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Wie kann eine Dysphagie therapiert werden?

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Wie genau eine Dysphagie behandelt wird, ist selbstverständlich im Einzelfall zu entscheiden. Grundlage für die Entscheidung sind zum einen die (genaue) Diagnostik der Fachärzte sowie zum anderen die Absprachen mit den Betroffenen und ihren Angehörigen. Im Folgenden werden vor allem einige wichtige Grundelemente der Therapie beschrieben.

In der Regel handelt es sich bei einer Dysphagietherapie um eine interdisziplinäre Therapie, d.h., mehrere Fachrichtungen arbeiten zusammen. Für dieses Störungsbild kompetent ausgebildete Sprachtherapeuten/Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten stellen die wichtigsten Gruppen dar. Auch Ernährungsberater spielen eine wichtige Rolle im Therapieverlauf. Wer von den Therapeuten genau welche Aufgabe übernimmt, ist unterschiedlich, je nach Region oder (Reha-)Einrichtung.

Die eigentliche Therapie des Schluckaktes übernehmen die Sprachtherapeuten/Logopäden, in einigen Fällen aber auch die Ergotherapeuten. Physiotherapeuten und Ernährungsberater sind vor allem für die Verbesserung der Rahmenbedingungen zuständig (Haltung, Ernährungszustand etc.).

Ebenso vielfältig wie die Schluckstörung an sich ist auch ihre Therapie. Je nach Schädigung kommen andere Therapieinhalte, aber auch andere Therapieziele zum Tragen. Das Hauptziel einer Dysphagietherapie ist die orale Nahrungsaufnahme. Hier kommt es zu Abstufungen:

 Die orale Nahrungsaufnahme ist nicht mehr möglich

Sind die Schädigungen, die zu der Dysphagie geführt haben, zu gravierend, kann eine Wiederherstellung der oralen Nahrungsaufnahme unmöglich werden. In diesen Fällen wird die Nahrungsaufnahme – mit Einverständnis der Betroffenen – durch eine Sonde gesichert, die direkt in den Magen (PEG: Perkutane endoskopische Gastrostomie) oder sogar in den Darm (PEJ: Perkutane endoskopische Jejunostomie) eingeführt wird. Somit wird der Ernährungszustand des Betroffenen gesichert. Er muss nicht mehr essen, um zu überleben, und kann sich auf die anderen Bereiche seines Lebens konzentrieren. Da die anderen Funktionen deutlich weniger gestört sein können, kann der Betroffene trotz einer solch massiven Dysphagie trotzdem mobil sein.

Die Therapeuten können in diesem Fall trotzdem helfen, indem sie die optimale Versorgung des Betroffenen sicherstellen. Hierzu zählen das richtige Material für die PEG/PEJ-Versorgung, die richtige Sondennahrung, die optimale Lagerung, das Erhalten anderer motorischer Funktionen, ggf. die optimale Versorgung der Trachealkanüle (hierzu später mehr), Erhaltung oder Wiederherstellung der Sprachfähigkeit und mehr.

 Die orale Nahrungsaufnahme ist teilweise oder eingeschränkt möglich

Bei einigen Schädigungen ist allein aufgrund körperlicher Voraussetzungen keine vollständige Remission möglich (z.B. wegen einer Kehlkopfteilresektion), sodass als Ziel zwar auch in diesen Fällen die orale Nahrungsaufnahme steht, diese aber nicht in der Form ausgeübt werden wird, wie es vor der Operation der Fall war. Es werden Kompensationsstrategien eingeübt, mit denen der Betroffene essen kann – diese Strategien müssen aber immer angewendet werden, um es problemlos zu schaffen. Von „normalem Essen“ kann nicht mehr die Rede sein.

Kompensationsstrategien können sich auf unterschiedliche Bereiche beziehen: Es kann eine Anpassung der Umwelt an die Bedürfnisse des Betroffenen bedeuten, oder aber, dass der Betroffene bestimmt Schlucktechniken anwenden muss, um sicher schlucken zu können. Anpassungen der Umwelt können sein:

1 Ein ruhiges Umfeld schaffen: Fernseher aus! Radio aus! Unruhe und Hektik – auch der Angehörigen – vermeiden!

2 Die Sitzposition optimieren: im Liegen mindestens 30° Aufrichtung! Im Sitzen Füße fest auf den Boden, Oberkörper möglichst gerade, Kopf gerade und aufrecht!

3 Anpassung der Nahrungskonsistenz: Manche Betroffene können zwar schlucken, aber nicht alles. Je nachdem, ob das Kauen nicht mehr adäquat funktioniert, die Zunge nicht mehr richtig transportiert, der Schluckreflex zu früh oder zu spät auslöst oder die Kraft nicht mehr komplett erhalten ist, kann die Nahrungskonsistenz etwas flüssiger oder etwas fester gemacht werden.

