Читать книгу Vertrauen Sie mir, Mylady - Julie Bloom - Страница 8
Оглавление4. Kapitel
Clara saß in ihrem Zimmer auf dem Bett mit Harrys Brief in der Hand. Sie liebte Harry. Sehr sogar. Und das nun seit mehr als zwei Jahren. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Noch nie zuvor hatte sie so für einen jungen Mann empfunden. Harry war der Allererste, und Clara hatte stets gehofft und gedacht, dass er auch der letzte Mann in ihrem Leben sein würde. Für immer.
Und nun konnte sie ihn nicht mehr treffen, ihn nicht mehr sehen. Sie vermisste ihre langen, vertraulichen Gespräche, die sie stets zu führen gepflegt hatten. Es war eine so kostbare Zeit gewesen mit Harry. Sie hatten sich immer nur auf Bällen oder Veranstaltungen begegnen können, denn private Besuche bei ihr Zuhause hätten ihre Eltern niemals zugelassen. Clara war noch recht jung und ihre Eltern noch nicht bereit gewesen, sie zu verheiraten.
Aber die Gelegenheiten auf den vielen Bällen hatten Clara und Harry genutzt. Sie hatten unzählige Tänze miteinander getanzt und sich währenddessen ausführlich unterhalten. Sie hatten zwar nie über dieses konkrete Thema - ihre gemeinsame Zukunft gesprochen, es war aber stets unausgesprochen klar gewesen, dass sie dasselbe empfanden. Clara hatte es in Harrys Blick sehen können, und in der Art, wie er mit ihr tanzte und sprach gespürt.
Und nun war alles anders gekommen. Clara würde Harry am liebsten sehen, sie hatte aber einfach zu viel Angst davor. Sie hatte Panik und war total verstört. Was da auf dieser Reise geschehen war, war einfach zu entsetzlich gewesen, als dass Clara mit irgendjemandem darüber sprechen könnte. Geschweige denn mit Harry.
Clara kamen die Tränen. Diese Reise hatte alles verändert - ihr Leben komplett zerstört. Clara hatte nun Angst vor Männern. Wollte sich nie wieder einem nähern. Nie wieder zulassen, dass sie derart hilflos ausgeliefert wäre.
Ihr wurde ganz übel, wenn sie nur daran dachte, wenn sie sich an diese grauenhafte Nacht zurückerinnerte. Clara begann zu zittern und Panik stieg in ihr hoch. Sie läutete nach ihrer Zofe, die sofort mit Claras Medizin herbeieilte.
Langsam begann das Tonikum zu wirken und Clara konnte sich beruhigen. Ihre Zofe ließ sie wieder alleine. Nun war Clara gerade einmal zwanzig Jahre alt geworden und ihr Leben war praktisch vorbei. So sehr hatte sie sich darauf gefreut, nun endlich bald Harry heiraten zu können. Denn dessen war sie sich sicher gewesen. Er würde ihr noch in dieser Saison einen Heiratsantrag machen wollen. Und nun konnte nichts mehr daraus werden. Sie würde sich niemals einem Mann hingeben können, um die Ehe zu vollziehen. Würde man sie denn so überhaupt noch heiraten wollen? Vermutlich nicht.
Seit den Geschehnissen auf dieser Reise konnte Clara auch nicht mehr schlafen. Es ging nur mehr mit ihrer Medizin.
Ihre Familie hatte sie, als sie bereits wieder seit einer Woche zu Hause gewesen waren, versucht zu ermutigen, mit ihnen auf einen Ball zu gehen. Sie hatten versucht, sie dazu zu überreden, indem sie ihr gesagt hatten, dass Harry sicherlich auch dort wäre. Sie wollten, dass alles so schnell wie möglich wieder normal wäre. Am liebsten hätten sie so getan, als wäre nichts passiert.
Vor allem ihr Vater schien sich selbst schwere Vorwürfe zu machen, denn es war seine Idee gewesen, mit ihr zu ihrem Geburtstag diese Reise zu unternehmen. Er hatte sich - laut Claras Mutter - seitdem immer öfters und noch mehr als sonst in seinem Arbeitszimmer verkrochen und wieder zu trinken begonnen. Mutter hatte es nämlich einige Jahre erfolgreich geschafft, ihn ein wenig von der Flasche wegzubekommen. Denn immer, wenn Vater zu viele Sorgen hatte, trank er zu viel. Doch so schlimm wie dieses Mal dürfte es noch nie gewesen sein.
Clara empfand - trotz alledem, was ihr selbst zugestoßen war und sie nun einsperrte und lähmte - Mitleid für ihren Vater. Das hatte auch er nicht verdient. Er hatte ihr ja nur eine Freude machen wollen.
Nun lag Clara hier in ihrem in Rosatönen gehaltenen Zimmer auf ihrem Bett und hielt Harrys Brief in Händen. Wie sehr wünschte sie sich, dass diese ganze Sache nicht zwischen ihnen stünde und sie Harrys Schreiben einfach beantworten konnte.
Harry schrieb:
Was ist passiert, Clara? Wieso sehen wir uns nicht mehr? Ist auf dieser Reise irgendetwas geschehen? Irgendetwas, das ich vielleicht wissen sollte? Ich vermisse dich und unsere Gespräche schrecklich und wünsche mir aus tiefstem Herzen, zumindest ein Antwortschreiben von dir zu bekommen. Ich mache mir große Sorgen und weiß nicht, was ich sonst tun kann. Ich möchte dir helfen, falls du in irgendeiner Weise Hilfe benötigst.
Dein dich immer liebender,
Harry
Als Clara nun die Zeilen erneut überflogen hatte, brach sie in Tränen aus. Keine Tränen der Panik oder der Furcht. Es waren Tränen des Bedauerns, der Hoffnungslosigkeit und der Verzweiflung. Ihr Herz brannte. Das Tonikum konnte zwar ihre Emotionen betäuben, jedoch nicht ihr Herz. Sie liebte Harry - mit jeder Faser ihres Körpers und das seit nun mehr als zwei Jahren. Sie hatte sich bereits ihre gemeinsame Zukunft in den rosigsten Tönen ausgemalt und es nicht erwarten können, ihn endlich zu heiraten.
Erneut strömten Clara die Tränen über die Wangen. Konnte es sein? Sehnte sie sich immer noch nach Harry, obwohl er auch ein Mann war? Obwohl es ihr vor sich selbst ekelte? In manchen Momenten wollte Clara ihren eigenen Körper gar nicht mehr spüren. Ohne ihren Körper hätte ihr das alles nicht passieren können. Doch es war passiert. Und es konnte nie wieder ungeschehen gemacht werden. Nie wieder repariert werden, was ihr angetan und genommen worden war.
Aus ihrer Verzweiflung wurde allmählich Wut in Claras Kopf. Genau in diesem Moment setzte die gesamte Wirkung des Medikaments ein, und Clara fiel in einen tiefen Schlaf.