Читать книгу Goethes bunter Elefant - Jules van der Ley - Страница 21
Die Lampen der Galaktischen Registratur
ОглавлениеStöhnend betritt der alte Mann am Stock die Bäckerei. „Ich war zur Blutabnahme und zur Physiotherapie und bin total kaputt“, sagt er der rundlichen Bäckereifachverkäuferin, indem er an der Theke entlang humpelt. Nachdem er sich ächzend gesetzt hat, bringt sie ihm den Kaffee an den Tisch. Ich bin froh, nach meinem letzten Schluck Kaffee aufbrechen zu können, denn sein Ächzen geht weiter. Entweder will er die akustische Oberhoheit über den Raum und gibt ständig Töne von sich, wie der Hund das Bein hebt, um sein Revier zu markieren, oder er merkt es gar nicht mehr.
In den Jahren, bevor ich nach Hannover zog, war ich von einer schwierigen Beziehung in die nächste getaumelt. In dieser Zeit hörte ich mich oft seufzen. Wann immer ich meine Küche betrat, seufzte ich. Ich nannte die Küche „meine Seufzer-ecke.“ Es war mir unangenehm, dass ich seufzte, aber konnte nichts dagegen tun, denn es kam über mich wie Niesen. Eventuell ist Seufzen, Ächzen und Stöhnen tatsächlich zu den unwillkürlichen Lebensäußerungen zu zählen und hat eine Entlastungsfunktion wie Weinen. Garantiert werden dabei ebenfalls Glückshormone freigesetzt, die helfen, eine harte Lebenssituation leichter zu ertragen. Denn im Laufe der Evolution sollte der Mensch doch Strategien entwickelt habe, sein Leid besser zu ertragen. In der Metaphorik des irdischen Jammertals ist ein schier unendlicher Treck der Menschheit unterwegs, und über dem Straucheln, Stolpern und sich Voranschleppen hängt ein Seufzen, Stöhnen, Ächzen, dass das Tal schier davon überquillt. Und in der galaktischen Regis-tratur fangen sie all den Jammer ein, wandeln ihn in Energie um und betreiben ihre Lampen damit.
Übrigens muss ich schon eine Weile nicht mehr seufzen. Während mein früherer Jammer reichte, ein Büro der Registratur zu bestrahlen, dass die beiden Unterbeamten darin sich mit Sonnenbrillen schützen mussten, klagen sie heute über zu wenig Licht und zünden Kerzen an. Befragt, woran es liegt, sagen sie übereinstimmend: „Die Lampen gingen aus, seit der Mann keine Beziehung mehr hat.“