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5. Kapitel

Zurück in der Gegenwart

Alex hatte noch immer ihren Geruch in der Nase, obwohl das alles doch wieder recht unpersönlich war. Er hätte sie auch gerne noch länger im Arm gehalten und getröstet. Oder sie beschützt vor dem, was auch immer ihr Angst machte oder wovor sie auf der Flucht war. Denn so erschien es ihm.

Machte sie sich keine Sorgen um ihren Ruf? Er konnte nur hoffen, dass ihn niemand aus ihrem Zimmer kommen sehen hatte. Oder sonst irgendetwas bemerkt hatte. Der Vorteil an den Londoner Bällen war, dass sich so gut wie jeder im Ballsaal aufhielt, einschließlich der gesamten Dienerschaft. Die Wahrscheinlichkeit war also tatsächlich hoch, dass ihr erneutes Intermezzo unbemerkt geblieben war. Jedenfalls konnte sich Alexander diesmal nicht dazu durchringen, einfach zu gehen oder zuzulassen, dass Miss Winford ihn den restlichen Abend ignorieren würde. Im Ballsaal würde es später so gut wie keine Gelegenheit mehr geben, um alleine und in Ruhe mit ihr zu sprechen.

Also machte Alex mitten auf der Treppe kehrt und ging die wenigen Stufen zurück in den ersten Stock. Dort platzierte er sich an der obersten Stufe und beschloss zu warten, bis Miss Winford ihr Zimmer verließ. Er wollte ein klärendes Gespräch.

Nachdem sich Lucy nun endlich aus dem Bett begeben hatte, fing sie an, ihr Aussehen wieder in Ordnung zu bringen und sich im Spiegel neuen Mut zuzusprechen. Dann beschloss sie, zurück in den Ballsaal zu gehen und sich den Tatsachen zu stellen. Wie sie Alexander, den Duke of Kintbury, soeben aus ihrem Zimmer geschickt hatte, als wäre er einer ihrer Bediensteten, konnte sie nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Sie musste sich zumindest bei ihm entschuldigen. Wie sie ihre missliche Lage allerdings erklären sollte, war Lucy nach wie vor nicht klar. Jedoch, irgendetwas musste sie nun tun, das wusste sie. Also atmete sie einmal tief durch und öffnete die Zimmertür.

Lucy erblickte Alexander Spencer. Hatte er tatsächlich so lange hier auf sie gewartet? Er stand mit vor der Brust verschränkten Armen ans Geländer gelehnt. Als er sie hörte, blickte er vom Boden auf und schaute ihr etwas grimmig entgegen. Lucy konnte es ihm nicht verdenken. Sie selbst hätte sich momentan genauso angesehen. Sie blieb kurz stehen, atmete noch einmal tief durch und straffte die Schultern. Langsam ging sie auf diesen unfassbar attraktiven Mann zu. Und wenn sie nur einen Augenblick daran dachte, was sie soeben mit ihm getan hatte, stockte ihr der Atem. Jetzt heißt es stark sein, sagte sie in Gedanken zu sich selbst.

Lucy kam auf ihn, Alex, zu und er war einmal mehr sprachlos aufgrund ihrer Schönheit. Sie hatte sich wieder perfekt zurechtgemacht. Nichts verriet mehr etwas davon, was in der letzten Stunde zwischen ihnen geschehen war.

Doch nun war Alex noch sprachloser, denn Lucy ergriff nicht, wie er zuvor befürchtet hatte, erneut die Flucht, sondern sah ihm direkt in die Augen und kam langsam auf ihn zu. Es waren sehr schöne Augen, in die er da blicken durfte. Sie waren blau wie das tiefe, geheimnisvolle Meer.

Lucy blieb ein paar Fuß vor ihm stehen und senkte den Blick. Unruhig begann sie, an den Röcken ihres Ballkleides herumzuzupfen, und suchte sichtlich nach den passenden Worten.

„Ich mag dich“, entfuhr es Alex da plötzlich völlig unbedacht.

Abrupt sah Lucy ihn genauso erschrocken und verblüfft an, wie er sich fühlte. Wie konnte ihm so etwas nur derart unüberlegt über die Lippen kommen? Wenn das die großen Dichter der Vergangenheit gehört hätten, sie würden sich nun im Grabe umdrehen.

Keiner von ihnen brachte ein weiteres Wort heraus und Lucy sah verlegen zur Seite. Alex suchte dennoch erneut ihren Blick. Als er es schaffte, ihr endlich wieder in die Augen zu sehen, glitzerten darin Tränen. Plötzlich raffte Lucy ihre Röcke und lief die Treppe hinunter. Impulsiv machte Alex auf dem Absatz kehrt und eilte ihr hinterher.

„Lucy, Miss Winford!“, rief er ihr - so leise wie möglich - nach.

Unten angekommen hatte sich Lucy bereits in den Schutz der Menschenmenge geflüchtet und Alex somit jede Chance auf ein vernünftiges Gespräch vertan. Gekränkt und diesmal wirklich durcheinander verließ er den Ball.

Eine Woche lang mied Alex nun jegliche Bälle und öffentliche Veranstaltungen. Er wusste gerade keinen anderen Ausweg aus dieser Misere.

Eines Morgens bekam er eine wichtige Nachricht aus Manchester, dass er dort unverzüglich geschäftlich erwartet wurde. Dies war wohl tatsächlich der perfekte Zeitpunkt für eine Reise, um wieder einen klaren Verstand zu erlangen. Fort aus London. Fort von Lucy Winford. Vielleicht würde ihm die Distanz helfen, wieder klar denken zu können.

Die eiskalte Verführung des Dukes

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