Читать книгу Goethes bunter Elefant - Jules van der Ley - Страница 14
Im Wohnzimmer keucht was
ОглавлениеQuatsch! So regelmäßig keucht kein Mensch, beruhige ich mich, als aus dem Dunkel des Wohnzimmers ein anhaltendes, heiseres Keuchen ertönte. Zudem, wer nächtens in dein Wohnzimmer eingedrungen wäre und etwas Unrechtes im Sinn hätte, würde jedes Keuchen vermeiden, also leise verstohlen atmen, um niemanden zu warnen. Vor allem, ergänzte ich, müsste er ja über die Außenwand durch das offene Fenster in die erste Etage geklettert sein, bräuchte also körperliche Fitness und einer, der sich derlei Kletterkünste zutraut, wäre keiner, der derart keuchen müsste.
Der Vorsichtige wandte ein: „Und wenn das Wesen im Wohnzimmer völlig durchtrieben ist, bei Kräften und voll böser Absichten und würde einfach keuchen, um dich einzuschüchtern, wohl wissend, dass der Furchtsame kaum in der Lage ist, sich angemessen zu verteidigen?“
„Wie könnte er oder es denn ahnen, dass hier ein Hasenfuß lebt?“, entgegnete mein Widerspruchsgeist. „Genauso gut könnte ich einer sein, der den Stier bei den Hörnern packt, in jeder Sekunde also ins Wohnzimmer stürmen und mit den Worten: ‚Ich gebe dir gleich einen Grund zu keuchen!‘ der ganzen Keucherei ein gewaltsames Ende bereiten.“
„Da hat’s einen Widerspruch“, sprach der Klugscheißer, „wer Keuchen beenden will, sollte tunlichst kein neues Keuchen hervorrufen.“
„Diese ganze Diskussion ist doch müßig und hilft nicht weiter“, sagte ich, „es sei denn, ihr wolltet den Urheber des Keuchens totquatschen. Dieses Unterfangen jedoch könnte scheitern, wenn nämlich der Keucher über größere Vitalität verfügen würde als ich. Dann wäre ich längst verröchelt, er aber nicht und könnte weiter keuchen noch über mein Grab hinaus.“
„Da erhebt sich die Frage, was überhaupt daran verwerflich ist, im Wohnzimmer zu keuchen, zumal es ein offenes, ehrliches Zeichen ist. Seht her, ich bin zwar verbotener Weise in eine fremde Wohnung eingedrungen, aber das einzige, was ich hier will, ist in Ruhe eine Runde zu keuchen“, warf das übersteigerte Gerechtigkeitsempfinden ein.
„Hier ist Nichtkeucher!“, rufe ich ungeduldig, „und wenns ein Igel wäre.“
„Igel keuchen nicht, sie schnaufen!“, weiß der Biologe.
„Ich würde noch gerne über das Regelmaß des Keuchens nachdenken“, sagte der Bedachtsame. „Kaum zu glauben, dass ein Lebewesen dermaßen keuchen könnte, jedenfalls keines diesseits von Beteigeuze. Es klingt wie die Äußerung einer Maschine, wobei dann noch zu klären wäre, ob wir es mit einer analogen oder einer digitalen Lautäußerung zu tun haben.“
„Wo läge denn der Unterschied, wenn mans nicht hört?“, fragte der Zweifler.
Der wäre gewaltig. Denn das erste digitale Keuchen wäre ja völlig identisch mit allen folgenden, und weil es aus elektronischen Zuständen gemacht wäre, bestünde es quasi aus nichts, wäre aber beliebig oft zu reproduzieren. Jeder digitale Keucher wäre also eine exakte Kopie von nichts. Ein analoges Keuchen, etwa hervorgebracht von einer Keuchmaschine, hingegen wäre durchaus als einzelne Äußerung anzusehen. Jeder Keucher ein Original.“
„Alles müßige Spekulationen!“, rief der Neugierige, der nachgesehen hatte, „Es keucht das Dampfbügeleisen!“