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Kapitel 20

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Justus

Einige Monate zuvor.

Es geschah auf der Vorabiparty. Er wusste es einfach; nie zuvor in seinem Leben war er sich einer Sache sicherer gewesen. Kriemhild liebte ihn. Und weil ihre Gefühle so machtvoll waren, wusste sie nicht, wie sie sie kontrollieren, geschweige denn äußern sollte.

Den ganzen Abend über stand sie mit Sara und den anderen Mädels an der Tanzfläche. Immer wieder trafen ihre Blicke auf ihn, schüchterne Blicke. Er lächelte zurück, sie kicherte. Ihr Anblick ließ sein Herz höherschlagen. An jenem Abend sah sie besonders entzückend aus. Der kurze Rock, das schwarze, enganliegende Oberteil, die roten Haare zu zwei langen Zöpfen geflochten. Er konnte seine Augen nicht von ihr lassen. Immer wieder musste er an ihre erste Begegnung zurückdenken, als sie ihn vor der Klasse gerettet hatte.

Langsam schob er sich durch die tanzende Menge zu ihr, das Bierglas in der Hand, um sich Mut anzutrinken. Er wollte stark sein, für sie. Damit sie sich endlich ihre Gefühle eingestand. Noch am selben Abend würde er ihr sagen, dass er ihre Liebe erwiderte.

„Hallo, Mädels.“ Er ging in die Offensive.

Sie drehten sich kichernd weg. Kriemhild hatte ihre Freundinnen vermutlich eingeweiht. Sie alle wollten die Romanze hautnah miterleben.

„Hast du Lust mit mir zu tanzen, Kriemhild?“, fragte er geradeheraus.

Sie flüsterte Sara etwas zu, sicher ein süßes Geheimnis. Dann nickte sie und folgte seiner Aufforderung. Sara rollte mit den Augen. Doch das interessierte ihn nicht. Er sah nur sie. Kriemhild hatte seinen Tanz angenommen und das machte ihn zum glücklichsten Menschen auf der ganzen Party.

Erst tanzten sie weit auseinander, jeder für sich. Dann ging er näher ran, drücke sie unwillkürlich in die Menge, bis sie so nah an seinem Körper tanzte, dass er ihren Atem auf seiner Haut spürte. Sie hatte schon etwas getrunken; ihr Blick war glasig. Er sah sie an und bewunderte, wie ihr perfekter Körper sich zur Musik bewegte. Justus legte seine Arme um ihre Taille. Sie schob ihn weg; vermutlich ging ihr das zu schnell. Er lächelte und flüsterte in ihr Ohr. „Verstehe, Schätzchen.“

Sie rief ein lautes „Was?“ in die dröhnende Musik. Seine Kopfbewegung lud sie ein, ihm zu folgen. Draußen vor der Halle wären sie ungestört.

Es war eine sternklare Nacht. Silbriges Licht legte sich wie ein Schleier auf Kriemhilds blasse Haut. Wenn er sie erst geküsst hätte, würde sie das Feuer seiner Liebe verstehen. Er würde ihre Zurückhaltung keinen Tag länger ertragen.

„Puh, da drinnen tanzt der Bär!“ Sie lachte. Er stellte sich direkt vor sie und schob sie gegen die Betonwand der Halle. Ihr Geruch betörte ihn.

„Was willst du, Justus? Was soll das hier?“

Wieder suchten seine Hände nach ihrer Taille.

„Warum quälst du mich, Kriemhild?“, fragte er und seine Augen brannten. „Es ist an der Zeit, mit den Spielchen aufzuhören, Schätzchen. Meinst du nicht auch?“

Sie versuchte, seine Hände fortzuschieben, doch er ließ es nicht zu. Sie tat das, um sicherzugehen, dass er sie wirklich fest im Arm hielt. Justus wusste, wie sie tickte.

„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst! Und jetzt nimm deine Hände da weg, Justus!“

„Nein, ich halte dich. Glaub es ruhig. Du hast es verdient, dass ich dir meine Liebe gestehe. Hab keine Angst. Ich weiß doch längst, was du fühlst.“

Er kam näher, drückte seinen Körper gegen ihren und küsste ihren Hals. Sie stieß ihn zurück.

Bist du bescheuert? Lass mich los!“

„Komm schon! Gib endlich zu, dass du mich liebst! Ich werde dich vor deinen Freundinnen nicht blamieren, versprochen.“

Er nahm ihren Kopf in seine Hände und küsste ihre Wangen, die weichen Lippen. Daraufhin trat sie mit voller Wucht gegen sein Schienbein. Ihre Leidenschaft entflammte ihn noch stärker. Als er nicht von ihr abließ, biss Kriemhild ihm auf die Lippe. Das war zu viel!

„Autsch!“, schrie er und wich einen Schritt zurück.

