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Dosierung: 0,5 mg. Dosis unverändert. Adam weigert sich immer noch zu sprechen.

22. August 2012

Bereits kurz nach meiner Diagnose war ich Experte für meine Krankheit. Ich kann jedem, der es wissen will, alle relevanten Medikamente, die neuesten Studien sowie die positiven und negativen Symptome nennen. »Positiv« und »negativ« bedeuten in diesem Kontext nicht »gut« und »schlecht«. Sie sind alle zum Kotzen.

»Positiv« bezieht sich auf Symptome, die von der Krankheit verursacht werden.

Zum Beispiel Wahnvorstellungen.

»Negativ« bezieht sich auf Symptome, die von der Krankheit reduziert werden.

Zum Beispiel Initiative und Motivation.

Die Krankheit folgt keinem klar vorgezeichneten Weg. Manche Leute haben Visionen. Manche hören Stimmen. Und andere werden einfach nur paranoid. Meiner Mom wäre es wichtig, dass ich mir jetzt kurz Zeit nehme, um über die enormen Fortschritte in der Medizin zu sprechen, die den Patienten dabei helfen, die Nebenwirkungen besser zu verkraften. Sie ist ein sehr optimistischer Mensch.

Dinge zu sehen und zu hören, die andere Menschen nicht sehen und hören, ist ziemlich genauso wie bei Harry Potter in Die Kammer des Schreckens. Da, wo er die Stimme durch die Wände hört. So ein Geheimnis für mich zu behalten gab mir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Als würde ich auf meinen Brief aus Hogwarts warten. Ich dachte anfangs, es würde etwas Magisches bedeuten.

Aber dann muss Ron diese Möglichkeit ruinieren, als er sagt, Stimmen zu hören, die sonst niemand hört, sei kein gutes Zeichen, nicht einmal in der Welt der Zauberer. Am Ende war mit Harry alles in Ordnung. Niemand schickte ihn zur Therapie oder versuchte, ihm Pillen einzutrichtern. Er durfte in einer Welt leben, in der alles, was er gehört und gesehen zu haben glaubte, vollkommen real war. Der Glückliche.

Über die Pillen kann ich mich allerdings nicht wirklich beschweren. Seit ich dieses neue Medikament nehme, geht es mir besser. Wir werden erst wissen, welchen Einfluss das Zeug auf mich hat, wenn ich eine Zeit lang die volle Dosis bekommen habe. Sie gewöhnen mich schleichend daran, aber das wissen Sie ja schon. Das ist ein Grund dafür, warum ich einmal die Woche in Ihrem Büro sitzen muss. Ihre Aufgabe ist es, eventuelle Probleme zu erkennen und den Ärzten, die die Studie leiten, davon zu berichten.

Sie haben gefragt, was ich über meine Behandlung weiß. Also erzähle ich Ihnen jetzt eben alles, was Sie ohnehin schon wissen. Das Medikament heißt ToZaPrex und laut Packungsbeilage sind unter anderem folgende Nebenwirkungen möglich: 1. Verringerung der weißen Blutkörperchen (was dazu führt, dass das Immunsystem des Körpers geschwächt wird), 2. Krampfanfälle, 3. extrem niedriger Blutdruck, 4. Schwindel, 5. Atemnot und 6. starke Kopfschmerzen.

Die Ärzte haben meiner Mutter versichert, dass die schlimmsten Nebenwirkungen nur sehr selten auftreten. Sie solle sich keine Sorgen machen. Ha. Sehr witzig. Machen Sie sich mal keine Sorgen.

Ein paar Nebenwirkungen sind bei mir bereits aufgetreten. Hauptsächlich Kopfschmerzen. Und zwar solche, die sich in dein Gehirn bohren und dort eine Weile herumwühlen, bis ihnen langweilig wird und sie dich wieder in Ruhe lassen. Ich verspüre nicht mehr den Drang, alles zu tun, was mir durch den Kopf geht, und das ist ganz nett. Aber meine Visionen sind immer noch da. Ich sehe immer noch Dinge, die ich eigentlich nicht sehen sollte. Der Unterschied ist, ich weiß jetzt, dass sie nicht echt sind.

