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Kapitel 6 Ein neuer Anfang
ОглавлениеZwei Tage später erhielten die dank der Mediziner mittlerweile körperlich gestärkten und ausgeruhten Aquanauten im neu errichteten Sanitätszentrum des Raumhafens Nellis Besuch. Und, wie schon von Senior Commander Niome-Pan vermutet, ließ es sich der JDEF-Oberbefehlshaber Kendo-Khar nicht nehmen, die wieder ins Leben zurückgekehrten Aquanauten persönlich zu begrüßen.
„Herzlich willkommen auf dem terranischen Festland“, sagte er, während er freundlich in die Runde der im großen Konferenzraum des Sanitätszentrums versammelten 80 Aquanauten blickte, die auch an diesem Tag wieder ihre dunkelblauen Ganzkörperschwimmanzüge aus einem neoprenartigen Material trugen. Nur hatten sie diesmal – wohl der recht kühlen Temperaturen wegen – zusätzlich noch hüftlange Stoffjacken übergestreift, an deren Krägen unterschiedliche, ziemlich winzige Metallabzeichen unter einem goldenen Miniaturdreizack befestigt waren.
„Wie mir die behandelnden Ärzte heute Morgen mitgeteilt haben, geht es euch den Umständen entsprechend schon wieder besser, auch wenn ihr euch in den kommenden Wochen noch weiter erholen und nicht überanstrengen solltet. Das gilt übrigens auch für die heutige Unterredung. Falls es euch also zu viel wird, sagt es bitte. Dann brechen wir nämlich ab und setzen unsere Gespräche zu einem späteren Zeitpunkt fort.
Darüber hinaus hoffe ich sehr, dass ihr die per Hypnoschulung übermittelten ersten Informationen zur Menschheitsgeschichte inzwischen einigermaßen verdaut habt. Ich weiß aber auch, dass ihr euch bei uns noch immer ein bisschen verloren fühlt und sicher noch viele Fragen offengeblieben sind.
Deshalb werde ich bei diesem ersten Zusammentreffen auch von einigen Angehörigen meiner JDEF begleitet, die ihr anschließend und in den kommenden Tagen noch in aller Ruhe ausfragen könnt. Von mir im Moment nur soviel – ich bin sehr froh, dass wir euch gesund aus euren Kältetanks befreien konnten. Denn wie mir unsere Ingenieure inzwischen mitgeteilt haben, hätte die zwar im Moment noch intakte energetische Versorgung eurer Überlebenseinrichtungen bereits in wenigen Monaten versagt.
Doch jetzt würde ich zuerst einmal gerne wissen, wer von euch Admiral Ayla ist. Ich habe mir nämlich mit den hier Anwesenden einige Gedanken darüber gemacht, wo wir euch vielleicht künftig unterbringen könnten. Natürlich nur, wenn ihr dem von meinen engen Freunden Fürstin Mora und ihrem Ehemann Fürst Alex ausgearbeiteten Vorschlag zustimmt, über den wir später noch ausführlicher reden müssen.“
„Ich bin Ayla – und das ist mein Stellvertreter, Admiral Kami“, sagte eine junge Frau, die im selben Moment von ihrem Platz am langen Versammlungstisch aufstand und auf den Mann neben ihr zeigte. Ähnlich wie ihre Begleiterinnen und Begleiter trug sie eine kupferfarbene Kurzhaarfrisur, die sehr gut zu ihrer alabasterfarbenen Haut und zu ihren moosgrünen Augen passte.
Und wie alle anderen Aquanauten war sie mit einem enganliegenden und ziemlich körperbetonenden dunkelblauen Stretchanzug aus einem synthetischen Material bekleidet. Als der Großfürst der hübschen Admiralin entgegenkam und ihre gut geschnittenen Gesichtszüge betrachtete, ergriff Ayla spontan Kendos Hand.
„Oberbefehlshaber, ich danke Ihnen sehr dafür, dass wir von Ihren Frauen und Männern gerettet und bislang so ausgezeichnet betreut wurden. Auch wenn meine Kameraden und ich eigentlich darauf gehofft hatten, dass die Nachfahren unserer Auswanderer diejenigen wären, die als Erste an unsere Schleusen klopfen würden. Jedoch weiß ich nach der freundlicherweise gewährten ersten Informationsschulung auch, dass dies wohl eher ein Wunschgedanke war.“
„Gut, Admiral Ayla. Aber eines sollten wir – euer Einverständnis vorausgesetzt – ab sofort gleich mal weglassen. Wir gehen hier alle eher unkonventionell miteinander um – und daher bitte ich euch alle, auf die unter Freunden unüblichen steifen Anreden zu verzichten. Ich hoffe nämlich sehr, dass auch ihr unsere Freunde werden wollt.“
Als die zustimmend nickende Admiralin wieder Platz genommen hatte, fuhr der larojanische Großfürst mit einem verhaltenen Lächeln im Gesicht fort:
„Also, ich fang‘ dann schon mal mit meiner Vorstellung an. Ich heiße Kendo-Khar, meinetwegen dürft ihr mich aber auch als „Boss“ oder als „Alter Krieger“ bezeichnen, wie das meine liebe Freundin Mora hin und wieder tut. Ihren Ehemann Alex habt ihr ja bereits kennengelernt. Und im Moment sehe ich, dass sich seine Gattin Mora kaum noch bremsen kann, um persönlich mit euch zu reden. Also Fürstin, komm nach vorne und leg los.“
„Jaja, Boss – du kannst es ja nicht lassen, mir meine Sünden immer wieder aufs Brot zu schmieren. Und als „Alten Krieger“, habe ich dich bisher höchstens mal in deiner Abwesenheit bezeichnet. Aber gut, ich bin’s ja gewohnt, bei euch immer den Witzbold geben zu müssen. Aber, wie sagtest du neulich doch so treffend: Das dient der Motivation und ...“
Noch ehe Mora Kranz fortfahren konnte, wurde sie in diesem Augenblick vom glucksenden Lachen der Admiralin unterbrochen, das von einem schmunzelnden Raunen ihrer Leute begleitet wurde.
„Tut mir leid, Fürstin, aber sowas sind wir nicht gewohnt. Trotzdem finde ich es sehr erfrischend, wie ihr miteinander Umgang pflegt. Bei uns in TERRA AQUA wäre es nämlich undenkbar gewesen, derart mit einem Vorgesetzten zu sprechen.“
„Dann ist’s ja gut, dass dir mein Anschauungsunterricht so gut gefallen hat. Doch nun zum Thema Unterbringung, das mein befehlshabender Oberschlaumeier soeben erwähnte. Der von meinem Mann und mir entworfene Plan wird allerdings nur funktionieren, wenn ich noch ein paar Parameter zu eurer früheren Lebensweise erfahre. Darf ich euch also später ein paar diesbezügliche Fragen stellen?“
„Das geht in Ordnung, Fürstin. Frag‘ uns ruhig. Wir werden dir die gewünschten Informationen geben“, entgegnete Ayla sofort, wobei sie noch immer erfolglos versuchte, wieder ein halbwegs ernstes Gesicht aufzusetzen.
„Schön, dass du dich so gut amüsierst, Ayla. Nun gut, hier kommt meine erste und alles entscheidende Frage. Ich weiß ja inzwischen, dass ihr unter Wasser leben und offensichtlich auch atmen könnt. Nur, wie lange könnt ihr es an Land aushalten? Die meisten von uns Normalos können zwar ‘ne Zeitlang schwimmen und tauchen, aber uns würde es nie einfallen, unser Dasein auf Dauer ins Meer zu verlegen.“
„Das beantworte ich dir gerne, liebe Mora. Auch wenn ich dir nicht wissenschaftlich exakt sagen kann, seit wann wir Aquanauten so völlig problemlos unter Wasser existieren können.“ Unverzüglich nach diesen einleitenden Worten fuhr die Aquanautin ein wenig stirnrunzelnd fort:
„Wir waren schon seit langem nicht mehr an Land, müsst ihr wissen. Aber dennoch weiß ich, dass wir in der Lage sind, für längere Zeit in einer normalen Sauerstoff-Stickstoff-Atmosphäre zu leben. Nur sollte der Weg zum Wasser nicht allzu weit sein.
