Читать книгу Vertrauen Sie mir, Mylady - Julie Bloom - Страница 6
Оглавление2. Kapitel
Auf dem Ball angekommen mischte sich Harry alleine unter die zahlreichen Ballgäste. Er machte sich auf die Suche nach Lady Wintersfield. Hoffentlich würde zumindest sie heute Abend diesen Ball besuchen.
Nach einer Weile erblickte Harry Claras Mutter, wie so oft, in einer Runde von Damen, mit denen sie plauderte. Harry bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. Dort angekommen räusperte er sich und begrüßte alle höflich. Er bat um Verzeihung für die Störung und fragte Lady Wintersfield, ob er einen Augenblick mit ihr sprechen könnte.
“Aber natürlich, mein Lieber”, antwortete diese und entschuldigte sich bei ihren Bekannten.
Sie wandte sich von der Damenrunde ab und fragte Harry, was es den gäbe.
“Lady Wintersfield, bitte verzeihen Sie meine direkte Frage. Aber geht es Ihrer Tochter Clara denn gut? Ich wundere mich nur, warum ich sie jetzt schon so lange nicht mehr auf einer Veranstaltung angetroffen habe. Bitte teilen Sie mir mit, falls es irgendetwas gibt, das ich wissen sollte.”
Verlegen blickte Lady Wintersfield über ihre Schulter zu den Damen hinter sich und schob Harry einige Schritte von ihren Freundinnen fort.
“Harry, es tut mir sehr leid, dass ich Ihnen dazu momentan nicht mehr sagen kann. Ich kann Ihnen aber versichern, dass es Clara gesundheitlich gut geht und sie sich in ihrem Zuhause in Sicherheit befindet.”
Und damit verabschiedete sich Lady Wintersfield von ihm und ging zurück zu ihrer Damenrunde.
Harry blieb für einen Augenblick etwas verdutzt stehen, dann beschloss er, nach Hause zu fahren. Er musste nachdenken. Was hatte das zu bedeuten? Clara befände sich in Sicherheit. War sie den irgendwie in Gefahr? Was war bloß los? Allzu schlimm konnte es doch nicht sein, sonst würde ihre Mutter - Lady Wintersfield, nicht einfach so auf Bälle gehen, während ihre Tochter in großer Gefahr schwebte. Oder etwa doch? Und wo war eigentlich Lord Wintersfield abgeblieben? Auch ihn hatte Harry nun schon seit ihrer Reise vor zwei Wochen nirgendwo mehr gesehen. Claras Vater war zwar offenbar noch nie ein Freund der vielen Veranstaltungen des ton gewesen, aber hie und da hatte auch er sich blicken lassen.
Harry nahm sich erst einmal eine Mietdroschke und beschloss, zu Hause und in seinen eigenen vier Wänden weiter darüber nachzudenken, was er nun tun konnte.
Zu Hause angekommen ging er direkt in seine Gemächer und schloss die Tür hinter sich. Er bewohnte hier in Tante Feodoras großzügigem Stadthaus sozusagen eine eigene Suite. Sie bestand aus einem geräumigen und gemütlichen, aber schlichtem Schlafzimmer, einem kleinen Ankleideraum sowie einem kleinen Badezimmer und dem Salon. Es gab auch noch ein separates Arbeitszimmer genau neben seiner Suite, das er sein Eigen nennen durfte. Dieses war auch über den Salon durch eine Verbindungstür zu erreichen. Dorthin zog sich Harry nun zurück und setzte sich auf den bequemen Stuhl hinter seinem Schreibtisch. Er bettete seinen Kopf in den Händen und versuchte, sich zu beruhigen, indem er ein paar Male tief durchatmete.
Harry bemühte sich, wieder klar zu denken. Denn das war eigentlich seine Stärke. Er studierte nun seit einiger Zeit Jura - und das sehr erfolgreich, um einmal ein angesehener Anwalt zu werden. Clara hatte ihn dabei in ihren unzähligen Gesprächen in den letzten zwei Jahren stets unterstützt und ermutigt, wenn es Harry einmal schwergefallen war, weiterzumachen, oder ihn Selbstzweifel gepackt hatten. Clara hatte stets an ihn geglaubt und nur in den höchsten Tönen von ihm gesprochen. Es konnte einfach nicht sein, dass sie ihn nicht mehr sehen wollte. Es musste einen anderen Grund geben.
