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Kapitel 24

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Kriemhild

„Sag mal, hast du Lust, mit Kelly, Jen und mir ein bisschen abzuhängen? Wir wollen ins Judy’s. Das ist die Location für angesagte Musik und coole Drinks. Mein Dad sagt, weil ich heute so gut mitgearbeitet habe, gibt er mir ein extra Trinkgeld. Erwähnte ich schon, dass er mich dafür bezahlt, dass ich in der Pension aushelfe? Sozusagen als Ferienjob. Ist ‘ne ganz gute Sache. Nur das Bettenbeziehen ist ganz schön eklig, sag ich dir. Was die Leute so alles liegen lassen … vielleicht sollte ich mal ein paar Bilder davon bei Facebook posten. Dann könnten alle abstimmen und die zehn ekligsten Shots nominieren. Was sagst du dazu? Kate? Hörst du mir überhaupt zu?“ Brooke textete und textete, ohne auch nur einmal Luft zu holen. Kriemhild hatte nach dem dritten Satz abgeschaltet. Ihre Freundin rollte mit den Augen. „Ich fragte eben, ob du mit zum Mond fliegst.“ „Klar, warum nicht?“ Enttäuscht schlug sie Kriemhild auf die Schulter.

„Du hast mir gar nicht zugehört! Was ist los mit dir? Als wir uns kennenlernten, warst du alles andere als so ‘ne Schlaftablette!“

„Tut mir leid, Brooke. Ich war gerade woanders mit meinen Gedanken. Wohin wolltest du mit Kelly?“

Brooke startete einen neuen Monolog und Kriemhild riss sich wirklich zusammen, um ihr zu folgen. Woran hatte sie gedacht, als ihre Freundin ihre Abwesenheit bemerkte? Die Sache mit Samuel entwickelte sich langsam zu einem ernsthaften Problem.

„… Also, Kate, bist du dabei?“

„Sicher. Wann geht’s los?“

Erst in dem Moment bemerkte sie das Handy an Brookes Ohr. Ihre Freundin starrte sie mit aufgerissenen Augen an und schrie euphorisch in die Muschel.

„Kelly! Kate ist dabei! Sie wagt sich tatsächlich nochmal auf die Beachparty! Wer hätte das gedacht?“

„Sie wagt sich wo hin?“ Kriemhild traute ihren Ohren nicht.

„Kelly? Ich rufe dich später zurück, okay?“ Ein Piepen beendete das Gespräch. „Und du sagst mir jetzt, was mit dir los ist, klar, Süße?“

„Das wüsste ich auch gern, Brooke. Tut mir leid. Ich bin entsetzlich müde. Am besten, wir reden morgen.“

Kriemhild hauchte ihr einen Kuss auf und verabschiedete sich.

Ihr Leben nahm eine unkontrollierbare Wende und die machte ihr Angst. Keine Angst im Sinne von Justus-Angst. Vielleicht positiver, weniger bedrohlich.

Sie lief über den Strand zurück nach Hause und schaute sich immer wieder um. Das Gefühl, jemand – oder der etwas – würde ihr folgen, verließ sie nicht. Doch Kriemhild sah niemanden. Ihre Schläfen pochten und ihr Kopf fühlte sich an, als würde jemand darin stecken. Doch das war unmöglich. Trotzdem war er bei ihr. Samuel. Eine unsichtbare, schmerzende Gegenwart.

Die Tatsache, dass er sie mied schmerzte. Seine Abwesenheit in den Dünen schmerzte. Ein quälender Schmerz, der sie den ganzen Tag über begleitete.

In der Ferne erkannte sie das Haus der Gilberts. Kriemhild lächelte dankbar, als ein vierbeiniger Freund ihr entgegenlief, um ihr beizustehen. Er stupste sie mit seiner feuchten Nase an und bellte, stellte immer wieder die Ohren auf und blickte in die Dünen. Kriemhild klopfte seine Flanke und streichelte das seidige Fell.

„Du vermisst ihn auch, nicht wahr, Jacob?“

Kurz vor Sonnenuntergang verließ sie noch einmal die Veranda und setzte sich hinab an den Strand. Die Abendstimmungen über dem Meer hatten in Falmouth etwas Mystisches. Kriemhild genoss die Stille, das leise Rauschen der Wellen. Jacob lag drinnen friedlich in seinem Korb und ließ sich von Margret die Ohren kraulen.

Die weichen Wogen spülten feinen Sand über Kriemhilds bloße Füße. Möwen hockten einbeinig dösend im Schlick. Sie schaute auf den Horizont, der pastellfarben und Goldgelb erstrahlte.