Denn unter Wasser fühlen wir uns viel wohler, wobei es nicht unbedingt ein großer Ozean sein muss – einige von uns haben in der Vergangenheit auch des Öfteren an oder in Süßwasserseen im Landesinneren von MURA gewohnt, und dort an Land Handelsstützpunkte zu betreiben.“
„Mit MURA meinst du wahrscheinlich einen Kontinent, den es heutzutage nicht mehr gibt – oder?“, wurde Ayla jetzt von ihrem Sitznachbarn Alexander Kranz unterbrochen. „Ich frage das vor allem deswegen, weil es bei uns Terranern noch Sagen und Mythen über einen im Pazifik untergangenen Kontinent gibt, den man bei uns mit dem Namen „MU“ bezeichnet, von dessen Existenz wir aber bislang nicht sicher ausgehen konnten.“
„Das scheint mir zutreffend zu sein, Fürst Alex. Den Kontinent, der bei uns mit vollem Namen MURA hieß, gab es wirklich. Doch als sich einige unserer Mutigsten etliche Jahre nach der großen Katastrophe und der Regeneration unserer Meere wieder an die Oberfläche wagten, war die ehemals zu unserem Protektorat gehörende vorgelagerte Landmasse, bis auf wenige aus dem Wasser ragende Bergspitzen, nicht mehr vorhanden.
Weil nämlich die Oberfläche von MURA mittlerweile einige tausend Längen, die ihr mit der Maßeinheit Kilometer bezeichnet, unter dem ursprünglichen Meeresniveau lag. Aber das ist noch nicht alles. Viele Tausend von uns sind nach der Übersäuerung unseres Meeres seinerzeit verhungert oder sie starben an Krankheiten, weil es – trotz der allmählich wieder lebensfreundlicheren Umgebung – kaum noch Nahrung im Meer oder auf unseren versunkenen Handelsstützpunkten zu ernten gab.
Und das war letztlich auch der Grund, weshalb sich die meisten unserer Vorfahren irgendwann nach der Verschmutzung unseres Lebensraums dazu entschlossen, sich mittels unserer wenigen Raumschiffe eine neue Heimat zu suchen.
Nur reichte der damals verfügbare Schiffsraum nicht aus, um alle Aquanauten von diesem Planeten wegzubringen. Deshalb entschied ich mich als noch junge und unerfahrene Kommandantin unseres Stützpunkts freiwillig zum Bleiben – und einige ältere Offiziere taten es mir gleich, damit der Rest meines Volks auf die Reise ins Weltall gehen konnte.“
„Das ist ja ein Ding. Eure Vorfahren verfügten also tatsächlich über Raumschiffe? Ich frage mich momentan nur, wohin deine Landsleute damals mit diesen Raumfahrzeugen wollten“, ließ sich jetzt der ebenfalls anwesende und vollkommen überrascht wirkende General Bart Blackhorse vernehmen, ehe er sofort weitersprach:
„Entschuldige bitte, Admiral Ayla. Ich habe schon auf eurem Tiefseestützpunkt versäumt, mich ordentlich vorzustellen. Also hole ich das jetzt nach. Ich heiße Bart Blackhorse, ich bin ein terranischer General und gegenwärtig der für diese Einsatzbasis unseres Planeten zuständige regionale Kommandeur der JDEF. Und ich muss sagen, ich bin über deinen freimütigen Bericht ein wenig überrascht.“
„Außerdem ist dieser Terraner der wundervolle Mann, den ich über alles liebgewonnen habe und schon bald zu heiraten gedenke“, verlieh die in diesem Moment an Barts Seite getretene Mandoranerin Amal den etwas unglücklich gewählten Worten ihres Verlobten die nötige Bestimmtheit.
„Aber die Frage nach dem Verbleib eurer Raumschiffe interessiert auch mich. Wisst ihr, was aus diesen Schiffen, ihren Besatzungen und deren Passagieren geworden ist?“
„Nun zuerst mal – wir verfügten natürlich über einige tieftauchfähige und ebenso für den Raumflug taugliche Schiffe. Schließlich war das nach dem Bürgerkrieg in unserem Friedensvertrag mit den Lemurern so festgelegt worden.
Die meisten dieser Schiffe starteten und landeten übrigens über die Jahre hinweg stets vor meinem Stützpunkt, von dem aus damals alle Flugbewegungen koordiniert wurden. Schon damals war das ein Tiefseeraumhafen, der dem Kontinent MURA vorgelagert war.
Allerdings waren unsere Raumfahrzeuge, bis auf einige wenige Einheiten zur Verteidigung unserer Enklave, keine Kriegs- sondern in erster Linie zivile Handels- und Transportschiffe. Denn mit dem Separationsvertrag wurde auch eine Zusatzvereinbarung getroffen, die es uns erlaubte, auf dem lemurischen Handelsplaneten MARS und auf den von Lemurern besiedelten Kontinenten TERRUMS Geschäfte zu machen. Dazu gehörte ferner auch das Zugeständnis, die Monde des SOL-Systems erforschen zu dürfen.
Wir Aquanauten erlebten somit also nach dem Friedensvertrag sehr viele Jahre des Wohlstands, wie sie zur Zeit des Bürgerkriegs mit den Lemurern noch wenige Jahre zuvor undenkbar gewesen waren. Denn in den Städten und an den Stränden unserer wunderschönen vorgelagerten Küste Urlaub zu machen, war schon bald nach der Beilegung der Kämpfe auch für unsere ehemaligen lemurischen Gegner durchaus wieder so attraktiv, wie früher.
Jedoch kann ich zur Frage, wohin meine Landsleute nach der ersten Katastrophe damals fliegen wollten, nichts Genaueres sagen, da das selbst zum Zeitpunkt ihres Abflugs noch nicht endgültig feststand. Aber vielleicht so viel – meiner Meinung nach müssen sie einen Planeten ausgewählt haben, auf dem es hinreichend Wasser gab und wo sie sich gleichzeitig gut vor äußeren Feinden verbergen konnten.
Die von unserer, zu diesem Zeitpunkt noch funktionierenden Raumkontrolle aufgezeichneten Flugrouten der Lemurer haben sie dabei ganz sicher nicht eingeschlagen, soviel steht fest. Denn mit denen und ihren kriegslüsternen Admirälen und Generälen wollte niemand von uns mehr etwas zu tun haben, weil wir sie damals für die Verantwortlichen der Meteoriteneinschläge hielten.“
„Das war deutlich, Ayla. Und es tut mir wirklich leid, dass ihr Jahre zuvor so heftig mit meinen Vorfahren gekämpft habt. Krieg ist letztendlich niemals eine Lösung von Konflikten“, warf die bisher nur zuhörende Brigid-Thor in das schon viel zu lange dauernde Zwiegespräch ein, ehe sie leise und mit trauriger Miene weitersprach.
“Admiral Ayla – ich bin Kommodore Brigid-Thor, eine lange nach eurem Bruderkrieg geborene Lemurerin, die erst vor kurzer Zeit auf einer terranischen Insel im Norden des heutigen Nachbarkontinents Europa von meinen terranischen und larojanischen Freunden aus einem Cryo-Tank meiner früheren Einsatzbasis geborgen wurde. Insoweit haben wir zwei ja schon mal in dieser Hinsicht etwas gemeinsam.14
Doch im Moment kann ich mich für die Gräueltaten meiner Ahnen nur entschuldigen – denn von diesen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen euch und ihnen wusste ich bislang nicht das Geringste. Gleichwohl glaube ich dir, dass meine Vorfahren, lange vor meiner Geburt, den von dir geschilderten Bruderkrieg – aus welchen Gründen auch immer – gegen das Volk der Aquanauten geführt haben. Nur ist in den historischen Datenbanken unseres wiedergefundenen Großrechners ASGARD absolut nichts darüber verzeichnet.
Zur Wahrheit über meine überlebenden Landsleute gehört jedoch ferner, dass auch ich in meinem früheren Leben als Kommodore des 3. Phaetonischen Kampf- und Erprobungsgeschwaders Teil der phaetonischen Raumflotte gewesen bin.
Ich war zum Zeitpunkt der zweiten Katastrophe hier auf TERRUM stationiert, als klar wurde, dass uns ein Bruchstück PHAETONS treffen würde. Unsere Feinde vom Insektenvolk der STYXX hatten nämlich mehrere Planetenkiller auf PHAETON abgefeuert, die meinen Heimatplaneten zerbersten ließen. Das geschah, nachdem es ihnen zuvor gelungen war, unsere viel zu wenigen, im Raum patrouillierenden Flotteneinheiten mit ihren damals unüberwindlichen Intervallstrahlern zu vernichten.
Nur dass sie sich und ihre Pyramidenschiffe mit der von ihnen ausgelösten Explosion PHAETONS ebenfalls auslöschen würden, hatten sie dabei nicht bedacht. Sie zahlten also einen hohen Preis für die versuchte Invasion des SOL-Systems.
