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3. Fremdsprachenlernen aus Schülersicht: Ein Forschungsüberblick
ОглавлениеDas Interesse an der Fragestellung, wie SchülerInnen fremde Sprachen lernen, ist keineswegs neu. Eingeleitet durch die kognitive Wende und eine zunehmende Lernerzentrierung in den 1980er Jahren (vgl. Bausch et al. 1982) richtet sich der Blick von nun an stärker auf das Individuum und die in ihm ablaufenden Prozesse beim (Sprachen‑)Lernen. Subjektorientierte Forschungsansätze werden intensiviert (vgl. u.a. House 1998; Vollmer 1998). Dennoch wissen wir verhältnismäßig wenig darüber, was SchülerInnen über ihren Fremdsprachenunterricht denken. Während in der allgemeinen Pädagogik in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Publikationen zum Thema „Schule und Unterricht aus Schülersicht“ entstanden1, bleibt das Potenzial entsprechender Fragestellungen in der Fremdsprachendidaktik noch weitgehend ungenutzt, sodass Trautmann (2014:78) pointiert: „Trotz vielfacher Berufung auf die Tradition der Lernerorientierung gibt es bisher nur wenige Untersuchungen zur Binnensicht von Lernenden.“
Arbeiten, deren Erkenntnisinteresse sich auf die Erforschung der Schülersicht richtet, liegen – sowohl in der pädagogischen als auch fremdsprachendidaktischen Forschung – zum Teil sehr unterschiedliche Konzeptionen zugrunde. Je nach Fachdisziplin und Forschungstradition variiert dabei stark, auf welchen theoretischen Annahmen und empirischen Zugriffen die gewonnenen Erkenntnisse jeweils beruhen. Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, stärker zu differenzieren, worauf Aussagen über die Schülersicht im Einzelnen beruhen, sowie transparent zu machen, zu welchem Zweck diese erhoben wird.
Kaum eine Studie thematisiert, was im Einzelnen unter der „Sicht“ oder „Perspektive“ der Lernenden verstanden wird. Diese Termini werden – sicher nicht zuletzt aufgrund ihrer weiten Verbreitung im Alltag – als selbstverständlich angenommen und als bekannt vorausgesetzt, sodass die dahinterliegenden theoretischen Annahmen nicht hinterfragt werden und man vergeblich nach entsprechenden Definitionen oder Konzeptualisierungen sucht. Auch Walter und Walter machen diese begriffliche Vagheit zum Gegenstand der Diskussion, wenn sie fragen, was genau wir durch die Ergebnisse entsprechender Forschungsarbeiten über die Schülersicht eigentlich erfahren:
Ist es Schülerwissen über Lehrpersonen und Unterricht, das auf Beobachtungen beruht? Sind es (affektiv bestimmte) Einstellungen oder Vorurteile? Sind die entsprechenden Aussagen der Schülerinnen und Schüler von nur teilweise bewussten Motiven gesteuert? Oder artikulieren sich in ihnen rational begründete Urteile oder sorgfältig abgewogene Intentionen? (Walter & Walter 2014:70)
Eine wichtige Grundlage auf dem Weg zu einer begrifflichen Annäherung bietet Fromm, der unter der subjektiven Sicht von Lernenden „die Gesamtheit der Beziehungen, die Schüler zwischen ihren Erfahrungen (oder Wahrnehmungen) herstellen“ (1987:3) fasst. Durch den Terminus „Wahrnehmung“ wird vor allem der individuelle und subjektive Charakter hervorgehoben, der dem Begriff „Sicht“ – oder auch „Perspektive“ – inhärent ist. Demnach geht es weniger um die Frage, ob die Schüleräußerungen auf Beobachtungen beruhen, rational begründet sind oder ob es sich um (affektiv bestimmte) Einstellungen oder Vorurteile handelt (s.o.). Zentral für das Verständnis der Sichtweisen von SchülerInnen sind ihre Erfahrungen bzw. die Wahrnehmung aller in Bezug auf Schule und Unterricht für sie relevanten Merkmale.