklung der Pfeile eine höhere Wurfpräzision einhergegangen ist. Dass dieser Fortschritt noch längst nicht an seine Grenzen gestoßen ist, versteht sich von selbst. Hier ist noch einiges Potenzial vorhanden, und alle dürfen gespannt sein, wie sich die Weiterentwicklung entfalten wird.
Das Dartboard wird zumindest mittelfristig seine Grundstrukturen und Dimensionen beibehalten. Die Idee eines Quadro-Boards ist erst einmal auf Eis gelegt – und verbleibt dort hoffentlich tief eingefroren.
Dass sich Sportarten dennoch von heute auf morgen wesentlich verändern können, haben wir schon mehrfach erlebt, wie zum Beispiel der Fosburyflop im Hochsprung, das Skating im Skilanglauf, die V-Stellung im Skispringen, die Drei-Punkte-Regelung im Basketball, aber auch der Videobeweis im Fußball, computergesteuerte Weiten- und Zeitmessung, die Verkürzung der Sätze auf 11 Punkte im Tischtennis, das Rally-Point-System im Volleyball, Mutationsformen wie Beachball, E-Bikes im Radfahren als Betrugsvariante und last but not least: E-Darts!
Im Sport scheint zwar nicht alles, aber vieles drin zu sein. Und es wäre ein Rückschritt, ein fataler, wenn sich der Sport dem allgemeinen Fortschritt verweigern und ein antiquiertes Dasein fristen würde.
So sind wir alle gespannt, was uns die Dartszukunft noch beschert. Hierzu zählt im bereits angebrochenen Zeitalter der Digitalität die Vernetzung von Darts. Wie und mit welchen Formaten? Fragen über Fragen. Ein paar Antworten werden wir dir geben oder zumindest Anregungen, damit du dir selbst Gedanken machen kannst und zu deiner eigenen Meinung findest.
Wir wünschen dir viel Spaß mit diesem Buch und wollen dich motivieren, dich mehr und mehr für Darts zu interessieren. Als Spieler, als Zuschauer, als Leser, als Fachmann, als Fan, als Hobbyspieler, als Profi. Und unter uns: Nur eine Meinung, ohne weiteren Diskurs, ist zu wenig rund ums Dartboard. Und ebenfalls unter uns: Eine einzige Dissertation nimmt sich zudem überaus spärlich aus.