Nur zahlten wir Lemurer den ebenfalls. Auf PHAETON kamen beim Abwehrkampf gegen die STYXX Millionen von uns, darunter leider auch meine dort lebende Mutter, ums Leben. Und nur einem gnädigen Zufall ist es zu verdanken, dass mein Vater und meine Tante zu diesem Zeitpunkt auf TERRUM weilten und so wie ich selbst überlebten.
Ich habe das Schreckliche, was wir Lemurer damals durchmachen mussten, noch immer nicht vollständig verwunden. Nur weiß ich mittlerweile, dass wir jetzt nach vorne blicken müssen. Ich jedenfalls tue das – und ich wäre froh, wenn ihr Aquanauten das ebenfalls könntet. Daher habe ich die Hoffnung, dass auch ihr Aquanauten euch unserem Sternenbündnis anschließen werdet.
Denn inzwischen arbeiten wir in einer Sternenallianz mit allen vier von Menschen bewohnten Planetensystemen zusammen. Und zu dieser Allianz muss man inzwischen zusätzlich auch die Mandoraner aus der ANDROMEDA-Galaxie mit hinzurechnen.“
Ayla, die bei diesen Worten Brigids das zustimmende Nicken der Mandoranerin Amal genau beobachtet hatte, bat an dieser Stelle um eine kleine Pause, die ihr von Großfürst Kendo-Khar auch sofort gewährt wurde.
Als sich die Aquanauten und ihre Gastgeber gleich darauf im Foyer vor dem großen Besprechungsraum zu einem Imbiss versammelten, nahm Ayla Brigid-Thor zu Seite und deutete auf einen runden Tisch, der von einer bequem aussehenden Sitzgruppe umringt war.
„Lass uns da drüben hinsetzen. Ich würde von dir gerne noch mehr über diesen Angriff außerirdischer Insektenwesen erfahren, weil wir Aquanauten davon damals gar nichts mitbekamen. In der bisherigen Hypno-Schulung bin ich zudem zu diesen Kapiteln eurer Geschichte noch nicht vorgedrungen.“
„Sehr gerne, Admiral Ayla – auch wenn mir das schwerfällt“, erwiderte Brigid-Thor freundlich lächelnd, wonach sie gleich wieder ernst wurde und weitersprach. „Doch erstmal hole ich uns was fürs leibliche Wohl. Hast du irgendwelche Vorlieben?“
„Da ich noch nicht viele eurer Gerichte kenne, überlass ich das Aussuchen gerne dir“, erwiderte die Aquanautin – glücklich darüber, dass ihr jemand, der sich mit den vorbereiteten Snacks und Getränken auskannte, die Auswahl abnehmen würde.
Als Brigid-Thor mit einem Tablett voller Speisen und Fruchtsäften zurückkehrte und sich ebenfalls hingesetzt hatte, erklärte sie ihrer neuen Freundin, um was es sich bei den diversen Gerichten und Getränken handelte. Als diese nach kurzem Zögern endlich beherzt zulangte, kam die Lemurerin auf die zuvor gestellte Bitte der Aquanautin zurück.
„Zuerst mal muss ich dir in einer Sache Recht geben“, meinte sie, während sie sich genüsslich ein Marmeladencroissant einverleibte.
„Meine Vorfahren empfanden sich nämlich, genauso wie meine Landsleute während meiner ersten Lebensphase, stets als Krone der Schöpfung. Deshalb dachten sie bis kurz vor dem Angriff der STYXX wohl auch nicht im Geringsten daran, dass es außer ihnen vielleicht noch andere intelligente Rassen im bekannten Universum geben könnte. Noch dazu solche, die sich als Feinde der Menschheit entpuppen würden.
Nur änderte sich diese Fehleinschätzung in dem Moment, als meine damaligen Mitbürger völlig überraschend von der bereits erwähnten grausamen Insektenrasse STYXX eines Besseren belehrt wurden. Und wie ich bereits berichtete, kamen bei diesem unverhofften Angriff nicht nur meine Mutter, sondern im Zuge der nur kurz währenden Raumschlacht leider auch mein damaliger Verlobter als Kommandant eines von meinem Stützpunkt gestarteten Kampfschiffs der Einsatzreserve ums Leben.“
„Das tut mir sehr leid, Brigid. Es ist schrecklich, geliebte Menschen auf solch grausame Weise zu verlieren. Wenn ich alleine an die vielen Millionen deiner auf PHAETON gestorbenen Landsleute denke, schmerzt auch mich das im Nachhinein sehr.
Ich hoffe daher, dass du und deine noch lebenden Landsleute diese schlimmen Verlusten irgendwann überwinden könnt – da die Trauer über das damalige Geschehen noch immer in dein Antlitz geschrieben steht“, nahm Admiral Ayla den Gesprächsfaden jetzt mitfühlend wieder auf, während sie urplötzlich aufstand, auf Brigid-Thor zutrat und diese ohne lange Umschweife vorsichtig umarmte.
„Danke, Ayla. Ich kann dein ehrliches Mitgefühl spüren, auch wenn ich keine Telepathin, sondern nur eine gewöhnliche lemurische Kriegerin bin. Und obwohl ich mich jetzt damit vielleicht noch mehr aus der Deckung wage, muss ich dir auch noch offenbaren, dass mein Vater Dagmund seinerzeit der letzte Verteidigungsminister des phaetonischen Rats gewesen ist.
Nur war der schon damals ganz sicher kein engstirniger Kommisskopf, wie es seine früheren Kollegen offensichtlich gewesen sind. Auch er und meine Tante Admiral Anuk-Thor haben glücklicherweise, ebenso wie ich, den seinerzeitigen Angriff der STYXX in Kältetanks hier auf TERRA überlebt, aus denen sie ebenfalls erst vor wenigen Jahren von überaus mutigen Terranern und Larojanern gerade noch rechtzeitig vor dem Versagen ihrer Überlebenseinrichtungen befreit wurden.
Andere Menschen meines Volkes hatten damals nicht so viel Glück, wie wir. Das sagte ich ja bereits. Auf PHAETON starb nahezu die gesamte lemurische Bevölkerung. Aber auch von dort gibt es einige wenige, die das Auseinanderbrechen meines Heimatplaneten auf wundersame Weise überlebt haben. Einige der von PHAETON abgesplitterten Asteroidenstücke existieren nämlich im heutigen SOL-System noch immer.
Die Terraner nennen einen von diesen Kleinstplaneten CERES und ebendort fanden sie eher zufällig in unserem ehemaligen Flottenhauptquartier einige wenige meiner Landsleute, die sich nach dem Auseinanderbrechen unseres Werft- und Kriegsplaneten in die dortigen Kältetanks retten konnten.
Dort drüben neben General Blackhorse sitzt zum Beispiel Admiral Mero-Khan, der ehemalige Chef unserer phaetonischen Raumflotte. Heutzutage leitet er hier auf TERRA alle Forschungsaktivitäten, die sich mit der Suche nach den Hinterlassenschaften der Ersten Menschheit beschäftigen.
Mit dem Begriff „Erste Menschheit“ werden nämlich die alten Lemurer noch immer von den Terranern bezeichnet. Darüber, und über die Geschichte, wie und von wem er vor etwa 14 Jahren gerettet wurde, wird er dir bei Gelegenheit sicher gern mal berichten. 15
Doch weiter im Text. Die bei der Explosion von PHAETON entstandenen Trümmerstücke verteilten sich kraft der Anziehung unserer Sonne nicht nur ringförmig im Raum und bildeten dort einen heute zwischen JUPITER und MARS gelegenen Meteoritengürtel, sondern etliche von ihnen rasten, wie in einer Wolke, in Richtung der benachbarten Planeten des Solaren Systems. Dort lösten sie weitere Bodenexplosionen aus, die danach wiederum herausgeschlagenes Material von der Oberfläche in den Raum schleuderten, welches anschließend erneut auf die nächstgelegenen Planeten TERRUM und MARS herabregnete.
Diese speziellen, von der Gravitation unserer Sonne nicht mehr einzufangenden primären und sekundären Trümmerwellen vernichteten somit nicht nur fast alles ungeschützte Leben auf TERRUM, sondern sie sorgten in Folge auch dafür, dass der unmittelbare Nachbarplanet MARS seine Atmosphäre verlor und somit unbewohnbar wurde.
