Читать книгу Wörter an den Wänden - Julia Walton - Страница 8

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Dosierung: 1 mg. Dosis unverändert. Wirkt antagonistischer als bei den letzten Sitzungen.

12. September 2012

»Erzähl mir von deinem Vater.«

Ach, Scheiße. Das ging schnell. Nur vier Wochen und wir haben bereits die Ursache all meiner Probleme identifiziert. Das Epizentrum meines Deliriums. Den wirklichen Grund dafür, dass ich so bin, wie ich bin.

Mein Daddy hat mich verlassen.

Das wollen Sie doch hören, richtig? Dass ich emotional gestört bin, weil mein Dad keine Lust mehr darauf hatte, mein Dad zu sein? Oder dass ich ihm die Schuld an meiner Krankheit gebe? Aber das wäre zu einfach.

An einer Krankheit ist niemand schuld. Selbst wenn ich wollte, könnte ich ihm nicht die Schuld daran in die Schuhe schieben. Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe. Glauben Sie wirklich, ich bin ein derartiger Loser, dass ich einen Sündenbock brauche? Abgesehen davon stammt die Krankheit aus der Familie meiner Mutter.

Mein Dad ist einfach ein Arschloch und das ist die reine Wahrheit.

Er ist abgehauen, als ich acht war.

Als er eines Tages nicht zum Abendessen erschien, sagte meine Mom, dass er nicht wiederkommen würde. Ich weiß noch genau, wie sie aussah, als sie mir das sagen musste. Als hätte sie keinen Tropfen Blut mehr im Gesicht. Sie weinte nicht. Sie wirkte nur völlig erschöpft.

Und deshalb ist mein Dad ein Arschloch.

Meine Mom war immer müde. Jeden Abend, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam, war sie völlig fertig. Und er hat nie versucht, es ihr irgendwie leichter zu machen. Es ist besser, dass er abgehauen ist, weil er nie der Mensch sein konnte, den wir brauchten. Nein, das ist falsch.

Er wollte es nicht sein.

Ich weiß nicht genau, wo er hinging, nachdem er uns verlassen hat. Falls Mom es wusste, sagte sie es mir nie. Und ich habe sie auch nicht gefragt.

Ein paar Jahre später bekam ich einen Brief von ihm. Ich war elf und ging immer zum Briefkasten, bevor meine Mom nach Hause kam. Der Brief war in Barstow, Kalifornien abgestempelt. Ich habe ihn nach dem Lesen zerrissen, aber ich weiß noch genau, was drinstand.

Lieber Adam,

ich habe diesen Brief an dich schon so oft begonnen und doch nie die Kraft gehabt, ihn abzuschicken. Deine Mom war immer die Gute. Sie wusste in jeder Situation genau, was zu tun war. Sie schafft es, Probleme wie durch Zauberei verschwinden zu lassen.

So ist sie schon immer gewesen und deshalb habe ich mich auch in sie verliebt.

Aber in unserer Ehe war ich das Problem und ich konnte ihr nicht mehr länger das Herz brechen und sie darauf warten lassen, dass ich der Mann wurde, den sie brauchte.

Auch du bist ohne mich besser dran, daran glaube ich fest.

Ich will, dass du die Chance bekommst, im Leben erfolgreich zu sein.

Zumindest so viel schulde ich dir.

Dad.

Nicht einmal »Dein Dad«.

Ich schrieb nicht zurück und ich erzählte meiner Mom auch nichts von dem Brief, für den er drei Jahre lang nicht »die Kraft« gehabt hatte. Wie viel Kraft soll es denn kosten, einen gottverdammten Brief zu schreiben? Es waren 122 Wörter, ich habe sie gezählt. Puh, das war sicher ziemlich anstrengend, was, Dad?

Wenigstens war er ehrlich. Er wusste, dass er ein Feigling war und dass meine Mom etwas Besseres verdiente als ihn.

Aber die ganze Wahrheit lautet: Er hat uns einfach nicht geliebt. Wenn man jemanden liebt, dann versucht man nämlich, für ihn ein besserer Mensch zu werden.

Also kann er mir gestohlen bleiben.

Wörter an den Wänden

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