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Kapitel 1 Prolog – Kriegsende im Pazifik
ОглавлениеMan schrieb den Februar des Jahres 1946. Knapp sechs Monate war es jetzt her, seit Bill Turner – Spitzname Wild Dog – dem letzten Weltkrieg nach der Kapitulation Japans Anfang September einigermaßen unbeschadet entronnen war.
Als ausgefuchster Pilot einer Grumman F4F Wildcat1 und später eines Grumman F6F Hellcat2-Jagdflugzeugs hatte er den verlustreichen Luftkrieg über dem Pazifik in den ersten Jahren von Bord des Flugzeugträgers USS Enterprise aus mitgemacht.
1943 war er nach einer Reparatur des Trägers Enterprise in Hawaii auf den Flugzeugträger USS Essex gewechselt, nachdem er während der Dockliegezeit seines alten Trägers eine Zeitlang für den erkrankten Kopiloten eines PBY Catalina3-Aufklärers einspringen musste. Denn Piloten waren zu der Zeit ein knappes Gut.
Und bis auf ein paar Bruchlandungen auf dem Meer war er – trotz zerschossener Maschine – mehrfach heil aus brenzligen Situationen herausgekommen.
Kampfpiloten gab es zur Zeit des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor Anfang Dezember 1941 viel zu wenige, wähnte man sich doch in den USA weit weg von den europäischen und asiatischen Kriegsschauplätzen. Daher hatte man in den Jahren zuvor auch die vorbeugenden Verteidigungsanstrengungen des Landes ziemlich vernachlässigt.
Das war nicht nur Bill Turner, sondern auch den meisten seiner amerikanischen Landsleute in dem Moment klargeworden, als die Japaner die Hawaii-Inseln überfielen und damit die USA zum Eintritt in den 2. Weltkrieg zwangen.
Da Bill bereits 1939 als gerade mal 18-jähriger interessehalber das Fliegen einmotoriger Flugzeuge erlernt hatte, war er noch zu Weihnachten 1941 spontan – und ein Stückweit sicher auch aus abgrundtiefer Wut über die vielen Opfer des japanischen Angriffs – freiwillig in die U.S. Navy eingetreten.
Dafür hatte er sogar seine soeben erst begonnene Universitätsausbildung als Jurastudent abgebrochen und stattdessen in Rekordzeit eine Blitzausbildung zum Kampfpiloten eines trägergestützten Jagdflugzeugs absolviert.
Vor allem war es sein dominanter Vater John Turner, der seine Missbilligung über den Schritt seines Sohns mehr als deutlich kundgetan hatte.
Als sich Bill in der Uniform eines Ensign4 drei Monate später frühmorgens in der heimischen Villa in Monterey von ihm verabschieden wollte, kam er seinem Vater gerade recht.
Während seine Mutter Jill bei diesem vorläufig letzten Kontakt vor Besorgnis aus dem Weinen gar nicht mehr herauskam, lies sein Vater John Turner seinem Zorn freien Lauf.
„Wirst schon sehen, was du davon hast, du Idiot“, blaffte der korpulente, mit einem teuren Maßanzug bekleidete Anwalt seinen Sohn an, sobald Bill das pompöse Wohnzimmer der protzigen Villa betreten hatte.
„Einen Platz in Harvard5 gibt man nicht auf – schon gar nicht, wenn man sein Jurastudium mit Auszeichnung bestehen will. Was denkst du dir eigentlich dabei. Meine Kanzlei in Los Angeles braucht schließlich irgendwann einen Nachfolger.
Deine Noten in den ersten drei Monaten Harvard waren ausgezeichnet. Und jetzt willst du das alles hinschmeißen – ich fasse es noch immer nicht. Wie blöd muss man eigentlich sein?
Aber du machst es ja lieber deiner starrsinnigen Schwester nach, die meine Ratschläge ebenfalls ausgeschlagen und sich schon im Sommer in das Haus deiner Großeltern nach Oregon aus dem Staub gemacht hat.“
„Lass gefälligst Stella aus dem Spiel! Oder erinnerst du dich nicht mehr daran, dass du es selber warst, der meine Schwester mit deinen anzüglichen Gemeinheiten aus deiner hochherrschaftlichen Villa rausgeekelt hat.
