Читать книгу Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht - Julia Fritz - Страница 20
3.2.2 Unterrichts- und Lerninhalte
ОглавлениеWerden SchülerInnen nach ihrer Meinung zu gutem Unterricht befragt, beziehen sich ihre Äußerungen eher selten auf Lerninhalte (vgl. u.a. Bocka 2003:71). Nur wenn diese für die Lernenden besonders ansprechend sind und sich von den sonstigen, eher rezipierenden Unterrichtsaktivitäten unterscheiden, werden explizit Aussagen dazu getroffen (vgl. Hildebrand-Nilshon 1980:54). Lerninhalte scheinen insgesamt weniger wichtig als die Lehrperson und deren Unterrichtsmethoden. Inhalte und die Auseinandersetzung mit diesen werden im Rahmen der Untersuchung von Hagstedt (1980:28) in den Aussagen der Lernenden als „weiße Flecken“ regelrecht ausgeklammert, sodass der Autor gar von „einer demonstrierten Gleichgültigkeit gegenüber dem Lerngegenstand“ spricht. Dabei liegt die Vernachlässigung des Lerngegenstandes in der Schülerperspektive für Hagstedt vor allem in dem häufigen Wechsel der Unterrichtsinhalte begründet. Die Methoden, Umgangs- und Präsentationsformen, die Art und Weise, wie jemand unterrichtet, hingegen seien sehr viel beständiger als die Themen im Unterricht. Während SchülerInnen bei Desinteresse oder Langeweile in Bezug auf die Inhalte abschalten können, falle es ihnen sehr viel schwerer, sich den unterrichtsmethodischen Entscheidungen ihrer Lehrkräfte zu entziehen. Außerdem unterscheide sich die Bedeutung der Unterrichtsinhalte dahingehend, dass aus der Sicht der Lernenden die Auswahl der Themen und Materialien Sache der Lehrenden sei und sie sich dafür nicht zuständig fühlen. Die Unterrichtsplanung und ‑durchführung sei für die Lehrenden sehr viel präsenter als für die Lernenden. Sie sind in ständiger Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand, wohingegen die SchülerInnen ggf. nur punktuell bei der Erarbeitung und Aneignung aktiv werden (vgl. ebd.: 30f.).
Bocka (2003:135) begründet das weitgehende Fehlen von Schüleräußerungen zu den Unterrichtsinhalten u.a. damit, dass diese von den Lernenden als überwiegend langweilig, zu abstrakt, schwer und theoretisch wahrgenommen werden, wobei der Fremdsprachenunterricht in fächerübergreifenden Untersuchungen als positive Ausnahme erscheint, Sprachkenntnisse und landeskundliche Themen hingegen bei den SchülerInnen als interessant und nützlich gelten, sofern diese abwechslungsreich vermittelt werden (vgl. ebd.: 136; Huth & Schröder 1992:24). Eine Ursache für sinkendes Interesse an den Inhalten ist die fehlende Freude am Lernen; nimmt diese ab, steigt die Gleichgültigkeit gegenüber den Lerninhalten (vgl. Nölle 1993:171). Mädchen äußern sich insgesamt etwas positiver. Sie haben mehr Freude und finden den Unterricht interessanter als ihre männlichen Altersgenossen: „Fast ein Viertel der Jungen, aber nur 14,3 % der Mädchen bringen zum Ausdruck, dass ihnen die Schule keinen Spaß macht.“ (Czerwenka et al. 1990:198) Dementsprechend schätzen die Mädchen sich selbst auch als aufmerksamer ein und bringen eine größere Bereitschaft auf, „den Wert und Nutzen dessen, was sie im Unterricht alles lernen, zu akzeptieren“ (Haecker & Werres 1983:61).
Auch in anderen Studien kritisieren die befragten SchülerInnen an den Inhalten vorwiegend, dass diese uninteressant seien. Die Menge der Themen, die als unbrauchbar oder unnütz für das gegenwärtige und spätere Leben eingeschätzt wird, sei zu hoch (vgl. u.a. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982; Haecker & Werres 1983; Haselbeck 1999; Denner et al. 2002). Da die Inhalte den Bedürfnissen der Lernenden häufig nicht gerecht würden, wünschen sie sich einen stärkeren Praxisbezug sowie transparente, alltagsnahe, lebensrelevante Themen, die sich auf die Bewältigung des Alltags- und künftigen Berufslebens vorbereiten.1 Allerdings bleibt dieser Wunsch zumeist unspezifisch, da keine konkreten Äußerungen dazu getroffen werden, was interessant für sie ist. Aus der insgesamt zu großen Stoffmenge resultiert häufig Überlastung und Überforderung, wobei die SchülerInnen in Fächern, denen sie eine große Lernrelevanz zuschreiben, wie Mathematik oder Deutsch, schwierige Inhalte und ungeeignete Methoden eher hinzunehmen scheinen (vgl. Haselbeck 1999:77f.).
Neben einer Stoffreduzierung und Konzentrierung auf das Wesentliche plädieren die Lernenden für größere Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten bei der Auswahl der Themen (vgl. Fichten 1993:28f.; Haselbeck 1999:104ff.). Um den Unterricht aufzulockern, sollte außerdem eine größere Flexibilität im Umgang mit dem vorgeschriebenen Curriculum ermöglicht werden (vgl. Bocka 2003:135ff.). Die Auswahl der schulisch verordneten Themen empfinden die Lernenden als willkürlich und ungerecht, was aus ihrer Sicht dazu führe, dass diejenigen SchülerInnen, „deren besondere Interessen zufällig mit den angebotenen Inhalten übereinstimmen“ (Huth & Schröder 1992:24), bevorzugt würden. Dennoch scheint es, als ob das Problem der Langeweile und der Wunsch nach Abwechslung „mehr ein Methodenproblem als ein Inhaltsproblem“ (Bocka 2003:138) darstellen.