Schlucktechniken können wie folgt aussehen:

1 Veränderung der Kopfhaltung: Rutscht der Bolus zu schnell in den Rachen, sodass der Schluckreflex nicht schnell genug auslöst, kann eine Neigung des Kopfes nach vorne helfen – rutscht der Bolus zu langsam oder gar nicht, eine Neigung nach hinten. Bei Lähmungen im Halsbereich kann eine Kopfdrehung helfen (ob zur betroffenen oder zur nicht-betroffenen Seite hängt von der Lähmung ab).

2 Anpassung der Schluckkraft: Sind im Rachenbereich nach dem Schlucken noch viele Reste vorhanden, reicht es oftmals, kräftiger zu schlucken. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass die Schluckkraft theoretisch erhalten ist und lediglich eine Erinnerung braucht.

3 Anpassung der Schluckfrequenz: Eine weitere Möglichkeit, Residuen zu entfernen, ist oftmals, einfach öfter zu schlucken. Auch hier braucht der Betroffene manchmal lediglich eine Erinnerung und der Rachenraum ist befreit.

4 Atemanpassung: Ist die Schluckkraft nicht vollständig erhalten und es sammeln sich Residuen, kann eine Atemanpassung sinnvoll sein. Diese kann in Luftanhalten bestehen, da hierdurch dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben wird, öfter bei sicher geschlossenem Kehlkopf zu schlucken. Eine zweite Möglichkeit ist das sofortige Husten nach dem Schluck. Hierdurch werden Reste, die vor dem Kehlkopfeingang liegen, zurück in den Mundraum (oder darüber hinaus) geschleudert. Sie sind somit keine Gefahr mehr und können ggf. in einem neuen Versuch geschluckt werden.

Die Anpassung der Umwelt ist schwierig, aber möglich – die Anwendung von Schlucktechniken bedarf einiger Übung. Wichtig ist aber, dass die orale Nahrungsaufnahme möglich ist!

 Die Nahrungsaufnahme ist uneingeschränkt möglich

In anderen Fällen ist eine vollständige Wiederherstellung des Schluckaktes und somit eine völlig normale orale Nahrungsaufnahme möglich. Durch Spontanremission oder eine Dysphagietherapie kann der Betroffene wieder alles essen und trinken.

Grundsätzlich werden alle Therapieziele der Dysphagietherapie soweit wie möglich mit den Betroffenen abgesprochen. Alle Menschen sind verschieden und ebenso sind die Bedürfnisse jedes einzelnen unterschiedlich. Während für manche das Essen absolute Priorität hat, ist es für andere nur eine lästige Notwendigkeit. Auch diese Faktoren sollten bei der Wahl der Ziele und Methoden berücksichtigt werden.

Methodisch bedienen sich die zuständigen Therapeuten bei mehreren Therapieformen: Es fließen Elemente aus der PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation), F.O.T.T.© (Therapie des Fazio-Oralen Traktes), Bobath und viele mehr in die Therapie ein. Da die Methodik sich immer weiter entwickelt, verändern sich auch die Inhalte der Therapien. Meistens ist dies der Kreativität der Therapeuten geschuldet, die aufgrund der Unterschiede ihres Klientels auch immer unterschiedliche Wege in der Therapie gehen. So entstehen stetig neue Therapieinhalte und -materialien.

Die wichtigsten Bereiche der Dysphagietherapie sind zum einen das Triggern des Schluckreflexes, zum anderen die Wiederherstellung oder Stärkung der Schluckkraft. In den meisten Fällen führt eine Verbesserung in diesen beiden Bereichen zu einer deutlichen Verbesserung des Schluckens. Wo der Therapieschwerpunkt liegen muss, ist von Mensch zu Mensch verschieden.

Der Schluckreflex wird meist durch verschiedene Formen der oralen Stimulation (Kältereize, Geschmacksreize, Druckreize etc.) getriggert. Im Idealfall nimmt das Gehirn diese Reize auf, verstärkt im Laufe der Zeit die Eigenaktivität bei Auftreten eines Reizes und kann dann auch wieder bei geringeren Reizen den richtigen Bewegungsablauf zur richtigen Zeit in Gang setzen.

Die Schluckkraft wird durch die Kräftigung der am Schlucken beteiligten Muskeln erreicht. Dies sind vor allem die Zungenmuskulatur, die Lippen- und Wangenmuskeln und die Kiefermuskulatur. Hierfür haben sich viele Firmen bereits mehrere Geräte ausgedacht, um die Therapie zu erleichtern – die Variante mit Mundspateln, Watteträgern, durch Fäden gesicherten Knöpfen und vielem mehr ist aber sicherlich nicht die schlechtere Wahl. Vor allem wird ein größeres Maß an Normalität aufrechterhalten, wenn der Betroffene mit Angehörigen (v.a. Kindern oder Enkeln) „einfach mal ein Spiel mit einem Knopf“ spielt oder eine „Kraftprobe mit einem Löffel“ macht.

Psychodysphagiologie

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