Читать книгу Die Schlächterin - Auferstehung - J.S. Ranket - Страница 7

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Red Dragon, der seltsame Kampfsportclub, der nur zwei Blocks entfernt lag, schien Taylor mit einem Mal die beste Möglichkeit, überschüssiges Adrenalin loszuwerden. Denn dort wurden auch Kurse für Frauen angeboten. Das hieß, wenn man dem zerfledderten Werbeschild Glauben schenken wollte. Von außen wirkte der Club zwar wie kurz vor der Zwangsräumung, doch durch die ramponierten Lamellen der Jalousie sah Taylor häufig im Vorbeifahren verschwitzte Hausfrauen, die gegenseitig auf sich einprügelten.

Und wenn sie dann einige fiese Tricks drauf hatte, bräuchte sie natürlich auch einen Kampfnamen. Wie wäre es denn mit …

„Black Mamba“, stieß Taylor begeistert hervor.

Kill Bill, Tarantinos Metzel-Orgie, hatte sie schon so oft gesehen, dass sie fast mitspielen konnte. Sie riss das chromglänzende Rohr von ihrem Staubsauger, der in einer kleinen Nische stand, und schwang es triumphierend durch die Luft. Der Kampf mit dem unsichtbaren Gegner führte über das Sofa und den niedrigen Couchtisch, bis sie schließlich auf dem Küchentresen einen verdächtigen Kaffeetopf entdeckte. Mit einem lauten Klatschen zerbarst das Gefäß unter ihrem Schlag und ein Scherbenregen prasselte auf den Boden.

„Das hast du nun davon, du Drecksack!“, kommentierte sie grinsend ihren Sieg.

Nur kurz überlegte Taylor ihre nächsten Schritte. Einerseits wollte sie so schnell wie möglich Tanner finden, andererseits konnte sie auch nicht völlig unvorbereitet ihren ersten Auftrag ausführen. Und mit ein wenig Ablenkung und einer drastischen Senkung ihres Stresspegels würde sie sicher klarer denken können. Also warum sollte sie nicht dem Red Dragon sofort einen Besuch abstatten und sich zu einem Selbstverteidigungskurs anmelden? Vielleicht könnte sie sogar den Trainer um den Finger wickeln und eine kleine Einführungsstunde herausschlagen.

In Windeseile hatte sie sich umgezogen. Taylor trug jetzt einen bequemen Sportanzug und Nikes. Ihre lange Mähne hatte sie zu einem straffen Zopf geflochten, so dass sie dadurch nicht behindert werden konnte. Sie warf noch einen kurzen, prüfenden Blick in den Spiegel, dann rannte sie los.

Fünf Minuten später stand sie vor dem zweistöckigen Gebäude, in dessen Erdgeschoß der Kampfsportclub seine Räumlichkeiten hatte. Schon beim Betreten schlug ihr der unverkennbare Geruch von Blut, Schweiß und Tränen entgegen. Das machte jedem Besucher unmissverständlich klar, hier wird geklotzt und nicht gekleckert.

Auch in Taylor setzte sich sofort die Erkenntnis durch, dass sie hier richtig war. Besonders als sie die sichtlich mitgenommenen Übungsgeräte sah. Die unterschiedlichen Schlagkissen waren zwar ordentlich an der Wand des Trainingsraumes aufgereiht, doch fast alle waren an den Nähten aufgeplatzt, so dass die Schaumstofffüllung herausquoll. Daran konnte auch der großzügige Einsatz von Panzertape nichts ändern.

„Für heute ist Feierabend.“

Taylor fuhr herum. Die Stimme gehörte einem hageren Asiaten, offensichtlich ein Japaner. Er trug einen schwarzen Keikogi-Kampfanzug und war fast um einen Kopf kleiner als Taylor. Die einzige Behaarung auf seinem kahlen Schädel waren die angegrauten Augenbrauen und ein sorgfältig gestutzter Schnauzbart. Trotz seines Alters hielt er seinen Körper gespannt wie eine Sprungfeder und strahlte eine überirdische Würde aus, die nicht so recht in den rumpeligen Trainingsraum passen wollte. Mit einem blitzenden Schwert wäre er jedoch die perfekte Verkörperung eines traditionellen Samurai.

„Komm bitte morgen wieder.“ Seine Stimme klang freundlich, doch sie ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass er nicht vorhatte, mit ihr herumzudiskutieren.

„Ich … äh … wollte Sie keinesfalls stören“, stammelte Taylor. Seine erhabene Erscheinung machte sie so nervös, als würde sie vor dem Präsidenten stehen.