Aber warum konnte sie ihn nicht mehr treffen? Warum ging sie auf keinen einzigen Ball? Wenn sie sich verletzt oder gar etwas gebrochen hätte, dann würde er sie doch sicherlich besuchen dürfen. Lord und Lady Wintersfield hatten sich ihm bislang noch nie in den Weg gestellt. Im Gegenteil, Harry war stets in ihrer Mitte willkommen gewesen und hatte sich auch immer dementsprechend wohl in der Anwesenheit von Claras Eltern gefühlt. Er konnte sich also einfach nicht vorstellen, dass Claras Eltern ihn absichtlich seit drei Wochen von seiner Liebsten fernhielten. Derart lange waren er und Clara seit ihrer ersten Begegnung noch nie voneinander getrennt gewesen.
Harry verspürte einen Stich in seiner Brust. Sein Herz tat weh. Es schmerzte vor Sehnsucht und auch Angst um seine Clara. Clara.
Langsam wollte er nun alle Fakten noch einmal in seinem Kopf durchgehen, genauso wie er es während seines Studiums zum Anwalt stets lernte. Vielleicht würde er danach etwas erkennen, das er bislang übersehen hatte. Vielleicht hätte er danach einen neuen Anhaltspunkt und wüsste, was zu tun war.
Anfang Mai war Clara zwanzig Jahre alt geworden. Zu ihrem Geburtstag hatte die Familie Wintersfield eine gemeinsame einwöchige Reise unternommen. Harry wusste nicht genau, wohin, aber irgendwo an die Westküste an einen Ort von besonderer Bedeutung für die Familie Wintersfield. Claras ältere Schwester Olivia war auch mitgekommen, da ihr Mann Florian genau zu dem Zeitpunkt auf einer zweiwöchigen Geschäftsreise gewesen war und sie Ablenkung gebraucht hatte.
Vor dieser Reise war zwischen Harry und Clara noch alles in bester Ordnung gewesen. Zwei Tage vor ihrer Abreise waren sie sich noch auf einem Ball begegnet und Clara hatte ihm alles davon erzählt. Deshalb wusste Harry ja auch darüber Bescheid. Jedoch, nach dieser Reise hatte sich plötzlich alles geändert. Harry hatte sich schon wieder so auf seine Clara gefreut. Doch dann war Clara auf keiner gesellschaftlichen Veranstaltung mehr erschienen. Das musste also bedeuten, dass auf dieser Reise irgendetwas geschehen war, das diese Veränderung bewirkt hatte. Harrys Herz schnürte sich für einen Augenblick zusammen. Er konnte nur aus tiefstem Herzen hoffen, dass es nichts mit einem anderen Mann zu tun hatte. Dass sich Clara nicht womöglich in jemand anderen verliebt hatte. Aber irgendwie konnte er sich das einfach nicht vorstellen. Und würde Clara deshalb wirklich jegliche Veranstaltungen vermeiden? Es hatte ja nie ein offizielles oder ausgesprochenes Versprechen zwischen ihnen beiden gegeben. Sie könnte es ihm auch einfach mitteilen, wenn da ein anderer Mann in ihr Leben getreten wäre. Natürlich würde sie Harry damit das Herz brechen und das wusste sie vermutlich. Nein, Harry konnte sich nicht vorstellen, dass das der Grund war.
Von Lady Wintersfield würde Harry keine genauere Erklärung mehr bekommen, dessen war er sich sicher. Also blieb ihm nur eines übrig. Er musste versuchen, mit Clara persönlich zu sprechen, um herauszufinden, was los war. Am nächsten Nachmittag würde er - zum ersten Mal überhaupt - zum Stadthaus der Wintersfields fahren und Clara seine Aufwartung machen. Auf diese Weise musste es ihm doch gelingen, sie endlich wiederzusehen. Nun war es schon über drei Wochen her und Harry wollte und konnte nicht mehr länger warten.