Читать книгу Blutige Nordlichter - Julia Susanne Yovanna Brühl - Страница 12

Оглавление

5.) Zurück in Oslo

Die Gestalt, die aus dem Flieger stieg, wirkte ausgezehrt, daran änderte auch das eigentlich so hübsche Gesicht der jungen Frau nichts. Ihre braunen Augen schauten traurig drein und die Locken, die sich sonst immer lustig um ihren Kopf in alle Richtungen ringelten, hingen platt herunter.

Janinas Gehirn lief auf Autopilot.

Seit dem Frühstück, mit dem die liebevolle Krankenschwester sie nahezu gefüttert hatte, hatte sie nichts mehr gegessen, die Snacks im Flieger hatte sie ignoriert, ihren schmerzenden Magen bemerkte sie nicht. Sie fühlte einen viel tieferen Schmerz in ihrem Herzen.

Janina bemerkte nicht, dass sie die ganze Zeit von allen Seiten beobachtet wurde. Es entging ihr sogar das kleine Mädchen, das auf sie gezeigt hatte, als sie an der Gepäckausgabe die Rucksäcke geholt hatte. Das Kind hatte seine Mutter am Ärmel gezupft und ihr viel zu laut mitgeteilt, dass „die Frau da“ aber ganz schön traurig aussähe. „Pssst“, hatte die Mama gezischt und dabei mahnend den Zeigefinger auf die Lippen gelegt. Doch das war gar nicht nötig gewesen. Janina hätte es nicht einmal bemerkt, wenn sie von der Queen persönlich am Schalter nach ihrem Ausweis gefragt worden wäre.

Das „Drama von Lomsdal - Visten“, dem „wohl wildesten, gefährlichsten Nationalpark Norwegens“, war in aller Munde. Es gab anscheinend sogar in einem Kaff wie Mosjøen einen Journalisten, der es verstand, eine Sensation aus einem solch tragischen Ereignis zu machen. Dabei dürfte ihm dies nicht allzu schwergefallen sein. Hatte doch die verschwundene Leiche eines eigentlich topfitten Bergsteigers etwas Mysteriöses. Dieser Meinung waren auch die vielen Zeitungsleser in Norwegen. Hätte sich der Unfall in Schottland am Loch Ness und nicht hier abgespielt, hätte wohl sofort wieder jemand das Märchen von Nessie ausgegraben ...

Selbstverständlich musste erst noch ein wenig Zeit vergehen, bis Hendrik Hendriksen für tot erklärt wurde, doch inoffiziell glaubte niemand mehr daran, dass er lebendig gefunden wurde.

Die Zeitung ergötzte sich ausgiebig darüber, dass der Unfall bereits vor drei Tagen geschehen sei und der Verschwundene „ohne medizinische Versorgung und Nahrung quasi keine Überlebenschance hätte“. Ein journalistisches Highlight. Es fehlte nur noch die Verwendung des Wortes „Fischfutter“ in dem reißerischen Artikel. Doch so weit zu gehen, traute sich die örtliche Presse dann doch nicht.

Wie gut, dass Janina von alldem nichts wusste. Der Gedanke, sich eine Zeitung zu kaufen, um zu lesen was über dieses Ereignis geschrieben wurde, kam ihr gar nicht in den Sinn.

Sie hing in Gedanken irgendwo im Nationalpark zwischen der Idylle der letzten Tage mit Hendrick, ihrer Gewalttour nach Mosjøen und den ergebnislosen Ermittlungen, herum.

Da sie einen starken Widerwillen dabei verspürte, jetzt alleine in die Wohnung zu fahren, rief sie ihre ehemalige Vermieterin an, bei der sie ihr erstes Semester verbracht hatte, bevor sie mit Hendrik zusammen gezogen war. Die Nielsens waren sehr großzügige Leute, die Janina gern hatten und selbstverständlich wurde ihr sofort Unterkunft gewährt.

Sie hatte Glück, dass die Wohnung im Moment ohnehin leer stand. Sie sollte im kommenden Monat renoviert werden, erzählte Frau Nielsen ihr am Telefon. Aber bis dahin wäre sie herzlich willkommen. Leider könnte sie Janina jedoch nicht abholen, da sie wegen eines verstauchten Fußes nicht Auto fahren konnte und ihr Mann in der Arbeit sei.

Janina hörte dies alles mit Erleichterung. Für sie war es die Hauptsache, ein Dach über dem Kopf zu haben.

Die Taxifahrt würde ihr noch ein wenig Zeit geben, sich wieder zu sammeln und auf die Ankunft bei den Nielsens vorzubereiten.

Sie bedankte sich herzlich und gab eine Schätzung ab, wann sie ungefähr bei der Wohnung sein könnte. „Ich werde die Zeit nutzen, und noch einmal oben nach dem Rechten sehen!“ Frau Nielsen meinte mit „oben“ die kleine Wohnung im ersten Stock.