Und um es mal klar zu sagen: Es war dabei vor allem ein im heutigen Golf von Mexiko eingeschlagener tonnenschwerer Asteroid, der wegen der von ihm ausgelösten und über lange Jahre wirksamen Klimakatastrophe, die Ursache für die Vergiftung der terranischen Meere und damit auch eures Lebensraums gewesen ist. Nur habt ihr das in eurem Unterwasserstützpunkt gar nicht mitbekommen, weil ihr zum Zeitpunkt dieser zweiten galaktischen Katastrophe schon längst in euren Kältetanks lagt.“
„Das habe ich soweit verstanden. Und ich glaube dir deine Aussagen auch, selbst wenn die von dir geschilderten Ereignisse, um es mal vorsichtig zu formulieren, für uns noch immer ein wenig obskur klingen. Aber von wem stammen dann die heute hier lebenden Terraner ab, zu denen zumindest Admiral Amals Freund und das Ehepaar Kranz gehören?
Du hast uns doch eben gesagt, dass es hier, also auf dem damaligen TERRUM, nahezu keine Überlebenden gab. Weshalb also verfügen einige von deren heutigen Nachfahren über diese wundersamen Para-Fähigkeiten?“, fragte die Aquanautin jetzt verwundert.
„Das erkläre wohl besser ich, verehrte Ayla“, ergriff an dieser Stelle der soeben zu den beiden diskutierenden Frauen hinzugekommene Alexander Kranz das Wort, ehe er sich einen der am Pausentisch noch unbesetzten Sessel schnappte.
„So wie meine guten Freunde Bart Blackhorse und der Kommandant der KIMBAL, General Tony Masterson, sind auch meine Gefährtin Mora, die da vorne grad mal wieder mit unserem Boss Kendo und Admiral Mero schwätzt, gebürtige Terraner. Und da du nach Brigids Erläuterungen davon ausgehen musst, dass es hier auf TERRA eigentlich keine paranormal begabten Nachkommen der Lemurer geben dürfte, verstehe ich deine momentane Verwirrung.
Nun, ich versuche diesen scheinbaren Widerspruch jetzt einmal aufzulösen. Also, die heutigen Terraner stammen von den alten Lemurern ab, die wir auf TERRA inzwischen Erste Menschheit nennen. Das ist schon richtig.
Sie sind nämlich nahezu alle Nachfahren der Menschen, die nach dem Angriff der STYXX nicht mehr von TERRUM entkamen, weil sie die nach LARO 5 startenden Schiffe nicht mehr erreichen konnten. Und diese Nachfahren, von denen ich gerade spreche, waren und sind auch heute nicht mit paranormalen Fähigkeiten ausgestattet“, baute Alex Kranz jetzt den gedanklichen Spannungsbogen gegenüber der Aquanautin weiter auf.
„Wir wissen heute, dass viele Millionen der zunächst auf dem verwüsteten Planeten TERRUM überlebenden Lemurer im Anschluss an die seinerzeitige Katastrophe umkamen.
Gleichwohl konnten sich etliche von ihnen damals aber auch in vorbereitete Notfall-Evakuierungszentren unter die Oberfläche des Planeten retten. Wobei sie letztlich von genau den Mandoranern unterstützt wurden, die sich mit den Rettungsbooten von General Amals abgestürzter MINOKA durch den anschließend wütenden Meteoritenregen nach TERRUM durchschlagen konnten.
Aber, Admiral Ayla – lass mich an dieser Stelle noch eines vorwegschicken, ehe ich auf deine Kernfrage antworte. Es ist nämlich zunächst einmal die Feststellung wichtig, dass wir allesamt Angehörige der neuen Menschheit sind. Denn uns ist in den letzten Jahren sehr bewusst geworden, dass wir alle miteinander verwandt sind.
Das gilt übrigens gleichermaßen auch für euch Aquanauten und die Angehörigen anderer Völker, die vor vielen Millionen Jahren aus dem SOL-System entweder zu den Sternen auswanderten oder dorthin fliehen mussten. Dies vor allem deshalb, weil wir nämlich allesamt den gleichen Ursprung haben.
Wir heutigen Terraner sind somit Teil dieser gegenwärtig lebenden menschlichen Völkergemeinschaft. Daher spielen die diversen Bezeichnungen zu unserer unterschiedlichen Herkunft heutzutage bei uns auch schon länger keine Rolle mehr. Und ich hoffe, dass das so bleibt und ihr euch dieser Denkweise ebenfalls anschließen könnt.
Doch nun zu deiner vorhin geäußerten, eigentlichen Frage zurück. Ja, du hast eben richtig vermutet – es gibt in der neuen Menschheit einige Personen, die paranormal begabt sind. Das gilt in erster Linie für die Menschen, die vom Planeten LARO 5 zu uns gekommen sind, und ohne deren Technologie wir heute nicht hier beieinandersäßen.
Aber es gehören auch ein paar auf TERRA geborene Personen dazu, zu denen beispielsweise auch meine Frau und ich zählen. Der Grund für unsere wiedergewonnenen Parafähigkeiten dürfte die Tatsache sein, dass larojanische Mediziner schon vor langer Zeit vielfältige Methoden zur Aktivierung brachliegender Teile des menschlichen Gehirns entwickelten, die auch bei meiner Mora und mir Anwendung fanden.
Nun, ich selber bin seither Teleporter und ich habe darüber hinaus mittlerweile schwache telepathische Fähigkeiten entwickelt. Jedoch beherrscht meine Frau das Gedankenlesen noch viel besser, als ich.
Wir sind zwar beide auf diesem Planeten geboren, aber wir haben, anders als die übrigen Terraner von heute, larojanische Vorfahren. Der Grund dafür ist, dass meine Frau und ich, wie noch einige andere Terraner, Nachfahren der Besatzung eines vor fast 3.000 Jahren auf TERRA gestrandeten larojanischen Forschungsschiffs namens KUNTUR sind.
Dessen Crew war seinerzeit von LARO 5 aufgebrochen, um nach der in ihren Datenspeichern verloren gegangenen Position ihres Herkunftsplaneten zu suchen. Von diesem Herkunftsplaneten wussten die Larojaner damals nicht viel mehr als dessen Namen. Und sie wussten, dass ihre Vorfahren nach einer galaktischen Katastrophe von TERRUM ins LARO-System geflohen waren.16
Allerdings strandete die Crew der KUNTUR bei diesem Flug schon kurz nach der Landung auf unserem Planeten. Jedoch ist das eine andere Geschichte, die meine Frau oder ich dir bei Interesse später gern mal in allen Einzelheiten erzählen werden. Im Moment nur soviel:
Als meine Frau und ich bei einem Spaziergang vor fast 15 Jahren eher zufällig über dieses, in einem Berg eingeschlossene, havarierte Erkundungsschiff der Larojaner stolperten, lebte die biologische Besatzung schon längst nicht mehr. Die Besatzung hatte nämlich das Wrack der KUNTUR verlassen, um fortan mit den damals lebenden Menschen TERRAS zusammenzuleben.
Jedoch trafen wir an Bord des verschütteten Schiffs auf unsterbliche larojanische Androiden, die mit uns die vorhin erwähnte Hirnaktivierungsprozedur durchführten. Was aber nur deshalb funktionierte, weil die Androiden erkannt hatten, dass wir beide offensichtlich zu den späten Nachfahren der seinerzeit auf TERRA gestrandeten, ehemaligen Schiffsbesatzung gehörten.“
„Danke für diese Auskunft, Alex. Dass du mich nicht anlügst, konnte ich spüren, denn auch ich verfüge – so, wie alle meine Aquanauten – über telepathische und besondere emphatische Fähigkeiten. Ich habe zwar keine Gewissheit, aber ich denke, dass wir diese vererbbaren paranormalen Fähigkeiten zur besseren Bewältigung unseres Lebens unter Wasser bereits vor langer Zeit von unseren gemeinsamen mandoranischen Freunden erhielten.“
In diesem Moment setzten sich auch Großfürst Kendo-Khar, General Amal und ihr Verlobter Bart Blackhorse sowie General Tony Masterson zu der kleinen Gruppe, die sich gerade noch einmal mit den bereitstehenden Snacks und Fruchtsäften versorgte.
„Ich habe deine eben gemachten Ausführungen intensiv verfolgt“, grinste die Mandoranerin Amal die Anführerin der Aquanauten unverzüglich an. „Doch ehe ich darauf näher eingehe, will ich dir erstmal General Tony Masterson vorstellen.
