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Ein einfaches und ein normales Brötchen

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Um 8:00 Uhr musste ich mich zu einer Routineuntersuchung bereits in der Praxis meiner Ärztin einfinden, durfte wegen der anstehenden Blutabnahme vorher nichts essen, trat nach dem Gespräch mit Frau Doktor wie runderneuert wieder vor die Tür und fuhr bei der Bäckerei vorbei, um mir zwei Brötchen zum späten Frühstück zu holen. Die Bäckereifachverkäuferin fragte nach meinem Begehr.

„Ich hätte gerne ein normales und ein einfaches Brötchen.“

Sie hielt ratlos inne. „Ein Normales und ein Einfaches?“

„Äh, ich korrigiere: Ein Normales und ein Mohnbrötchen.“

Bitte, ich hatte Blut gelassen und noch keinen Kaffee getrunken. Aber eigentlich bot ich der Bäckereifachverkäuferin in meiner Schusseligkeit ein feines Kõan, mit dessen Hilfe sie zum erstrebenswerten Zustand der Erleuchtung hätte finden können. „Das ist doch kein Kõan“, wird mancher sagen, der sich ein bisschen mit Zen-Buddhismus auskennt. Was ich gesagt hätte, wäre mit Logik aufzulösen. Ein „einfaches Brötchen“ ist gleichbedeutend mit einem „normalen Brötchen“, das lernt jede Bäckereifachverkäuferin im ersten Lehrjahr. Aber vermutlich war die Frau nur eine angelernte Hilfskraft, denn sonst hätte sie selbstbewusst beide Forderungen als Synonym verstanden und hätte mir zwei normale vulgo einfache Brötchen eingepackt. Da meine Forderung für sie widersprüchlich war und eine unlösbare Frage im Sinne des Zen-Buddhismus aufwarf, hätte sie an diesem Morgen durch mein Kõan zur Erleuchtung kommen können, genauso als hätte ich gefragt: „Wie klingt das Klatschen einer Hand? Sprich, sprich!“ und hätte sie mit einem Stock bedroht.

Natürlich wäre zu diskutieren, ob es überhaupt wünschenswert ist, dass eine 400-Euro-Hilfskraft zur Erleuchtung kommt. Würde sie dann nicht erstaunt aufblicken hinter ihrer Bäckereitheke und sich fragen: „Was mache ich hier eigentlich? Hat meine gute Mutter mich geboren und liebevoll an ihrer Brust genährt, damit ich für einen Hungerlohn Bleche mit tiefgefrorenen Brötchenrohlingen aus China in den Backautomaten schiebe?“ Würde eine derartige Erleuchtung ihr nicht die Arbeit unmöglich machen und ihr Los erschweren?

Das glaube ich nicht, denn im Zustand der Erleuchtung würde sie das hinter die Bäckereitheke Geworfensein leicht ertragen. Selbst indem sie mit der Hand in den Plastikhandschuh schlüpft, um eine Backware aus der Auslage zu nehmen, würde sie das Wesen der Dinge erkennen und eins werden mit ihrem Tun. Zen wäre für sie eine Sorte geistiges Valium. Ich hätte ihr geholfen wie ein guter Arzt. Sie hätte aufhören können, an sich selbst zu leiden, wie es die meisten von uns tun.

Schade, dass die Frau durch mich nicht erleuchtet wurde. Es fehlte vermutlich der Stock. Aber ginge ich absichtsvoll in Bäckereien, um unlösbare Fragen zu stellen und dabei mit drohend erhobenem Stock: „Sprich, sprich!“ zu rufen, ich fürchte, meine lieben Damen und Herren, dann würde man mich bald aus dem Verkehr ziehen. Also ist von mir leiderleider keine Erleuchtung zu erwarten.

Goethes bunter Elefant

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