„Bitte machen Sie sich keine Mühe, ich bin einfach nur froh, dass ich vorerst wieder bei Ihnen einziehen darf“, erwiderte Janina, die sich sicher war, dass bei der ordentlichen Frau Nielsen alles in bester Ordnung war.

„Ach Kindchen, ich möchte doch, dass Sie es so schön, wie möglich hier haben ... ich glaube, ich werde Jan noch anrufen und bitten, dass er für heute Abend etwas vom Supermarkt mitbringt ...“ Janina musste lachen. Sie hätte fast vergessen, wie wahnsinnig fürsorglich die gute alte Frau Nielsen war. „Nein, das braucht es wirklich nicht, Frau ...“

„Keine Widerrede! Sie sind heute zum Abendessen eingeladen! Das sind Sie uns schuldig, wo wir Sie doch so spontan hier wieder aufnehmen.“

Janina konnte das Augenzwinkern in ihrer Stimme heraushören und sie gab sich geschlagen.

„Na gut, vielen Dank. Bis später dann.“

„Bis später, Janina.“

Mit dem ersten Lächeln auf dem Gesicht, seit sie hier in Oslo war, legte Janina auf. Sie wusste, dass Frau Nielsen es gut mit ihr meinte. Irgendwie schaffte es diese liebenswerte Frau aber auch immer, es nicht mit ihrer Fürsorge zu übertreiben.

Wenn ihre Untermieterin früher ihre Ruhe gewollt hatte, hatte sie diese auch immer bekommen. Dies war eine äußerst angenehme Eigenschaft der älteren Dame.

Janina schob ihre Transporthilfe, auf dem die beiden schweren Rucksäcke thronten, durch den Flughafen zu dem Parkplatz, an dem die Taxifahrer auf Kundschaft warteten. Sie wählte das erstbeste Taxi und stieg ein.

Auf der Fahrt war sie schweigsam. Ihre Gedanken drifteten in die Vergangenheit. Wie schon viele Male zuvor, durchlebte sie auch jetzt wieder die Situation, als ihr Freund hilflos einige Meter unter ihren Füßen auf dem Felsen gelegen hatte. Seine Worte hallten in ihrem Kopf. „Jani, geh und hol Hilfe. Es wird alles gut, ich komme klar, mach schon!“

Er hatte seine Augen vor Schmerz zusammengekniffen und seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Unwillkürlich schüttelte Janina den Kopf, um ihre letzte Erinnerung an Hendrik vor ihrem inneren Auge zu vertreiben.

Sämtliche Versuche des Taxifahrers, ein Gespräch zu beginnen, scheiterten. Schließlich gab er sich geschlagen und drehte stattdessen das Radio auf.

Nachdem sie die Rucksäcke mit der Hilfe des Fahrers vor die Haustüre getragen, ihn bezahlt und an der Tür geläutet hatte, ertönten unregelmäßige, leicht humpelnd klingende Schritte. Die Tür öffnete sich und zum ersten Mal seit Hendrik nicht mehr da war, wurde Janina herzlich in den Arm genommen. Sie schloss die Augen und erwiderte die innige Umarmung. Es vergingen mehrere Wimpernschläge, bis Janina die liebe alte Dame, der durch Janinas festen Griff bereits der Nacken schmerzte, losließ. Frau Nielsen fasste Janina sanft an den Schultern und hielt sie fest, sodass sie sich beide Auge in Auge gegenüber standen.

„Es ist schön, dass du wieder bei uns bist, Janina.“

Janina wurde warm ums Herz.

Sie konnte dazu nur nicken und bückte sich nach den schweren Rucksäcken, die sie mehr ins Haus schob als trug.

Frau Nielsen schloss sanft die Türe hinter ihr und hinkte ihr nach.

Herr Nielsen kam wenig später von der Arbeit nach Hause und begrüßte seinen Gast ebenfalls hocherfreut. Bald darauf hörten Herr und Frau Nielsen aufmerksam und betroffen zu, als Janina ausführlich schilderte, was ihr im Norden widerfahren war.

Die beiden boten ihr an, sie zu unterstützen, wo es ihnen nur möglich war und Janina war erleichtert, dass sie hier vorerst gut aufgehoben war.

Es war verrückt, aber die Fürsorge, mit der sich das ältere Ehepaar um sie kümmerte, war viel größer, als die, die sie jemals von ihren Eltern erwarten konnte.

An diesem Abend ging Janina spät ins Bett.

Das schlechte Gewissen, das sich bei dem Gedanken einstellte, ihre Eltern könnten zuerst über die Medien von dem Unfall erfahren, hielt sie wach. Doch sie beschloss, sich darüber keine Sorgen zu machen und verschob das Telefonieren auf später ... vielleicht morgen ... irgendwann ...

Schließlich übermannte sie die Erschöpfung und sie fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Blutige Nordlichter

Подняться наверх