Er war ursprünglich terranischer Kampfpilot. Mittlerweile befehligt er das Großkampfschiff KIMBAL, wenn er mal nicht gerade als Stellvertreter meines Verlobten Bart Blackhorse einspringen muss. Die KIMBAL ist eines der großen Trägerkampfschiffe, die du wahrscheinlich schon vorgestern beim Anflug auf den hiesigen Raumhafen gesehen hast.“
„Ich freue mich sehr dich kennenzulernen, Admiral Ayla“, begrüßte jetzt auch der frühere amerikanische Fliegergeneral die überaus attraktive Aquanautin mit einer höflichen Verbeugung. Wobei er anscheinend nicht umhinkonnte, ihr während der in diesem Augenblick erneut einsetzenden Rede der Mandoranerin Amal pausenlos bewundernde Blicke zuzuwerfen.
„Gut, dann will ich mal weitererzählen. Und übrigens Tony und Ayla – ich merke gerade, dass ihr beide euch ziemlich sympathisch findet. Das ist doch schon mal ein gutes Anzeichen für eine erweiterte Völkerverständigung.
Aber ich will nicht abschweifen. Also liebe Ayla, ich bestätige dir gerne, dass ihr unter anderem auch eure Parafähigkeiten uns Mandoranern zu verdanken habt“, fuhr General Amal jetzt amüsiert lächelnd fort.
„Die mandoranischen Mediziner meines früheren Saatschiffs MINOKA haben euch Aquanauten bei meinem ersten Besuch auf TERRUM jedoch nicht nur diese Begabung verliehen, sondern sie haben euch vor allem zum Leben unter Wasser befähigt.
Beides geschah, indem sie eure Vorfahren, übrigens mit deren Zustimmung, genetisch veränderten und euch so ermöglichten, unter Wasser zu atmen. Ihr erhieltet damals nämlich, zusätzlich zu euren normalen Lungen, vererbbare Kiemengeflechte, die wir euch hinter euren Ohren einpflanzten.
Wie du vielleicht weißt, wollten wir Mandoraner mit dieser Maßnahme vor allem eine strikte Trennung der Lebensräume von Aquanauten und Lemurern und damit die Absicherung des geschlossenen Friedensvertrags erreichen. Dies insbesondere deshalb, um zu verhindern, dass eure Volksgruppen nach unserer Abreise wieder an der Stelle weitermachen würden, an der sie kurz vor unserem ersten Besuch aufgehört hatten.
Liebe Ayla, wie du selber vorhin schon erwähnt hast, sollte deshalb mit Blick auf eure Zukunft, das Leben an Land für dich und deine Aquanauten, nach einer gewissen Eingewöhnungszeit, kein größeres Problem darstellen.
Denn, wie ich an den kaum sichtbaren Spalten hinter euren Ohren erkenne, ist diese Fähigkeit bei dir und deinen Leuten nach wie vor vorhanden. Als das Nahrungsangebot nach der von dir geschilderten ersten Katastrophe wegen der Vergiftung eurer Meere immer weiter zurückging, mussten scheinbar die meisten von euch aus der subozeanischen Enklave eures angestammten Lebensraums auf TERRUM fliehen.
Meines Erachtens geschah diese Flucht jedoch lange vor dem großen lemurischen Exodus, welcher unmittelbar nach der von den STYXX-Bestien ausgelösten zweiten Katastrophe mit allen verfügbaren Raumschiffen stattfand und das LARO-System zum Ziel hatte.
Die im SOL-System heute noch lebenden Lemurer erinnern sich offenbar nicht mehr daran, dass es bereits lange vor der Flucht ihrer Landsleute nach LARO 5 eine erste Fluchtwelle mit einem ganz anderen Ziel gegeben hat. Das Schicksal von euch Aquanauten geriet wahrscheinlich auch deshalb in Vergessenheit, weil fast alle lemurischen Datenspeicher bei der zweiten galaktischen Katastrophe vernichtet wurden.
Das soll zunächst als erste Information reichen – über alles Weitere können wir in den kommenden Tagen noch ausreichend reden. Ich verbürge mich an dieser Stelle außerdem dafür, dass alle bisher vorgetragenen Fakten wahr und keine Hirngespinste sind.
Auch wenn ich fühle, dass dein Chefwissenschaftler und Stellvertreter Admiral Kami den Informationen auf den euch von den Professoren Berger und Grant übergebenen Datenspeichern anscheinend noch immer nicht so recht glaubt.
Ich würde mich deshalb sehr darüber freuen, wenn ihr Aquanauten den hier anwesenden Menschen ein wenig mehr Vertrauen entgegenbringen würdet. Und das gilt insbesondere für deine Begleiter, von denen einige noch immer versteckte Vibrationskampfmesser in ihren schicken Schwimmanzügen verborgen halten.
Legt also bitte diese Messer ab, oder tragt sie wenigstens offen – ich garantiere euch, dass eure Retter keine Gefahr für euch Aquanauten darstellen.
Die Leute hier sind zwar unterschiedlicher Herkunft, aber sie sind allesamt äußerst friedliebende Menschen und sie schleppen – im Gegensatz zu euch – keinerlei Waffen mit sich herum. Darüber hinaus sind sie einfach nur bewundernswerte und äußerst hilfsbereite Bewohner dieses schönen blauen Planeten, die vorbildlich zusammenhalten.
Das sage ich vor allem deswegen, weil diese Leute auch mich nach dem Absturz meiner alten MINOKA vor einigen Jahren gerade noch rechtzeitig aus meinem auf LUNA havarierten Saatschiff bergen und wieder zum Leben erwecken konnten17.
Außerdem haben diese Menschen, Seite an Seite mit uns Mandoranern, erst vor kurzer Zeit mehrfach erfolgreich gegen die erneut aufgetauchten Schwärme der STYXX-Invasoren gekämpft und deren befehlshabende Königin MAROOX bei der Befreiung anderer, von Menschen bewohnten Planeten in die Flucht geschlagen.“
„Ich bin von deinen faszinierenden Aussagen überwältigt, General Amal. Und ich denke, dass das auch auf meine übrigen Aquanauten zutrifft“, erwiderte Admiral Ayla spontan, während sie ihren Begleitern zunickte und unverzüglich auf telepathischem Weg befahl, die bisher von ihnen versteckt getragenen Waffen abzulegen.
„Okay, dann lasst uns mal wieder in den Konferenzraum gehen“, meinte der bislang gespannt zuhörende, jetzt allerdings still vor sich hinlächelnde JDEF-Oberbefehlshaber Kendo-Khar.
„Schließlich sind Admiral Ayla und ihre Gefährten sicher schon sehr auf Alex und Moras Unterbringungsvorschläge gespannt.“
Auf dem Weg in den Besprechungssaal nahm General Tony Masterson gleich im Anschluss die ihn jetzt etwas verwundert anschauende Anführerin der Aquanauten bei der Hand und fragte freundlich:
„Admiral Ayla, sofern du heute Abend noch nichts geplant hast, würde ich dich gerne zum Dinner in eines unserer großartigen Restaurants vor den Toren des Raumhafens einladen.
Immerhin bin ich einer der wenigen hier anwesenden Terraner, der aus dieser Region TERRAS stammt und ich würde dir an den kommenden Wochenenden außerdem gerne einmal die Schönheit meiner Heimat aus der Luft zeigen.“
Die von diesem Angebot überraschte Aquanautin, sah ihr durchtrainiertes Gegenüber jetzt mit offenkundig prüfender Miene an, während sie sich eine angemessene Antwort zu überlegen schien. Als der in seiner saloppen Fliegerjacke noch ziemlich jung wirkende Amerikaner schon dachte, dass er mit dieser Einladung vielleicht ein wenig zu forsch vorgegangen sei, antwortete ihm Ayla:
„Ein gemeinsames Abendessen? Nun, das klingt nicht schlecht. Ich denke, dass ich mir heute die Zeit dafür freinehmen kann. Aber was die angebotenen Wochenendausflüge angeht, muss ich mir das noch reiflich überlegen.
Vor allem wüsste ich vorher gern zu erfahren, was du eben mit dem „Zeigen aus der Luft“ genau gemeint hast,“ entgegnete die Aquanautin mit ein wenig unsicher klingender Stimme, während sie dem Mann neben ihr immer wieder verstohlene Blicke zuwarf, die Tony Masterson jedoch mit einem Lächeln im Gesicht sehr wohl registrierte.
„Tja, das bleibt erst mal mein Geheimnis“, schmunzelte der ehemalige Jagdpilot jetzt. „Ich möchte dich damit nämlich überraschen. Und sofern du mutig bist und dich darauf einlässt, verspreche ich dir, mich bei den offerierten Wochenendausflügen wie ein Gentleman zu benehmen.“
„Na gut, Tony – dann frag‘ mich bitte nach unserem Dinner nochmal – ich werde dir vielleicht schon an dessen Ende sagen können, ob ich an solch einem Wochenendausflug Interesse habe. Doch jetzt sollten wir wieder zu den anderen reingehen, damit ich den Anfang von Fürstin Moras und Fürst Alex Rede nicht verpasse“, erklärte Ayla postwendend, während sie jetzt verhalten vor sich hinlächelte.
