Читать книгу Die Schlächterin - Auferstehung - J.S. Ranket - Страница 9
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ОглавлениеEs war bereits weit nach Mitternacht, als Taylor erschöpft ins Bett sank. An eine erneute Suche nach Tanner im Netz war überhaupt nicht zu denken. Doch der Red Dragon glänzte jetzt an allen Ecken und Enden. Die schwarzen Streifen, die die Sportschuhe auf dem ausgeblichenen Fußbodenbelag hinterlassen hatten, fielen allesamt einer aggressiven Scheuermilch zum Opfer und die Schlagkissen dufteten zitronenfrisch. Das Einzige, das Taylor jetzt noch von einem erfolgreichen Start als Kampfsportschülerin abhalten konnte, war das dumpfe Pulsieren in ihren Händen.
Zum Glück entdeckte sie auf dem Heimweg einen kleinen chinesischen Kramladen, der doch tatsächlich um diese späte Stunde noch geöffnet hatte. Die mürrische Besitzerin verschwand fast in dem Dunst, den dutzende Räucherstäbchen verströmten, und schien nicht wirklich am Verkauf ihrer Artikel interessiert zu sein. Wahrscheinlich war ihr einfach nur langweilig oder sie hatte ein Schlafproblem. Auch verstand sie nicht so recht, was Taylor, die durch die vollgestopften Regale schlich, eigentlich wollte. Aber das wusste sie nach einigen Atemzügen selbst nicht mehr.
Schließlich fand sie sich mit einer geheimnisvollen Dose in der Hand auf der Straße wieder. Die Paste im Inneren roch irgendwie medizinisch und hatte eine so merkwürdige Konsistenz, dass man lieber nicht mit ihr in Kontakt kommen wollte. Doch viel schlimmer konnte es eigentlich nicht werden.
Probehalber strich sich Taylor einen erbsengroßen Klecks auf den Handrücken. Zuerst passierte gar nichts. Doch schon als sie an ihrer Haustür angelangt war, wichen die glühenden Nadelstiche einem erträglichen Brennen. Schnell verteilte sie eine großzügige Portion auf ihren Händen. Vielleicht konnte sie ja doch etwas Schlaf finden.
Aber immer wieder schreckte Taylor hoch. Sie durchlebte erneut ihre Hölle in Vancouver. Den Pfeil, der aus Logans Rücken ragte, und die Männer, die sie über die Wiese vor dem Blockhaus schleiften. Und schließlich den Käfig!
„Achtung, das Experiment beginnt in drei … zwei … eins …“
Doch plötzlich schien sie ihren eigenen Körper zu verlassen, denn sie sah sich selbst wie in einem dieser seltsamen Psycho-Filme. Nur dass ihr Folterknecht diesmal Tanner war und die Taylor auf der Traum-Leinwand ein enges Lederdress und eine Riesenwumme trug. Genau wie die Girls aus Sucker Punch.
Schlagartig wechselte das Bild.
Eine ganze Armee kleiner, quietschender Puppen drängte sich ängstlich schutzsuchend hinter ihrem Rücken an die Wand in dem kurzen Gang des Lagerhauses. Und sie zielte mit der Kanone auf einen ihrer Wächter, der in Handschellen auf dem Boden kniete und sich jetzt ebenfalls in Tanner verwandelte. Ihr Mund öffnete sich zu einem stummen Monolog und der Kerl auf dem Boden begann zu betteln.
Dann explodierte sein Kopf.
Die schwammige Masse des zerfetzten Gehirns spritze in Zeitlupe auf die Wand dahinter, während sich die niedlichen Münder der Puppenarmee zu grässlichen Vampirmäulern verzogen. Mit blutunterlaufenen Augen stürzten sie sich in einer Woge auf den Leichnam. Es wimmelte wie in einem Becken voller Piranhas, dann waren die gefräßigen Kleinen wie von Zauberhand verschwunden. Auf dem nackten Betonboden blieb nichts als ein kalkweißes Skelett zurück.
„Ach du heilige Scheiße!“
An Schlaf war jetzt wirklich nicht mehr zu denken, zumal bereits ein blasser Streifen am Horizont den heraufziehenden Morgen ankündigte. Taylor rieb sich die Augen. Nach einem solchen Alptraum wirkt Kaffee ja eher kontraproduktiv, doch nachdem sie in Gedanken Tanners Kopf pulverisiert hatte, verspürte sie eine so überwältigende Befriedigung, als würde ihr die ganze Welt gehören.
„Dann hältst du die dunkle Macht in deinen Händen!“
Kurz fragte sie sich, ob mit ihr irgendetwas nicht ganz in Ordnung war. Denn die Ermordung ihres Freundes Logan sollte sie doch zumindest ein bisschen traurig stimmen. Doch statt herumzuheulen, empfand sie nichts als Wut. Wut auf die Männer, die ihr Leben so gründlich umgekrempelt hatten. Vielleicht war aber auch etwas von Amanda auf sie übergesprungen und machte sich jetzt in ihr breit wie ein Virus. Mit ihren nebulösen Voraussagen hatte ihre Mentorin bis jetzt auf jeden Fall recht gehabt.
Taylor wischte mit einer energischen Handbewegung die trüben Gedanken beiseite. Sie tapste zum Küchentresen und aktivierte die Kaffeemaschine. Dann steuerte sie ihr Badezimmer an. Nach einer langen Dusche würde sie sich sicher wie neu geboren fühlen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass ihre Hände nicht mehr schmerzten. Okay, feuerrot waren sie immer noch, doch sie konnte sie wieder halbwegs normal bewegen.
Was, zum Teufel, war wohl in dieser seltsamen Paste?