Читать книгу Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht - Julia Fritz - Страница 13
2.3 Standortbestimmung: Französisch und Spanisch am Ende der Sekundarstufe I
ОглавлениеDer Blick auf die bildungspolitischen Rahmenbedingungen der Fremdsprachen Französisch und Spanisch sowie auf die Entwicklung ihrer Lernerkontingente erlaubt eine erste Standortbestimmung der beiden Fächer. Es kann festgehalten werden, dass die Obligatorik und die Vorverlegung der zweiten Fremdsprache mit einem Beginn ab Klasse 5 bzw. 6 am Gymnasium insgesamt zu einer Stärkung des Französisch- und Spanischunterrichts geführt haben, sodass mitnichten von einer Krise die Rede sein kann. Die insgesamt steigenden Lernerzahlen für beide Sprachen zeichnen ein überwiegend positives Bild.
Neben dem Englischen, das unverändert und unangefochten die stärkste Position unter den fremdsprachlichen Fächern einnimmt, scheinen Französisch und Spanisch jedoch nur schwer zu bestehen. Trotz der Modifikation des Hamburger Abkommens 1971, nach welcher alle lebendigen Fremdsprachen als erste Fremdsprache denkbar und möglich wären, verstetigt sich die Dominanz des Englischen als lingua franca. Die Tatsache, dass nur an einer Schulform, dem Gymnasium, überhaupt zwei Fremdsprachen verbindlich gelernt werden müssen, befördert diese Dominanz zusätzlich und sorgt für eine große Konkurrenz unter den übrigen Schulfremdsprachen (vgl. Bär 2017:89).
Während sich dieses ungleiche Kräfteverhältnis in der Sekundarstufe I noch weniger bemerkbar macht und die Lernerzahlen in den vergangenen Jahren hier insgesamt relativ stabil geblieben sind, muss für die gymnasiale Oberstufe konstatiert werden, dass die bestehenden Wahl- und Abwahlmöglichkeiten vor allem in der Sekundarstufe II zu einem erheblichen Einbruch der Belegzahlen führen. Dies betrifft Französisch und Spanisch gleichermaßen, sodass Bär (ebd.: 93) gar von „einem langsamen (aber ziemlich sicheren) Aussterben der zweiten Fremdsprache(n) in der gymnasialen Oberstufe“ spricht. So zeigt u.a. das Beispiel Hessen, dass nur diejenigen SchülerInnen in der Sekundarstufe II (Qualifikationsphase) eine zweite Fremdsprache belegen müssen, die keine zweite Naturwissenschaft oder Informatik wählen. Dabei muss diese zweite Fremdsprache nicht der entsprechen, die in der Sekundarstufe I gelernt wurde. Auch eine neu einsetzende Fremdsprache kann in der Jahrgangsstufe 11 hinzugenommen werden (vgl. Martinez 2005:65f.), was vor allem ein Argument für Lernende mit schlechteren Leistungen in der bisherigen zweiten Fremdsprache bilden dürfte.
Als ein wesentlicher Faktor zur Erklärung der hohen Abwahlraten – Hessen steht an dieser Stelle stellvertretend für eine bundesweit verbreitete Praxis – müssen daher die fächerbezogenen Kombinationsmöglichkeiten in der Oberstufe herangezogen werden. Die Fortführung eines Faches ist eng an die bislang erzielten sowie die in der Sekundarstufe II zu erwartenden Leistungen, und damit vor allem Noten geknüpft. Im Zweifel bedeutet eine schlechte Note am Ende der Klasse 10 bzw. 11 im Fach Französisch oder Spanisch also auch das Ende für das Erlernen dieser Fremdsprachen – unabhängig davon, ob das fachliche Interesse möglicherweise höher ist als an den alternativ zur Wahl stehenden Naturwissenschaften oder einer neuen Fremdsprache. Auch Überlegungen im Zuge der Diskussion um die Rückkehr von G8 zu G9, dass „in der gymnasialen Oberstufe ggf. nicht mehr zwei Fremdsprachen von den Schülerinnen und Schülern belegt werden müssen, sofern die Pflichtzeit bereits im Sekundarbereich I erfüllt worden ist“ (Bär 2017:91), schwächen die Position der zweiten Fremdsprachen Französisch und Spanisch und erschweren deren Weiterlernen zusätzlich.
Obwohl die Regelung, zwei moderne Fremdsprachen bis zum Abitur zu belegen, längst sprachenpolitische Realität an deutschen Schulen sein könnte, besteht in vielen Bundesländern nach wie vor die Möglichkeit fort, auch ohne zweite Fremdsprache in der Oberstufe das Abitur abzulegen. Mit der Begründung, die Anforderungen in der gymnasialen Oberstufe senken zu wollen, schaffte zuletzt das Bundesland Sachsen die verpflichtende zweite Fremdsprache ab (vgl. SMK 2018). Und wenngleich von offizieller Seite gerne die breite Öffentlichkeit oder der Eltern- bzw. Schülerwille für derlei Entscheidungen angeführt werden (vgl. Christ 1991:104; Meißner 1997:14), können die politischen Entscheidungsträger hier nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Dennoch darf die Suche nach einem Ausweg aus den rückläufigen Lernerzahlen nicht bei der Begründung durch ausschließlich externe Faktoren aufhören.
Vor diesem Hintergrund scheint es umso wichtiger, neben den vorgegebenen Fächerkombinationen auch die unterrichtlichen Bedingungszusammenhänge als Ursache für das hohe Abwahlverhalten in den Blick zu nehmen. Auch wenn für das Fach Spanisch bislang keine empirischen Studien vorliegen, sei an dieser Stelle u.a. auf die Untersuchung von Bittner (2003) verwiesen: Im Rahmen der quantitativen Fragebogenstudie gaben die befragten OberstufenschülerInnen schlechte Zensuren, den Schwierigkeitsgrad des Faches sowie Kritik an der Unterrichtsgestaltung als häufigste Gründe für die Abwahl des Französischen an. Diese Faktoren können als unterrichtsimmanent eingeordnet werden und sind insofern veränderbar. Als Desiderat seiner Untersuchung leitet Bittner den Bedarf und die Notwendigkeit ab, durch Anschlussstudien „weitere Zusammenhänge zwischen der Unterrichtsgestaltung und dem Wahl- bzw. Abwahlverhalten“ (ebd.: 352) in den Blick zu nehmen. Nur so sind letztlich entsprechende Ansätze abzuleiten, die einer Fortführung der romanischen (zweiten) Fremdsprachen den Weg bereiten. Denn „[a]nders als Fächer aus dem Bereich der Obligatorik wie Mathematik oder Englisch müssen der Französisch- wie auch der Spanischunterricht in besonderer Weise immer wieder ihre Lerner gewinnen“ (Meißner 2011:62).
Eng verbunden mit den Erklärungsversuchen für das Abwahlverhalten ist die Frage, was SchülerInnen über das Lernen der Fremdsprachen Französisch und Spanisch denken. So verfolgt das nachstehende Kapitel das Ziel, einen Überblick über vorliegende Studien zu geben, die die Perspektive der SchülerInnen auf (Fremdsprachen‑)Unterricht und Fremdsprachenlernen untersuchen.