Merkwürdig, zum ersten Mal – seit dreizehn Jahren – hatte Kriemhild das Gefühl, mit dem Meer versöhnt zu sein. Sie hasste es nicht; stattdessen wirkte es seltsam vertraut. Friedlich.

Dann stand jemand neben ihr. Völlig lautlos war er herangetreten, ohne, dass sie es bemerkt hatte. Sie blickte auf und ein Kribbeln ging durch ihre Glieder; es war Samuel. Er sah müde aus und irgendwie erschöpft. Im Dämmerlicht waren seine Augen fast schwarz. Lächelnd schaute er zu ihr hinab.

„Darf ich?“

Ohne auf eine Antwort zu warten, setzte er sich an ihre Seite in die Wellen. Er schaute auf den Horizont wie sie zuvor. Die Begegnung mit ihm traf Kriemhild völlig unvorbereitet. Nie hätte sie mit ihm gerechnet, nicht zu dem Zeitpunkt und nicht auf solche Weise.

„Was tust du hier?“, fragte sie überrascht. Er zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß, ich sollte nicht hier sein. Aber ich habe es nicht länger ausgehalten.“

„Was meinst du? Ausgehalten?“

„Ich bin hier, weil ich den Eindruck hatte, du wolltest mir etwas sagen.“

Sein Blick blieb starr auf den Horizont gerichtet und Samuels Art fesselte Kriemhild. Er war so zurückhaltend und drängte sich ihr gleichzeitig auf angenehme Weise auf.

„Dir etwas sagen? Ja, vielleicht wollte ich das.“

„Dann tu es. Mir bleibt nicht viel Zeit.“

Die Sonne versank im Westen. Obwohl ihre Schultern sich nicht berührten, spürte Kriemhild seine Wärme auf ihrer Haut.

„Weißt du, Sam, ich wollte mich schon die ganze Zeit über bei dir bedanken. Für das, was du am Pier getan hast.“

„Es gibt Dinge, die muss man nicht aussprechen. Du hast mir deinen Dank erwiesen, indem du meine Familie ertragen hast.“

„Dass du mich gerettet hast, Samuel … würde mich weniger verwirren, wenn ich wüsste, dass du es aus reinem Pflichtbewusstsein getan hast.“

Er lachte leise.

„Da muss ich dich enttäuschen. Die Sache mit den Rettungsschwimmern hatte nichts damit zu tun.“

„Dann hast du es getan … weil?“

Endlich drehte er den Kopf herum und schaute Kriemhild an. Ihre Blicke verschmolzen miteinander und sie war fest entschlossen, ihnen standzuhalten. Samuel nahm eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und legte sie hinter ihr Ohr. Seine Berührung elektrisierte sie wie tausend brennende Nadeln.

„Kriemhild, es ist besser, wenn du den Grund nicht erfährst. Wenn das alles war, was du zu sagen hattest, dann muss ich jetzt gehen.“

Er stand auf und wandte sich ab. Ihr Herz pochte.

„Samuel?“

Ein letztes Mal sah er sie an und beinahe hätte ihre Stimme versagt.

„Ich … habe in den Dünen nach dir gesucht.“

„Ich weiß.“ Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, dann verschwand er. Doch etwas ließ er in ihr zurück. Etwas, das tief in ihr keimte. Tausend Worte hätten es nicht eingefangen.

Kriemhild erwachte und schrak hoch. Draußen herrschte finstere Nacht, nur die Sterne leuchteten über dem Ozean. Leises Wellenrauschen war alles, was zu hören war. Ein Windhauch bewegte den schweren Vorhang am Fenster. Irritiert fuhr Kriemhild sich durch die Haare. Erst am selben Abend war ihr der Hund am Strand entgegengelaufen, auf dem Rückweg von Brooke. Gleich darauf hatte sie Onkel John und Tante Margret eine gute Nacht gewünscht und war schlafen gegangen.

Konnte es möglich sein, dass die Begegnung mit Samuel nur ein Traum gewesen war?

Noch immer spürte Kriemhild das Kribbeln an der Wange, dort, wo er ihr die Haarsträhne hinters Ohr gelegt hatte. Noch immer spürte sie seine Anwesenheit. So nahe, dass es ihr vorkam, als stände er direkt neben ihrem Bett. Das war unmöglich! Sie schaltete das Licht ein und schaute auf die Uhr. Kurz nach zwei. Etwas brannte in ihr und es fühlte sich an wie der Schmerz, den eine Feuerqualle auf der Haut hinterließ. Wie Sehnsucht nach etwas, oder jemandem. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, würde sie meinen, sie hätte sich in Samuel verliebt. Am Strand. Aber das alles war nie passiert.

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