Was genau ich sehe? Fangen wir lieber damit an, wen ich sehe. Ich sehe Rebecca. Mir ist mittlerweile klar, dass sie nicht real ist, weil sie sich nie verändert. Sie ist sehr hübsch und so groß wie eine Amazone, mit riesigen blauen Augen und langem Haar, das ihr bis zur Taille fällt. Sie ist sehr lieb und sagt nie etwas. Was Halluzinationen angeht, ist sie völlig harmlos. Ich habe sie erst ein einziges Mal weinen sehen, und zwar an dem Tag, als meine Mom von meiner Krankheit erfuhr. Als es passierte, dachte ich immer noch, Rebecca würde existieren. Ich begriff nicht, dass sie weinte, weil ich weinte.

Und nein, Rebecca ist nicht die Einzige, die ich sehe, aber über die anderen will ich nicht reden. Je mehr ich an sie denke, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie auftauchen, und sie … sie ruinieren Dinge. Sie scheinen darauf zu warten, dass sich mein Gehirn beruhigt hat. Erst dann tauchen sie auf.

Jedenfalls beginnen die Visionen normalerweise mit etwas Kleinem. Einer Bewegung, die ich aus dem Augenwinkel erhasche, oder einer Stimme, die mir bekannt vorkommt und die ich dann stundenlang höre. Und manchmal ist es nur das Gefühl, dass mich von irgendwoher jemand beobachtet. Das ist natürlich lächerlich, ich weiß. Warum sollte sich jemand die Mühe machen, ausgerechnet mich auszuspionieren? Aber trotzdem lasse ich die Jalousien herunter. Keine Ahnung, warum. Wahrscheinlich habe ich einfach ein großes Bedürfnis nach Privatsphäre. Ich würde mich gern ein einziges Mal richtig allein fühlen.

Noch vor einem Monat – bevor ich begann, ToZaPrex zu nehmen – merkte ich nicht, wann ich die Kontrolle verlor. Ich hatte ständig grundlos Angst. Alles, was ich sah, war für mich wirklich. Wenn die Halluzinationen begannen, konnte ich sie nicht mehr abstellen. Manchmal verlor ich mich stundenlang in ihnen.

Wenn mein Gehirn heute anfängt, sich danebenzubenehmen, kann ich mir seine Projektionen wenigstens wie einen Film ansehen. CGI der Spitzenklasse. Manchmal sind sie sogar richtig schön. Wie das endlose Grasmeer, aus dem sich plötzlich eine riesige Wolke bunter Schmetterlinge erhebt. Hin und wieder singen mich Stimmen in den Schlaf und jetzt, wo ich weiß, dass sie nicht real sind, habe ich auch keine Angst mehr vor ihnen. Das ist ganz nett. Es sind die Überraschungen aus heiterem Himmel, die mich wie einen Vollidioten aussehen lassen.

Nein, ich habe keine Angst vor meiner neuen Schule.

Ich habe meine neue Uniform bekommen. Weißes Polohemd, roter Wollpullunder mit dem Schulwappen und potthässliche marineblaue Bundfaltenshorts, die wie Elefantenhaut an mir herabhängen. Außerdem habe ich alles gelesen, was auf dem Lehrplan steht, also bin ich wahrscheinlich bestens vorbereitet.

Aber wissen Sie was? Ehrlich gesagt kapiere ich überhaupt nicht, wie Sie dasitzen und mein Tagebuch laut vorlesen können, um mir dann eine volle Stunde lang Fragen zu stellen, auf die ich nicht antworte. Das finde ich echt schräg. Und das will was heißen, immerhin bin ich verrückt.

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