„Bist du total durch geknallt, Justus?“ Ihre Augen blitzten wütend. „Was soll der Mist? Mach das nie wieder, verstanden?“

Sie fuhr sich angeekelt mit dem Handrücken über den Mund. Kriemhild wollte an ihm vorbei, zurück in die Halle, doch er hielt sie am Arm fest.

Du hast mich gebissen!“ „Und? Du hast mich geküsst! Jetzt lass mich los, oder ich schreie.“

Er stieß sie zurück an die Hallenwand. Sie schlug um sich, doch er war stärker.

„Du wirst mich nie wieder beißen, verstanden? Das tut man nicht, wenn man sich liebt.“

Ich liebe dich aber nicht!

Ihre Worte verhallten ungehört im Wind. Er weigerte sich, sie zu hören, oder ihnen zu glauben. Vielleicht war Frank hinter ihr her? Vielleicht drohte er ihr, sich nicht auf Justus einzulassen? Wie schrecklich! Voller Zärtlichkeit strich er eine Haarsträhne aus ihrer Stirn. Ihre roten Haare hatten sich in seinen Kopf gebrannt.

„Ruhig, mein Schätzchen. Ich tu dir nichts. Was auch immer Frank gesagt hat, glaub ihm nicht. Er kann uns nichts verbieten.“

Dann küsste er ihre Stirn und die glühenden Wangen. Sie riss sich los und schlug ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Er schrie auf.

„Entweder hast du zu viel getrunken, oder du bist krank, Justus!“

Sie rannte so schnell, dass er ihren Arm nicht mehr zu packen bekam. Hatte sie ihn tatsächlich krank genannt? Seine Miene versteinerte. Er war nicht krank. Sein Vater, ja, der war krank. Aber er nicht! Das würde er nicht auf sich sitzen lassen! Wie konnte sie ihn mit ihm vergleichen!

In der Schule ging sie ihm aus dem Weg. Sie war nie mehr allein unterwegs. Justus saß oft in seinem Wagen und beobachtete sie, wenn sie das Haus verließ. Da war kein anderer Junge. Es gab niemanden. Wieso also gestand sie sich nicht ein, dass sie ihn liebte? Er verstand die Welt nicht mehr.

Dann endlich stand sie eines Abends allein an der Bushaltestelle. Es war dunkel. Das war der Moment, auf den er gewartet hatte. Er stieg aus und ging zu ihr. Fast würde er sagen, dass sie erschrak, als sie ihn kommen sah. Justus lachte. Wieso sollte sie sich vor ihm fürchten? Sie waren doch beinahe ein Paar!

„Hallo, Kriemhild. Habe ich dich erschreckt? Das wollte ich nicht.“

„Was willst du? Lass mich in Ruhe!“

Ihre Bissigkeit kam daher, weil er versagt hatte. Er musste seinen Mann stehen, das spürte er. Sie wollte erobert werden.

„Tut mir leid, dass wir uns neulich auf der Party missverstanden haben. Ich weiß jetzt, was du willst.”

Missverstanden? Was war denn daran misszuverstehen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Das habe ich auch nicht verstanden. Du siehst übrigens umwerfend aus.“

Seine Augen glänzten. Er kam näher und wollte ihr Haar berühren. Sich wich zurück.

„Justus, zieh Leine! Es reicht, kapier endlich, dass ich nichts von dir will!“

„Weißt du, was ich will? Ich will dich! Jeden Tag, jede Nacht will ich bei dir sein. Mein Wagen steht da drüben. Soll ich dich irgendwo hinfahren? Du könntest das Fahrtgeld sparen.“ Sie wich noch einen Schritt zurück. Seine Anwesenheit machte sie nervös, und das ließ sein Herz höherschlagen.

„Nein, danke! Ich bevorzuge den Bus!“

Das war sein Moment. Er musste sie davon überzeugen, wie ernst es ihm war. Sicher glaubte sie eher seinen Taten als seinen Worten. Justus sprang sie an. Sie fiel rücklings auf den Bürgersteig und schrie. Er lag auf ihr und küsste sie überall. Sie musste doch endlich verstehen, dass er sie liebte!

„Siehst du, es ist mir ernst! Sag, dass du mich auch willst! Sag es!“

Er bemerkte den Bus, der fast da war, seufzte, sprang auf und lief zu seinem Wagen.

Kriemhild blieb zurück. Sie tat ihm leid. Vermutlich hatte er sie verletzt. Wie gern hätte er sie mitgenommen. Er sah noch, wie der Busfahrer ausstieg und sie fragte, ob sie Hilfe brauche. Dann gab er Gas.

Zwei Tage später hatte er eine Vorladung von der Polizei in seinem Briefkasten. Justus verstand gar nichts mehr.

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