Читать книгу Bildband Fernweh Deutschland. Naturparadiese direkt vor der Haustür erleben. Natur pur genießen. - Julia Schattauer - Страница 5

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Das Wattenmeer

Bei jedem Schritt macht der Schlick unter den nackten Füßen ein schmatzendes Geräusch. Es ist ungewohnt, den nassen Meeresboden an den Fußsohlen zu spüren, aber es fühlt sich gut an. Dazu zaust der Wind die Haare, der Blick ist abwechselnd zum weiten Horizont gerichtet oder auf das Watt auf der Suche nach Würmern – so geht Wattwandern, die beste Möglichkeit, das einmalige Naturwunder im Norden kennenzulernen. Auch wenn das Watt auf den ersten Blick karg wirkt, es ist der bedeutendste Naturraum in Deutschland und das vogelreichste Gebiet Europas.


BLÜTENMEER Für Farbe im Wattenmeer sorgt der Seelavendel.


GOLDSCHIMMER Im Herbst scheinen die Salzwiesen golden.

NATURWUNDER IM GROSSFORMAT

Das Wattenmeer liegt im südöstlichen Teil der Nordsee in der sogenannten Deutschen Bucht. Es erstreckt sich vom niederländischen Den Helder entlang der deutschen Küste bis nach Dänemark. Im deutschen Teil des Wattenmeers sind drei Nationalparks ausgewiesen. Der 1985 gegründete Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer ist der älteste. Es folgten der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und der Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer. Der Großteil des Wattenmeers zählt heute zum UNESCO-Weltnaturerbe. Gemeinsam mit Wattgebieten in den Niederlanden und Dänemark umfasst das Wattenmeer knapp 11 500 Quadratkilometer und ist damit das größte seiner Art weltweit. Beeindruckende Fakten, die sich an der Küste noch großartiger anfühlen, als es die nackten Zahlen erahnen lassen.

MEHR ALS NUR SCHLICK

Zum Ökosystem gehört nicht nur das eigentliche Watt, auch Salzwiesen, Dünen, Strände und Geestkliffs gestalten den vielfältigen Lebensraum. Tiere und Pflanzen haben sich an die speziellen Bedingungen angepasst. Das Spiel der Gezeiten ist dabei einem Sechsstundentakt unterworfen. Bei Ebbe zieht sich das Meer zurück und hinterlässt den Meeresgrund als feuchtes Watt, während bei Flut das Wasser bis auf die Salzwiesen vordringt. Das Wattenmeer ist die Heimat vieler Tierarten, nicht nur der an den sandigen Hinterlassenschaften erkennbaren Wattwürmer. So tummeln sich unzählige Seehunde an der Nordseeküste, die sich am besten beim Faulenzen auf den Sandbänken beobachten lassen. Von Mai bis September gebären sie hier ihre Jungen, die Heuler. Sogar Schweinswale leben in der Nordsee. Die größten Chancen auf eine Schweinswalbegegnung besteht im Frühjahr. Zwischen März und Mai lassen sich die Tiere häufig blicken. Zahlenmäßig beanspruchen aber definitiv die Vögel die Spitzenposition an der Nordsee. Für sie ist das Watt ein großes All-you-can-eat-Buffet. Die Spezialisierung auf Wattwürmer sieht man einigen von ihnen sogar an. Vögel wie der Große Brachvogel oder der Rotschenkel sind an den langen dünnen Schnäbeln zu erkennen, mit denen sie die Würmer problemlos aus den Sandröhren ziehen. Neben Hunderttausenden einheimischer Brutpaare legen hier jedes Jahr mehr als zehn Millionen Zugvögel Station ein, um sich für die Weiterreise zu stärken.


LEERE Ebbe auf Langeneß ist Essenszeit für Vögel.

DAS WATT HAUTNAH ERLEBEN

Wer die Zeiten von Ebbe und Flut im Auge behält und sich vorher genau informiert, kann das Wattenmeer auf eigene Faust erkunden. Sicherer und unterhaltsamer laufen aber die Wanderungen mit geschulten Wattführern ab. Beim Ausgraben von Wattwürmern und Muscheln oder beim Erkennen der vorbeifliegenden Vögel erfährt man spielerisch viel Wissenswertes über das Leben rund ums Watt. Also Hosen hochkrempeln, Schuhe aus und ab in den Schlick!

DIE HALLIGEN

Wer von Abgeschiedenheit und dem Leben in der Natur träumt, der ist auf den Halligen richtig. Die nicht oder nur wenig geschützten Marschinseln liegen nur ein paar Meter über dem Meeresspiegel und werden regelmäßig bei Sturmfluten überschwemmt. Der Dichter Theodor Storm (1817-1888) nannte die Halligen »Schwimmende Träume«. Auch bei Besuchern ist die Faszination für die Ruhe und Ursprünglichkeit ungebrochen. Wenn die Tagesausflügler von den Nachbarinseln kommen, kann es mit der Stille kurzzeitig vorbei sein. Wer die Ruhe wirklich erleben will, bleibt länger und bekommt dann, wenn alle Kurzurlauber die Inseln verlassen haben, einen authentischen Eindruck vom Alltag auf den Halligen.


TIERISCH Auf der Hallig sind Schafe die Wegbegleiter.


EINSAMKEIT Weite und Ruhe sind das Kapital der Hallig.

WIND UND WETTER

Für die Bewohner der Halligen ist das Leben hier nicht immer nur Idyll. Rund 300 Menschen verteilen sich auf fünf der zehn besiedelten Inselchen – Hooge, Langeneß, Oland, Gröde und Nordstrandischmoor. Inmitten der See sind sie ständig Wind und Wetter ausgesetzt. Dass es außer dem Regenwasser keine Süßwasserquellen auf den Inseln gibt, hat die Fauna und Flora maßgeblich beeinflusst. Hier gedeihen Strandwermut, Halligflieder, Portulak-Keilmende und die zartrosafarbene Strandaster. Da kaum Landwirtschaft möglich ist, waren Viehhaltung und Fischerei früher die einzigen Möglichkeiten zum Überleben. Heute arbeiten die Halligbewohner vorwiegend für den Küstenschutz oder im Tourismus. Die Hallighäuser stehen auf sogenannten Warften, künstlichen Erdhügeln. Bei »Land unter« ragen nur noch diese kleinen Hügel mit den Wohnhäusern aus dem Wasser. Die Menschen haben sich an die Abgeschiedenheit gewöhnt. Man arrangiert sich damit. Der Zusammenhalt untereinander ist groß, außerdem gibt es stets Vorräte im Haus, falls man wieder von der Außenwelt abgeschnitten ist. Vielleicht wirken die Halligbewohner deshalb eine Spur entspannter als andere Menschen? Wenn alle Wiesen überflutet sind, wird Tee aufgesetzt und gewartet. Das Motto »Abwarten und Tee trinken« kann nur hier erfunden worden sein.

Fremde in der Nacht

Eine einmalige Erfahrung ist eine Nachtwanderung auf Langeneß. Auf den Halligen herrscht noch echte und tiefe Dunkelheit, die es im lichtverschmutzten Europa fast nirgendwo noch so zu erleben gibt. An der Wasserkante nehmen die Besucher bei Dunkelheit die Geräusche von Wind und Meer auf ganz besonders intensive Weise wahr.

www.schutzstation-wattenmeer.de


ÜBERSCHWEMMT Von mühsamer Landwirtschaft lebt heute kaum noch jemand.

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