Als alle Besprechungsteilnehmer wieder Platz genommen hatten, begann zunächst Alex Kranz mit seinen Ausführungen:
„Meine Frau sowie General Blackhorse und ich haben uns gestern ein paar Gedanken gemacht, wo ihr zukünftig unterkommen könntet. Wir verfügen nämlich anlässlich vergleichbarer Herausforderungen über einige Erfahrungen in solchen Dingen. Doch zunächst wollen wir euch mal ein paar Aufnahmen einer hier ganz in der Nähe liegenden Region zeigen, die unseres Erachtens als mögliche neue Heimstatt für euch Aquanauten infrage kommen könnte.“
Sofort nach dieser Ankündigung von Alex spielte Mora Kranz jetzt etliche Bild- und Videosequenzen auf einer riesigen Videoleinwand ab, die das Paiute-Reservat am Lake Pyramid zeigten. Gleichzeitig mit den ersten Bildern begann sie zu kommentieren:
„Was ihr hier auf diesem Bildmaterial seht, ist das Reservat der Paiute-Indianer. Die heutigen Paiute stammen von früheren Ureinwohnern dieses Kontinents ab. Sie leben dort bereits seit 170 Jahren und verwalten ihr Gebiet seither selbst. Doch zuvor gab es lange Kämpfe zwischen ihnen und den damals in ihr Land eingedrungenen weißen Menschen.
Das dauerte solange, bis es nach einem Friedensvertrag endlich gelang, diese Kriege zu beenden. Also ist das, was die Ureinwohner dieses Kontinents damals erlebten, ein ganz ähnlicher Fall, wie ihr Aquanauten den auch aus eurer Geschichte kennt.
Der Anführer des Paiute-Indianerstamms heißt in unserer Sprache Chief David Grey Bear. Ihn, seine Frau Rosie und seine Pflegesöhne Bill und Nick Carter, zählen Alex und ich schon seit etlichen Jahren zu den engsten Freunden unserer Familie. Außerdem sind seine Söhne Bill und Nick schon von Anfang an bei all unseren Abenteuern dabei gewesen – und inzwischen gehören sie zum fliegenden Personal der JDEF.
Wie es dazu kam, werdet ihr sicher noch erfahren. Jetzt aber zurück zu dieser wunderschönen Gegend, die ihr da gerade auf diesen Bildern und Videos seht. Das Besondere daran ist der große Pyramid Lake, in dem seine namensgebende Pyramide liegt, in deren Inneren wir vor einiger Zeit einen lemurischen Ferntransmitter entdeckt haben.
Aber noch viel wichtiger ist dieser Berg am nördlichen Ufer des Sees. Wir haben ihn auf den Namen Mount Hope getauft, als wir unter seiner Oberfläche eine noch intakte lemurische Schiffswerft einschließlich der in Kältetanks ruhenden lemurischen Werftbesatzung entdeckten. Und in der riesigen Werft lag ein fast fertiggestellter Schiffsneubau auf Reede, der aber seinerzeit zur Abwehr des STYXX-Angriffs leider nicht mehr eingesetzt werden konnte.
Tja, und den Bau dieses 1.500 Meter durchmessenden Kugelraumers mit dem Namen FREYA haben lemurische, larojanische und terranische Ingenieure inzwischen vollendet. Die FREYA steht jetzt schon seit einiger Zeit unter dem Kommando von Admiral Vigor-Kel, den ihr sicher noch kennenlernen werdet.
Was ihr über dieses Indianerreservat noch wissen müsst, ist die Tatsache, dass auch Brigids Tante, Admiral Anuk-Thor, mit ihren Leuten sowie viele neu dorthin gezogene Menschen unterschiedlicher Herkunft inzwischen dort leben. Das war nämlich die erste Besiedelungsaktion, die wir damals im Einvernehmen mit Chief David Grey Bear in einem Nachbartal östlich des Sees durchgeführt haben.
Für euch dürfte dabei von besonderem Interesse sein, dass sich mittlerweile in eben diesem Tal die von Brigids Tante Anuk befehligte sogenannte Fliegende Stadt befindet. Diese Fliegende Stadt haben wir erst vor kurzem ganz in Nähe eures Unterwasserstützpunkts vom Grund des Pazifiks geborgen. Sie ist zwar – wie es der Name schon sagt – flugfähig, aber eigentlich handelt es sich bei ihr ebenfalls um eine Werft zum Bau von Großraumschiffen.
Und in dieser Anlage lag ein gerade erst begonnener Schiffsneubau mit Namen THOR auf Reede, den wir erst vor wenigen Monaten fertiggestellt haben. Wobei dieses kreuzhantelförmige Aufklärungsschiff seither unter dem Kommando von Anuk-Thor steht.
Ganz nebenbei wohnt nicht nur meine Familie seit Anfang des Jahres im Reservat. Auch Brigid-Thor sowie ihr Ehemann Nick Carter sind dort zuhause, sofern sie mal grad nicht durchs Weltall kreuzen. Das ist momentan unter anderem auch deshalb praktisch, weil Brigids Kugelraumer TAIFUN und das derzeit von mir und meinem Mann kommandierte Explorerschiff MHORA-X gegenwärtig in den genannten beiden Werften modernisiert werden. Und da möchten wir alle natürlich vor Ort mit dabei sein.“
„Mora Kranz machte eine kurze Pause – doch noch ehe einer ihrer gespannten Zuhörer fragen konnte, hob sie nochmal ihren Zeigefinger und fügte ihren bisherigen Ausführungen noch etwas hinzu.
„Beinahe hätte ich’s vergessen. Da gibt es noch eine weitere Sache, die euch möglicherweise bei eurer Entscheidung helfen kann. Aber das sollte euch vielleicht besser General Amal erklären, denn auch sie lebt in einer Neubausiedlung in eben dem Tal, in dem die Fliegende Stadt inzwischen steht. Und das hat einen ganz besonderen Grund.“
Jetzt war es an der Mandoranerin Amal, Moras bisherige Ausführungen zu ergänzen. Daher stand sie auf und stellte sich neben Mora vor das mucksmäuschenstille Auditorium.
„Was Mora meint, ist die Tatsache, dass meine Retter, die mich damals aus meinem Wrack auf LUNA befreit haben, auch mein havariertes Schiff MINOKA in dieses Nachbartal des Lake Pyramid gebracht haben.
Seither ist der Bereich, in dem man nicht nur meine verunglückte MINOKA, sondern auch einige andere, aus dem Raum geborgene Überreste der damaligen Raumschlacht zwischen STYXX und Lemurern besichtigen kann, ein denkmalgeschützter Ort.
Viele Menschen aller Sternennationen besuchen diesen Ort, wenn sie sich auf TERRA aufhalten. Und ich kann mir gut vorstellen, dass auch ihr diese Artefakte bald einmal zu Gesicht bekommen wollt.
Lasst mich jedoch am Ende noch etwas zu David Grey Bear und zu seinem Paiutevolk sagen. Bitte habt vor ihm und seinen Stammesangehörigen keine Angst. Genauso, wie die hier anwesenden Terraner und die noch lebenden Lemurer, sind auch diese Nachfahren der früheren Ureinwohner keine Feinde fremder Völker. Das haben sie nämlich schon mehrfach bewiesen.
Darüber hinaus werden sie sich sicher über weitere neue Nachbarn freuen, weil allein deren Einzug die Wirtschaftslage in diesem nach wie vor autonomen Gebiet angekurbelt hat. Und ich bin mir sehr sicher, dass die heute im Reservat lebenden Menschen auch eure Freunde werden können, sofern ihr das von Mora und Alex vorgestellte Angebot annehmt.“
„Ich bin von der Masse an Informationen noch ganz erschlagen und ich danke euch herzlich für eure Mühe“, meldete sich an diesem Punkt die Aquanautin Ayla erneut zu Wort.
„Obwohl es für meine Leuten und mich noch immer ein bisschen ungewohnt ist, glaube ich, dass ein Zusammenleben, selbst mit ehemaligen Gegnern funktionieren könnte. Denn irgendwo auf TERRA müssen wir ja schließlich eine neue Heimat finden“, erwiderte die führende Aquanautin Ayla umgehend.