„Das Um-den-Finger-Wickeln kann ich hier wohl vergessen!“

Verlegen trat sie von einem Bein auf das andere. „Bitte entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit“, begann Taylor erneut, „ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.“ Wenn sie hier etwas erreichen wollte, dann nur mit Respekt und Freundlichkeit. Denn Japaner sind in dieser Beziehung sehr eigen. „Mein Name ist Taylor Edwards.“ Sie deutete eine kleine Verbeugung an und vermied es, die Hand zu reichen, denn das gebührte ihm als Älteren. Dabei spielte es auch keine Rolle, dass sie kein kleines Mädchen mehr war und ein College-Diplom in der Tasche hatte.

Und es schien zu funktionieren.

„Ich bin Meister Kobayashi.“ Er erwiderte die Verbeugung und über seinen Mund huschte ein flüchtiges Lächeln, als er Taylor fragend ansah.

Jetzt musste sie ihre Worte sorgfältig wählen, um ans Ziel zu kommen. Wenn sie Kobayashi verärgerte, dann wäre sie gezwungen, woanders von vorn zu beginnen. Erschwerend kam hinzu, dass ihr der würdevolle Japaner sofort sympathisch war und ebenfalls sehr kompetent zu sein schien. Deshalb versuchte sie es mit der Wahrheit.

„Ich möchte ehrlich sein, Meister Kobayashi. Die Wahrscheinlichkeit ist relativ groß, dass ich in nächster Zeit in eine Situation geraten könnte, in der ich mich verteidigen muss. Deshalb möchte ich sie bitten, mir einige Techniken beizubringen, mit denen ich mich eines stärkeren Gegners erwehren kann.“

Kobayashi bewegte sich während der vorgetragenen Bitte keinen Millimeter und auch sein Gesicht zeigte keinerlei Regung.

„Und das Ganze ist wirklich sehr dringend“, schob Taylor verlegen lächelnd nach.

„Wenn du in Gefahr bist, dann solltest du zur Polizei gehen“, schlug er folgerichtig vor.

„Und genau da liegt das Problem. Aus verschiedenen Gründen geht das nicht.“ In ihrer Stimme lag ein Hauch Verzweiflung. „Sie sollen das ja auch nicht zum normalen Tarif machen“, entfuhr es ihr unabsichtlich.

„Hör zu, Taylor Edwards“, antwortete Kobayashi bedächtig. „Ich war Chief Petty Officer bei der Navy und bin jetzt im Ruhestand. Die Pension ist recht ordentlich und ich habe es eigentlich nicht nötig, den Red Dragon zu betreiben. Aber eine Aufgabe braucht der Mensch …“ Er machte eine kurze Pause. „… und wer rastet der rostet. Außerdem kann ich so einen Teil meiner Erfahrung weitergeben.“

„Ja genau“, platzte es aus Taylor heraus, „zum Beispiel an mich!“ Sofort hielt sie sich erschrocken die Hand vor den Mund.

„Mist!“

Doch ihre erfrischende Offenheit zauberte ein kleines Lächeln auf Kobayashis Gesicht.

„Du scheinst es ja wirklich ernst zu meinen und dein Ziel direkt anzusteuern. Aber ist dir überhaupt klar, wie lange es dauert, bis du auch nur den achten Kyu erreichst, regelmäßiges Training vorausgesetzt?“ Er zog fragend seine Augenbrauen nach oben.

„Keine Ahnung.“ Taylor machte ein verzweifeltes Gesicht. „Aber bis dahin ist es wahrscheinlich eh zu spät.“

„Und du bist dir wirklich sicher, dass du mit deinem Problem nicht zur Polizei gehen kannst?“, meinte Kobayashi nachdenklich. Denn er ahnte instinktiv, dass die junge Frau wahrscheinlich in ernsthaften Schwierigkeiten steckte.

„Ja, völlig sicher“, antwortete sie. „Sie sollen mir doch nur in einer Art Crash-Kurs beibringen, wie ich mich verteidigen kann. Bitte, bitte!“ Taylor setzte ihr bezauberndstes Lächeln auf.

„Vor vierzig Jahren wäre ich genau darauf hereingefallen“, sinnierte Kobayashi. „Aber heute bin ich ein alter Mann und da musst du mir etwas anbieten. Etwas, das mir zeigt, wie wichtig dir das ist.“

Taylor blickte nachdenklich zu Boden. Was könnte sie im Gegenzug anbieten? Sie beobachtete ein paar Wollmäuse, die von einem Windzug, der durch das offene Fenster hereinfuhr, durch den Raum geweht wurden und hinter den schweißverklebten Schlagkissen verschwanden. Der ganze Club wirkte irgendwie schmuddelig.

