Читать книгу Blutige Nordlichter - Julia Susanne Yovanna Brühl - Страница 11
Оглавление4.) August 2000 in einem Randbezirk von Oslo
Die „Gräfin“ war außer sich! Sie schleuderte nun schon die vierte teure Porzellantasse mit Schwung auf den bereits mit Scherben übersäten Küchenboden. Ja, natürlich war es schade um die schönen und vor allem teuren Tassen, doch es war die beste Methode um ihrer Wut Herr zu werden.
Hinter ihr stand mit eiserner Miene und verschränkten Armen eine schlaksige blonde Frau, die der „Gräfin“ wie aus dem Gesicht geschnitten war. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, als ihre Mutter das Geschirr mit Schwung auf dem Boden zerdepperte. Sie kannte diese heftigen Reaktionen bereits und ließ sich dadurch nicht mehr verunsichern.
Ihr Entschluss stand fest. Sie würde den Mann heiraten, den sie erwählt hatte, auch gegen den Willen der herumtobenden „Gräfin“. Und sie würde ihre Hochzeit genauso wenig bereuen, wie ihre gerade geäußerte Aussage, dass sie dann eben auf ihr Erbe verzichten und ohne den Segen ihrer Mutter heiraten würde. Damit hatte die mit Klunkern besetzte Lady mit dem – mittlerweile verschmierten – rot bemalten Lippen nicht gerechnet:
dass man mit Geld definitiv nicht alles erreichen konnte!
Was nun genau der Auslöser für die Porzellanzerdepperei auf dem Küchenboden war – die Widerspenstigkeit ihrer Tochter, den falschen Mann zu heiraten,
oder die Erkenntnis, keinerlei Macht über deren Entscheidung zu haben – war völlig unwesentlich.
Fazit war, dass diese Furie jegliche Haltung verloren hatte und das letzte Restchen Tochterliebe, das die Blonde mit dem Pferdeschwanz noch irgendwo in ihrem Herzen für sie empfunden haben mochte, soeben mit einer handbemalten Meißener Porzellantasse in tausend Stücke zersprungen war.
Die Tochter der „Gräfin“ warf einen letzten Blick auf den Scherbenhaufen zu ihren Füßen, ließ ihre Augen nach oben zu der wutverzerrten Fratze mit verrutschter Perücke wandern, drehte sich auf dem Absatz um und ging.
Mit weit ausholenden, schnellen Schritten und ohne einen Abschiedsgruß an ihre ungeliebte Erzeugerin, die gerade eine der etwas massiveren Teekannen in die Hand genommen hatte und zum Wurf ausholte, ging sie fort.
Als sie am Porträt ihres Vaters vorbeikam, hielt sie kurz an und schaute zu seinem gutmütig auf sie herabblickenden Gesicht auf. Sie verabschiedete sich im Stillen von ihm und bedauerte zum wohl einhundertsten Mal, dass er und nicht die tobende Alte in der Küche viel zu früh an Herzversagen verstorben war. Sie schämte sich auch heute nicht für diesen Gedanken.
Im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte sie ihren Vater vergöttert.
Dann verließ sie die Villa mit stolz wiegenden Hüften auf Nimmerwiedersehen.
Die Gräfin hatte sich so in Rage gewütet, dass es einen Moment dauerte, bis sie bemerkte, dass sie alleine gelassen worden war.
Sie hatte gerade eine mit balzenden Pfauen verzierte Zuckerdose in der erhobenen Rechten, als ihr auffiel, dass es verdächtig ruhig im Zimmer geworden war. Sie hielt verblüfft inne, drehte sich dann um und gewahrte überrascht, dass sie mit der Zerstörung dieses einzigartigen Kunstwerkes niemanden beeindrucken würde.
Sie zögerte kurz und stellte das Gefäß dann vorsichtig wieder an seinen Platz zurück.
Nachdenklich geworden, schob sie mit den Schuhen die Scherben ein wenig zusammen. Schade um das schöne Porzellan.
Nun war sie weg, ihre nichtsnutzige Tochter, dabei hatte sie bis eben noch einen Funken Hoffnung gehabt, dass sie zur Vernunft kommen würde!
Dass man auf ihren Taugenichts von Sohn nichts geben konnte, war ihr bereits vor Jahren klar geworden, als dieser ihr verkündet hatte, er wollte Florist werden.
„Florist?“, hatte sie entgeistert wiederholt. „Was soll denn das sein?“ Sie hatte damals bereits Schlimmes geahnt.
„Na Gärtner“, hatte er stolz verkündet. „Mutter, ich werde Gärtner und bitte dich um eine kleine finanzielle Hilfe, damit ich meine eigene Gärtnerei eröffnen kann!“
Die Gräfin war ausgerastet. Ähnlich wie heute, mit dem Unterschied, dass sie damals noch weicher gewesen war und ihr Sohn letzten Endes, nach langem Hin und Her, doch bekam worum er gebeten hatte.
Aber die Hoffnung, dass aus ihm einmal ein Geschäftsmann werden würde, der das Familienerbe fortführen würde, das ihr so am Herzen lag, diese Hoffnung wurde begraben.
Zum Glück gab es noch ihren Neffen, Olaf.