„Allerdings kann ich nicht verhehlen, dass meine Besatzung die früheren lemurischen Gegner unseres Volks noch immer unterschwellig verabscheut. Denn bisher waren wir uns gewiss, dass sie uns unsere missliche Lage eingebrockt hätten.
Unsere Großstädte auf dem vorgelagerten Kontinent MURA existieren nicht mehr. Das haben die von meinem Stützpunkt entsandten Erkundungskommandos kurz nach der ersten Katastrophe herausgefunden. Deshalb müssen wir jetzt eine neue Heimat finden, das steht für mich außer Frage.
Allerdings werden Kami und ich wohl noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit wir alle gemeinsam auf dem beschwerlichen Weg zur gegenseitigen Verständigung voranschreiten können. Gleichwohl hört sich alles, was ihr uns heute mitgeteilt habt, sehr positiv an. Gebt uns jedoch bitte noch ein wenig Zeit, damit wir euren Vorschlag auch untereinander noch eingehender diskutieren und abstimmen können.“
„Gut, Admiral Ayla. Nehmt euch soviel Zeit, wie ihr braucht. Vorläufig seid ihr ja gut – wenn auch provisorisch – auf Barts Einsatzbasis untergebracht“, meinte Mora Kranz in diesem Moment.
„Und wenn ihr eine Entscheidung gefällt habt, sagst du mir bitte Bescheid, damit ich mich diesbezüglich mit Chief David Grey Bear in Verbindung setzen kann. Obwohl er wahrscheinlich ziemlich überrascht aus der Wäsche gucken dürfte, wenn ich ihm diese Bitte unterbreite. Das mache ich nämlich erst dann, wenn ihr euch grundsätzlich vorstellen könnt, künftig am Lake Pyramid zu leben.“
„Ich stimme der Bewertung meiner Chefin zu und schließe mich ihrer Bitte um Bedenkzeit an. Vielleicht können wir das Gebiet ja auch in den kommenden Tagen einmal selber besuchen“, ließ sich jetzt Aylas Stellvertreter und Chefwissenschaftler des Unterwasserhabitats, Admiral Kami, vernehmen, der gleich noch hinzufügte:
„All die von euch geschilderten Details waren mir so nicht bekannt, deshalb danke ich euch für die gewährte Erhellung“, meinte er, ehe er auch schon sehr viel freundlicher, aber mit dennoch sichtbar grüblerischer Miene fortfuhr:
„Demnach sind wir hier also die 80 Aquanauten, denen gerade das Feindbild ihres bisherigen Lebens abhandengekommen ist. Und unsere nach der Katastrophe in den Raum gestarteten Schiffe werden wahrscheinlich nie mehr nach TERRA zurückkehren. Was zugleich bedeutet, dass wir Aquanauten wohl künftig als monumentaler Evolutionsscherz in die Annalen der terranischen Geschichtsschreibung eingehen werden. Und in unser fast komplett zerstörtes früheres Habitat unter dem Meer können wir ja sehr wahrscheinlich ebenfalls nie mehr zurückkehren.“
„Das ist Quatsch, Admiral Kami. Und das kannst du doch sicher auch fühlen“, brach es in diesem Moment, angesichts der zweifelnden Worte des Admirals, aus der temperamentvollen Mora Kranz heraus.
„Admiral Kami, du kennst mich inzwischen schon ein bisschen und daher bitte ich dich, mir meine impulsive Art nachzusehen. Ich war bis vor einigen Jahren die Kommandantin der CONDOR-X, die mittlerweile von meinem Freund Viktor Thule befehligt wird.
Bei diesem Schiff handelt es sich um die wieder instandgesetzte und modernisierte ehemalige KUNTUR meiner altlarojanischen Vorfahrin, die vor knapp 3.000 Jahren als 1. Offizier mit ihrem Schiff ohne Aussicht auf Rückkehr auf unseren Planeten strandete.
Wie du siehst, ist nichts unmöglich. Alles kann instandgesetzt werden – und sei es noch so alt. Das gilt auch für euren Stützpunkt unter dem Ozean. Man muss es nur wollen, dann bekommt man solch einen Wiederaufbau mit der Hilfe von Freunden auch hin.
Wie ihr ja bereits wisst, bin ich Telepathin und der Kerl, der mich gerade mal wieder mäßigend in den Arm zwickt, ist mein geliebter Ehemann Alex, der sich ebenfalls in dieser Disziplin übt.
Wir sind zwar beide auf TERRA geboren, gleichwohl verbindet uns unsere Herkunft nicht nur mit den hier anwesenden Lemurern und den übrigen Terranern, sondern insbesondere auch mit den seinerzeit ins LARO-System ausgewanderten Menschen. Und nur mit ihnen gemeinsam waren wir in der Lage unsere bisherigen Abenteuer zu überstehen.
Dass ich dich nicht anlüge – und ihr das auch erkannt habt, zeigen mir eure ausgesprochen gut trainierten telepathischen Fähigkeiten, mit denen ihr meinen Mann und mich schon die ganze Zeit über belauscht. Das ist kein Vorwurf, sondern lediglich eine Feststellung. Und auf diese besondere Art und Weise habt ihr alle erfahren, dass wir euch Aquanauten nichts vormachen. Daher wäre es schön, wenn ihr euch endlich dazu durchringen könntet, uns ein wenig mehr Vertrauen zu schenken.“
„Ja, ich denke, dass Fürstin Mora gerade zu Recht ein wenig ärgerlich geworden ist“, meinte die Führerin der Aquanauten augenblicklich zu ihren Leuten. „Genauso, wie du, mein lieber Kami, habe ich sie und ihren Mann vorhin bei ihren anschaulichen Vorträgen telepathisch beobachtet. Daher wissen wir beide, dass Argwohn gegenüber diesen Leuten nicht mehr angebracht ist, gleich welcher Herkunft sie auch sein mögen.“
Bei diesen Worten wandte sich Ayla direkt an das Ehepaar Kranz und sagte: „Entschuldigt bitte meine Gedankenschnüffelei, aber natürlich ist mir selber Moras fortwährende telepathische Beobachtung auch nicht entgangen“, lächelte sie Mora und Alex jetzt an, ehe sie noch einmal mit einem Augenzwinkern in Alex Richtung meinte:
„Übrigens gratuliere ich euch beiden zu eurem Nachwuchs, der im Bauch deiner Ehefrau gerade heranwächst.“
In genau diesem Moment kehrte in der näheren Umgebung von Alex und Mora sowie der still vor sich hinlächelnden Ayla Schweigen ein. Als sich jedoch Alex von dieser überraschenden Nachricht erholt hatte, riss er Mora in seine Arme, wirbelte sie freudestrahlend im Kreis herum. Nachdem er sie wieder auf dem Boden abgesetzt hatte, sagte er laut:
„Du bist mir vielleicht eine alte Geheimniskrämerin, durchlauchte Fürstin. Und ich bin gerade der glücklichste Mann auf der Welt. Wann hattest du eigentlich vor, mich Unwissenden über deinen Zustand in Kenntnis zu setzen?“
„Ich war noch nicht bei unserem Bordarzt – deswegen wollte ich noch sein Urteil abwarten, um sicher zu sein, dass die Schwangerschaftstests letzte Woche richtig angezeigt haben. Bitte mein Schatz, verzeih mir meine Zurückhaltung.“
„Schon vergeben, Liebste. Ich freue mich nämlich gerade so sehr, dass ich dir kein bisschen böse sein kann. Komm her und lass dich noch einmal drücken.“
„Aber diesmal schwenkst du mich nicht wieder in der Luft herum. Wir wollen doch nicht, dass mir von soviel ungewohnter Bewegung nachher noch übel wird.“
Statt darauf zu antworten, zog Alex seine Frau unverzüglich in seine Arme und flüsterte ihr unter dem Applaus aller Anwesenden ins Ohr: „Aber unseren Zwillingen bringst du diese Neuigkeit bei, okay?“
„Ja mein Schatz, ich muss nur gerade daran denken, dass unsere beiden Telepathen – genauso, wie unsere neue Freundin Ayla, wahrscheinlich bereits Bescheid wissen. Schließlich schnüffeln sie verbotenerweise ständig in meinen Gedanken herum.“
Unter dem daraufhin einsetzenden Lachen der Besprechungsteilnehmer ging kurze Zeit später eine auf den ersten Blick zufriedenstellende Konferenz mit den geretteten Aquanauten zu Ende. Und als sich die Versammelten nach Kendo-Khars abschließenden Worten nach draußen an die frische Luft des noch immer ungewöhnlich kühlen Frühjahrstags begaben, gratulierten viele von ihnen den werdenden Eltern auch persönlich.
