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Kapitel 1: Urlaub auf Balkonien
ОглавлениеHallo, mein Name ist Ulf und ich reise gerne. Na gut, auf alle Fälle reist meine Freundin gern und ich begleite sie natürlich. Ich weiß nicht recht, ob man die vielen kurzen Ortswechsel, die mehrmals im Jahr stattfinden, nun als mein Hobby bezeichnen kann. Eigentlich finde ich es zu Hause wunderbar. Wir haben eine hübsche Wohnung mitten in München. Das Zentrum der Stadt ist nur einen Katzensprung (oder einen Ulf-Sprung) entfernt. Es gibt so unendlich viele Wirtshäuser mit leckeren bayerischen Schmankerln. Mittlerweile verstehe ich auch die Bayern ganz gut. Man kann hier abends weggehen und Berge und Seen sind nicht weit. Theoretisch leben wir also da wo andere Urlaub machen. Auf unserem Balkon kann man auch ganz toll seinen Urlaub verbringen. Das Klo ist nicht weit und nie besetzt (wir haben zwei Toiletten), die Cocktailbar ist immer reich gefüllt und im Supermarkt gegenüber verstehe ich, wie viel Geld mir die Kassierer beim Bezahlvorgang abknöpfen wollen. Einen Mietwagen brauchen wir nicht, denn das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel in und um München ist primstens ausgebaut. Selbst zum Starnberger See fährt eine Bahn. Dort gibt es genügend Abkühlung an warmen Tagen. Wozu also die gewohnte Umgebung verlassen, wenn es zu Hause doch so schön ist?
Das Einzige was hinkt, ist der Roomservice. Naja, ich muss sagen, dass ich im Urlaub nie so richtig Lust dazu habe sauber zu machen. Dann wäre es ja kein Urlaub mehr. Meine Freundin vermutlich auch nicht. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ausgerechnet an unseren freien Tagen, wo wir ja viel Zeit haben, weil wir ja nicht arbeiten gehen müssen, keine Betten gemacht werden, eine Staubmaus die nächste jagt und sich das dreckige Geschirr in der Küche stapelt, während das saubere Geschirr extra Zeit in der Spülmaschine beim Wellnessprogramm bekommt. Genau so ging es uns nämlich schon einmal. Es ist gar nicht so lange her. Wir hatten Sommersemesterferien und wollten die freie Zeit einfach mal zu Hause in Ruhe verbringen.
Meine liebe Freundin lag den ganzen Tag auf dem Balkon und las. Reiseromane. Sie sagte, damit wenigstens ein bisschen Urlaubsstimmung aufkommt. Ich schlug ihr vor, zu Alfredo ums Eck zu gehen und eine Riesen-Pizza zu verschlingen. Das würde einem Italien-Urlaub schon ziemlich nahe kommen. Wir waren beide Studenten, ein richtiger Urlaub war damals nicht drin. Eine Riesenpizza schon. Gesagt, getan. Wir machten uns auf den Weg zu unserer Lieblings-Pizzeria, vorbei an einem Schneider, dem Schlüsseldienst, einer Autowerkstatt und… einem Reisebüro. Nein! Das hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Verträumt schaute sich Corinna die Reiseangebote an. Ich glaub', ich habe sie noch gar nicht vorgestellt: ;-) Corinna ist die Liebe meines Lebens. Sie ist ein wenig kleiner als ich, hat das Herz am rechten Fleck und lange blonde Haare. Ihr Hobby ist definitiv das Reisen. Ich glaube sie mag jeden Aspekt: von der Organisation, übers Koffer packen, bis hin zum Entdecken vor Ort. Nur die Rückflüge, die mag sie erfahrungsgemäß nicht. Man kann also sagen, sie hat ausgeprägtes Reisefieber und kein Arzt der Welt kann ihr mehr helfen.
Wir kennen uns nun schon fünf Jahre, sie war sozusagen meine erste richtige Freundin. Wir lernten uns ganz romantisch in der Schule kennen. Ich war der Neue und sie fiel mir gleich auf, als ich in die Klasse kam. Erst vor Kurzem sind wir beide aus Thüringen in den Süden gezogen. Eine Wohnung in München ist sauteuer und unsere Studentenjobs lassen die Haushaltskasse nicht überquellen. Deshalb sind unsere gemeinsamen Urlaube seit dem Beginn des Studiums ziemlich rar. Wir haben es zum Zelten an die Ostsee geschafft und waren ein-, zweimal am Gardasee. Mich stört das nicht besonders, aber Cori, wie ich meine Süße liebevoll nenne, leidet schon sehr darunter.
Egal, zurück zum Schaufenster vom Reisebüro. Mein Magen knurrte und ich konnte nur noch an Pizza denken. Ich sagte ihr, dass ich schon mal vorgehe und unser Mittagessen bestelle. Man könnte es auch als Frühstück bezeichnen. Das gab es nämlich auch noch nicht. Keine sauberen Teller, weder in der Spülmaschine noch im Schrank. Dem Stapel des Grauens auf der Spülmaschine wollte ich keine Beachtung schenken. Außerdem war es erst 11 Uhr. Ich gab meiner Cori einen Schmatzer und ihre Augen verrieten mir – Pizza Margherita mit Salami, Thunfisch, Mais, BBQ-Soße und Käse, wie immer.