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London, im späten Frühling des Jahres n+1
ОглавлениеIn meiner kleinen, bescheidenen Welt tat ich nach unserem Malta-Urlaub den unglaublichen Schritt und schickte Jan eine Freundschaftseinladung auf Facebook. Ich weiß! Wie konnte ich mich nur soweit aus dem Fenster lehnen? Mir war die Absurdität meiner Gedankenabfolge völlig bewusst, aber ich hielt meine Facebook-Präsenz strikt privat.
Als Jan die Anfrage annahm, bestätigte sich meine Annahme, dass sein Geburtstag nur wenige Tage zurücklag. Ich musste schmunzeln, als ich das Datum sah, denn so wie viele meiner engen Freunde ordnete er sich einem Sternzeichen mit Hörnern zu. Nachdem ich selbst ein Steinbock und mir dadurch durchaus bewusst war, wie stur unsere Rasse manchmal sein konnte, wusste ich bereits jetzt, welch ein Charakter da meinen Weg gekreuzt hatte.
Nichtsdestotrotz verschwendete ich keine Sekunde und hatte schon das Nachrichtenfeld geöffnet. Meine Sätze waren kurz und prägnant und redeten nicht um den heißen Brei herum. Ich gratulierte ihm nachträglich zum Geburtstag und vermeldete gleichzeitig, dass ich die Woche, in der er zum Management Meeting in London sein würde, leider nicht vor Ort sondern bei einer Konferenz in Kopenhagen sein würde. Ansonsten hätten wir gerne einen After-work-Drink nehmen und auf seinen Geburtstag anstoßen können. Bam! Ich blickte vom Laptop hoch, grinste und drückte, überrascht über mich selbst, auf ‚Senden‘. Und - man glaubte es kaum - es tat mir nicht weh, nicht im Geringsten. Im Gegenteil – was hatte ich davon? Richtig! Alsbald eine Antwort von Jan, die in einem kurzen Chat endete. Na bitte! Er schien sich offensichtlich sehr über meine nachgereichten Glückwünsche zu freuen. Ein „Schade, dass wir uns nächste Woche nicht sehen werden!“ seinerseits beendete unsere Konversation. Verdammt! Am liebsten hätte ich meinen Kopenhagen-Aufenthalt abgesagt.
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Als ich einige Tage später ins Büro zurückkehrte und mich wieder heimisch einrichtete, meinte plötzlich eine Kollegin: „Jan hat letzte Woche nach dir gefragt. Jeden Tag kam er an und fragte uns, wo du bist.“ Von weiter hinten im Raum meldete sich ein anderer Kollege zu Wort: „Ja, wir mussten ihm klar machen, dass es Teil deines Jobs ist, auch mal nicht hier zu sein.“ Wieder von weiter vorne: „Ja, er war sehr hartnäckig und schien enttäuscht, dich nicht anzutreffen.“ Fragezeichen bildeten sich über meinem Kopf. Erstens – warum wusste Jan nicht, dass ich nicht da war, wir hatten doch darüber geschrieben? Ich hatte ihm sogar meinen Platz als vorübergehenden Arbeitsplatz angeboten. Zweitens – warum zum Teufel suchte er nach mir – drei Tage hintereinander?!? Und bei drittens schüttelte ich innerlich bereits den Kopf. Warum machte er es so auffällig und fragte auch noch täglich nach? Keine Ahnung, warum ich nicht wollte, dass die Kollegen etwas mitbekamen. Mir war es unangenehm. Aber was war es? Was genau wollte ich verbergen?
Ich stiefelte zurück an meinen Platz und beließ es dabei. Erst ein paar Tage später, als ich Jan auf Facebook online sah, eröffnete ich die Konversation mit einem Scherz. „Hast du mich letzte Woche vermisst? Immerhin hast du täglich bei den Kollegen nachgefragt, wo ich bin!“ Die schlagfertige Antwort kam sofort: „Woher sollte ich wissen, dass du nicht da bist? Ich wollte gern unseren traditionellen Kaffee mit dir trinken.“ Jan hatte offensichtlich tatsächlich keine Ahnung, dass ich bei einer Messe in Dänemark gewesen war. Ich machte ihn auf unsere vorherige Konversation aufmerksam und scherzte noch, dass wir uns offensichtlich mündlich besser verstanden als schriftlich und das, obwohl ich Österreicherin war. Mehr war nicht nötig. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich es ihm immer schon im Blick ansehen, wenn er wieder zum ‚Angriff‘ anhob; wobei Jan mich darauf hinwies, mich ‚nicht zu verstehen‘, weil Österreichisch kein ‚richtiges‘ Deutsch war. Der werte Herr verstand bestens, was ich so alles von mir gab, es war nur eine weitere Möglichkeit mich aufzuziehen. Und ich liebte es!
Lange Rede, kurzer Sinn - wir einigten uns darauf, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt haben musste. „Zugegeben, ich hätte auch im Firmenkalender nachsehen können, ob du da bist. Nachdem du sehr viel unterwegs zu sein scheinst, werde ich das von jetzt an machen. Dann kann mit unserer Kaffeepause nichts mehr schiefgehen!“ Er fügte noch ein Lachgesicht an. Schwups! Und schon war er wieder offline. Das war’s. Mein Blick aber blieb an ‚unserer Kaffeepause‘ hängen. Es gefiel mir, dass wir offensichtlich jetzt etwas hatten, das uns gehörte...
Ich starrte weiter auf den Bildschirm und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Warum wollte er mich denn sehen? Drei Tage hintereinander? Es ehrte mich auf eine seltsame Art und Weise, weil es bestätigte, dass wir uns in Noordwijk tatsächlich sehr gut verstanden hatten. Trotzdem, irgendwie beunruhigte es mich auch. Meine Gedanken schweiften wieder zu meinem bevorstehenenden ‚Wanderurlaub‘, wie ich meine Geschäftsreise nach Stavanger inzwischen nannte, unserem Aufenthalt in einer privaten Unterkunft und ebenfalls zu meinem Gespräch mit Babsi auf Malta. Der Typ war mir nicht unsympathisch, ganz im Gegenteil, aber was, wenn er das bisschen Flirten falsch verstand? Beziehungsweise sollte ich mir die Frage stellen, flirteten wir überhaupt?