„Okay“, begann sie mutig. Ihre plötzliche Eingebung hatte sie ein bisschen vorlaut gemacht. „Offensichtlich scheint sich ja Ihre Putzfrau im Dauerurlaub zu befinden und da habe ich mir gedacht, dass ich den Red Dragon gründlich auf Vordermann bringe.“

Kobayashi lächelte unverbindlich, während er Taylor von oben bis unten musterte. Putzen schien nicht gerade die Lieblingsbeschäftigung der jungen Frau zu sein. Und um so mehr wertete es ihr Angebot auf.

„Einverstanden!“

„Danke, danke, danke“, strahlte Taylor. Nur mit Mühe widerstand sie der Versuchung, Kobayashi zu umarmen. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und dann bis morgen.“

„Nicht so schnell, junge Dame“, hielt er sie zurück. „Dein Training beginnt jetzt und hier.“

„Ehrlich?“ Taylor konnte es kaum fassen. Damit hatte sie nun nicht mehr gerechnet.

„Leider muss ich deine Euphorie etwas dämpfen, denn wir beginnen mit einem kleinen Test“, klärte Kobayashi sie auf. „Solltest du den nicht bestehen, dann ersparst du mir viel Zeit und dir eine herbe Enttäuschung.“

„Ein Test, was für ein Test?“, fragte Taylor überrascht. Auf einen Test war sie nun wirklich nicht vorbereitet. Doch sie hatte nicht vor, sich davon ins Bockshorn jagen zu lassen.

„Bitte entschuldigen Sie, könnte ich mich ganz kurz auf Ihren Mordanschlag vorbereiten?“

Nein, ein Rückzieher kam überhaupt nicht in Frage.

„Die Grundlage sämtlicher Techniken ist die Schnelligkeit“, begann Kobayashi. „Ob Jäger oder Gejagter, letztendlich gewinnt immer der Schnellere. Ist die Gazelle schneller, so entkommt sie dem Löwen und seine Kraft verpufft in der Savanne. Und gelingt es dir, deinen Finger in das Auge eines Angreifers zu stoßen, dann wird er dir keine Klinge mehr an den Hals legen können.“

Taylor nickte wie eine gelehrige Schülerin.

„Und nun strecke deine Hände vor, die Handflächen nach unten.“ Kobayashi stellte sich direkt vor sie und hielt seine Hände nur wenige Zentimeter von ihren entfernt. „Ich werde nun versuchen auf deine Hände zu schlagen, während du versuchst den Schlägen auszuweichen. Hast du das soweit verstanden?“

„Ja, verstanden“, bestätigte Taylor nervös. Das wurde jetzt bestimmt ihr Waterloo. Dass sie auch nur die geringste Chance hatte, gegen Kobayashi zu gewinnen, konnte sie sich nicht im Entferntesten vorstellen. Doch sie wollte es zumindest versuchen. „Es kann losgehen!“

Den ersten Schlag nahm sie überhaupt nicht wahr, denn er schien in Lichtgeschwindigkeit ausgeführt worden zu sein. Sie spürte nur das höllische Brennen auf ihren Händen, während sie in Kobayashis unbewegtes Gesicht blickte.

Nach zehn Minuten fühlten sich ihre Finger an, als wären sie von mittelalterlichen Folterwerkzeugen malträtiert worden, während eine einsame Träne über ihre Wange rann. Das hatte sie wohl gründlich verkackt! Doch schließlich schaffte sie es wenigstens ein einziges Mal, dass seine Finger um Haaresbreite an ihren vorbeirauschten.

„Das sollte für heute genügen“, stellte Kobayashi fest. „Wir sehen uns morgen, pünktlich zehn Uhr.“

„Und was heißt das jetzt?“, presste sie mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor. Taylor war völlig durchgeschwitzt, ihre Knie zitterten und ihr Gesicht hatte die Farbe von frisch gebrühtem Hummer angenommen.

„Das heißt“, Kobayashi grinste ein wenig, „dass du hier noch einen Reinigungsjob zu erledigen hast.“

Das konnte doch nicht wahr sein! Ihr Lehrer wollte überhaupt nicht wissen, wie schnell sie war. Er wollte wissen, ob sie durchhielt.

„Na dann machen Sie sich auf etwas gefasst, Chief Petty Officer Kobayashi!“

Die Schlächterin - Auferstehung

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