Als sich Admiral Ayla jedoch im Vorübergehen lächelnd von Mora und Alex verabschieden wollte, wurde sie von der ernst dreinblickenden Mora Kranz festgehalten. Davon etwas irritiert, sagte die Aquanautin sogleich: „Entschuldige Mora, dass ich vorhin dein Geheimnis ausgeplaudert habe. Das wollte ich nicht, denn ich dachte dein Mann wüsste bereits Bescheid.“
„Mach dir bitte darüber keinen Kopf, Ayla – das ist nun wirklich nicht schlimm. Der Grund, weshalb ich dich gerade am sofortigen Verschwinden hindere, ist ein ganz anderer, aber dennoch sehr persönlicher“, erwiderte Mora jetzt mit einem spitzbübischen Grinsen, ehe sie gleich weiterredete:
„Ich weiß nämlich über dein heutiges Date mit unserem Fliegerass Tony Bescheid. Und da er dich heute Abend in ein auswärtiges Restaurant ausführen möchte, müssen wir zuvor noch etwas an deinem Outfit ändern.“
„Wieso – was stimmt denn damit nicht?“, fragte die Aquanautin jetzt sichtlich verdutzt. „Du trägst doch selber andauernd einen ähnlichen Overall, der anscheinend dein bequem aussehendes Arbeitsgewand an Bord deines Schiffes ist.“
„Allerdings würde mir niemals einfallen, in diesem Outfit zu einem abendlichen Dinner zu gehen, meine Liebe. Tony will dich ja um 19:00 Uhr abholen. Und deshalb kommst du eine Stunde vorher zu mir rüber in mein hiesiges Quartier. Da lagere ich nämlich ein paar hübsche Kleider für feierliche Anlässe – und von denen wirst du heute Abend eins anziehen. Sollte kein Problem darstellen, weil wir uns von Figur und Größe her ziemlich ähnlich sind.“
„Aber ist das denn wirklich nötig?“, fragte Ayla jetzt noch verwirrter als zuvor. „Ja, das ist es, meine Liebe – das ist es wirklich. Vertrau mir bitte. Du willst doch sicher nicht, dass sich die übrigen Gäste des Restaurants über deinen überaus sexy wirkenden Strampelanzug das Maul zerreißen? Außerdem wäre dann sicher auch die Presse nicht weit und du könntest Tony und dich morgen früh in den Zeitungen bewundern.
Also, keine Widerrede – wir treffen uns um 17:30 Uhr bei mir. Das sollte ausreichen, um dich präsentabel aufzuhübschen. Hier ist die Nummer meines Appartements. Keine Sorge – meinen Mann werde ich vorher zum Training in unser Hallenbad schicken. Der Kerl muss nämlich mal wieder ein wenig üben, wenn er demnächst mit euch im Lake Pyramid schwimmen und tauchen gehen will. Aber wenn du möchtest, hole ich dich nachher auch in deinem Zimmer ab. Alles klar?“
„Jaja, ist ja schon gut. Ich werde deinem Rat folgen und pünktlich zu dir rüberkommen“, entgegnete die hübsche Aquanautin umgehend. „Okay, Ayla – und ich teile dem guten Tony mit, dass er dich um 19:00 Uhr bei mir abholen soll. Bis nachher, Ayla – wir sehen uns.“
Als Ayla an diesem Freitag schon eine Viertelstunde vor der vereinbarten Uhrzeit an Moras Appartementtür klopfte, wurde sie von Mora mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht empfangen.
„Du bist wohl schon neugierig darauf, was ich mit dir vorhabe, meine Liebe. Alex hat sich gerade erst davongemacht und außerdem ist er ein bisschen sauer, weil er eigentlich sofort meine Schwangerschaft mit mir feiern wollte.“
„Oh – das wollte ich nicht. Bist du dir sicher, dass du das mit dieser Kleideranprobe wirklich machen willst? Ich möchte nämlich nicht, dass dein Mann mich deswegen nicht leiden kann – zumal er ja erst vorhin von deiner Schwangerschaft erfahren hat.“
„Papperlapapp – schließlich bin ich als Kommandantin meines Schiffs ohnehin Alex Vorgesetzte. Er ist nämlich mein 1. Offizier und Stellvertreter an Bord der MHORA-X. Und daher musste mein Fürst mir auch schon des Öfteren nachgeben, wenn ich meinen Kopf gegen seine Meinung durchsetzen wollte.
Aber keine Sorge, er wird meine Aktion äußerst vergnüglich finden, wenn ich ihm später davon erzähle. Und nun komm mit – jetzt plündern wir erst mal meinen Kleiderschrank.“
„Sowas Schönes habe ich noch nie getragen“, sagte Ayla wenig später, während sie sich mit begeisterter Miene im Spiegel betrachtete. Dieses großartige Kleid ist ganz nach meinem Geschmack. Vor allem die Farbe Lila ist mag ich sehr. Meinst du, dass ich Tony damit gefallen werde?“
„Ganz sicher sogar – ich kenne diesen Filou nämlich schon eine ganze Weile länger als du. Aber noch sind wir nicht ganz fertig. Du brauchst noch Schuhe und Strümpfe, und dann setzt du dich vor den Spiegel, damit ich dich schminken kann. Dezent natürlich, denn eine Maskerade soll das ja schließlich auch nicht werden.“
Als Mora ihre Makeup-Maßnahmen nach einer Weile mit zufriedenem Blick musterte, sagte sie: „So, jetzt schaust du dir das Ganze nochmal in der Totale an. Ich finde nämlich, dass diese modische Veränderung sehr gut zu dir passt.
Und ferner ich bin mir sicher, dass du auch dem lieben Tony in diesem reizenden Outfit gefallen wirst. Gerade klingelt es an der Tür, das wird er schon sein. Bleib hier, ich gehe zur Tür und mache ihm auf.“
„Wow, du siehst umwerfend aus, Ayla. Das ist anscheinend Moras Werk. Ich habe mich nämlich schon gefragt, warum ich dich bei ihr abholen soll“, entfuhr es dem sonst so zurückhaltenden General, als er eintrat und atemlos Aylas Hand ergriff, um ihr einen formellen Handkuss zu geben.
„Vielen Dank. Du siehst aber auch sehr gut aus, Tony. Dein Anzug steht dir“, erwiderte die Aquanautin jetzt mit einem verhaltenen Lächeln, während sie sich alle Einzelheiten des vor ihr stehenden Bilds von einem Mann – trotz ihrer noch immer von Tonys Kuss prickelnden Hand – einzuprägen versuchte.
„Hast du nicht noch was vergessen, Tony?“, fragte Mora sogleich, während sie sich königlich zu amüsieren schien, weil sich das Paar noch immer gegenseitig staunend betrachtete.
„Vergessen? Was meinst du damit?“ „Na die schönen Blumen, die du gerade mit deinen Pranken zu zerquetschen versuchst.“
„Ach so ... die, stimmt ja ... die ... die sind für dich, verehrte Ayla“, stotterte der noch immer um seine Fassung ringende Tony jetzt, während er Ayla den Strauß aus roten und gelben Rosen überreichte.
„Danke Tony“, flüsterte Ayla mit erröteten Wangen, als sie die Nase senkte, um den Duft der Blumen aufzunehmen. „Ist der Kerl nicht nett, Ayla? Aber jetzt haut ihr beide endlich ab – ich lass‘ dir den Strauß nachher in dein Zimmer rüberbringen. Sonst kommt ihr vor lauter Aufregung noch zu spät zum Essen“, unterbrach Mora das schon wieder in bewunderndem Schweigen gefangene Paar.
„Danke Fürstin, das werde ich dir nie vergessen.“ „Schon gut Ayla – das war doch selbstverständlich. Ich wünsche euch zwei einen wundervollen Abend – und du benimmst dich gentlemanlike, mein hübscher Tony. Wir sehen uns morgen, dann werde ich euch getrennt voneinander ausfragen.“
„Diese Mora macht mich nochmal fix und fertig. Immer muss sie mir noch einen Spruch mit auf den Weg geben. Als ob ich nicht selber wüsste, was sich gehört. Das macht sie schon, seitdem wir uns kennengelernt haben, aber trotz allem mag ich sie sehr“, flüsterte Tony seiner Herzensdame ins Ohr, als er Ayla zu seinem chromblinkenden alten Ford Mustang Cabriolet führte.
„Das hab‘ ich gehört, Tony“, schallte jetzt Moras von glucksendem Lachen begleiteter Ruf aus dem Appartementeingang, ehe sie noch immer grinsend die Tür hinter dem adrett aussehenden Paar ins Schloss warf.