Und all das nur, weil sie nach der Highschool nicht, wie von dir empfohlen, Jura studieren, sondern lieber als Geschäftsfrau in das Handelskontor unserer Großeltern in Oregon einsteigen wollte!“
„Halt deine freche Klappe, Sohn – oder siehst du nicht, dass deine Mutter bereits ebenfalls darüber weint, dass du dich im Krieg umbringen lassen willst?“
„Das ist nicht der Grund, John. Schon gar nicht, weil du gerade unseren Sohn so abkanzelst und Stella und meine Eltern grundlos diffamierst“, ergriff nun Jill Turner schniefend das Wort.
Dann legte Jill Turner, geborene Morgan, nach langer Zeit erstmals einen Mut an den Tag, den ihr Sohn ihr bis dahin niemals zugetraut hätte.
„Ja, ich sorge mich auch um dich, das ist schon wahr. Aber ich respektiere die Gründe für deine Entscheidung, Bill“, fuhr sie fort.
„Ganz egal, was dein Vater sagt. Dem geht’s ja immer nur um seine bescheuerte Kanzlei und seine dubiosen Geschäftsbeziehungen, die er bei der Verteidigung von ausgewiesenen Gangstern pflegt.
Ich weine nur, weil ich Radio höre und von daher weiß, wie viele gute Amerikaner schon in den ersten Kriegsmonaten nach Pearl Harbor umgekommen sind. Und ich habe eine höllische Angst davor, dass dir das Gleiche passiert.“
„Na dann bereite dich schon mal auf noch Schlimmeres vor, du Märchenerzählerin. Bin mal gespannt, wann sie uns deinen Sohn in einem Sarg zurückschicken.
Manchmal frage ich mich wirklich, ob Stella und dieser Bekloppte hier wirklich meine leiblichen Kinder sind.
Vielleicht hast du sie mir ja nur untergeschoben, während du dich in meiner Abwesenheit von deinen Liebhabern hast schwängern lassen.
Unter der Woche war ich ja passenderweise immer lange genug in meiner Kanzlei in Los Angeles – da hattest du ja genug Gelegenheit, deine Langeweile mit anderen Männern zu befriedigen.
Ist wohl am besten, wenn ich dich – zusammen mit deinem undankbaren Sohn – gleich mit rausschmeiße.“
Die Worte seines Vaters waren kaum verklungen, als ihn sein Sohn auch schon mit blitzenden Augen beim Kragen packte. Doch seine bereits erhobene Hand lies Bill Turner augenblicklich wieder sinken.
„Keine Angst, der allerdümmste Idiot in unserer sogenannten Familie bist nämlich du. Und ein Vollpfosten wie du, hat es nicht verdient, dass ich mir die Finger an ihm schmutzig mache.
Komm Mama, wir gehen. Mein Auto steht noch in der Auffahrt. Deine Sachen lassen wir später abholen. Ich habe vor meinem ersten Einsatz an Bord noch drei Tage Urlaub, die ich eigentlich in dieser hässlichen Protzvilla verbringen wollte.
Aber jetzt denke ich, dass sich das für uns beide soeben erledigt hat. Ich bringe dich lieber umgehend zu Oma und Opa und deiner Tochter.
Daheim bei Oma Sheila und Opa Mike in Oregon kannst du dir dann überlegen, ob und wie lange du noch mit diesem großkotzigen Scheusal verheiratet bleiben willst.“
„Einverstanden, Bill. Mir reicht’s nämlich ebenfalls – und das nicht erst seit diesem Streit“, sagte Jill Turner nach einer kurzen Pause des Schweigens und Tränentrocknens jetzt mit fester Stimme.
„Genug ist genug. Dein Vater ist ein mieser Dreckskerl. Und er hat mir gerade vorgeworfen, mit anderen Männern herumgemacht zu haben, während er mühsam seine Millionen vermehren musste. In Wahrheit ist das genaue Gegenteil der Fall.
Ich weiß nämlich aus etlichen Tuscheleien der Gattinnen seiner sogenannten Freunde im Country Club, dass dein lieber Vater in Los Angeles schon seit Jahren einige sehr delikate Verhältnisse pflegt. So sieht’s nämlich aus!“
Noch ehe der in diesem Moment ziemlich dumm aus der Wäsche schauende John Turner sich eine rechtfertigende Ausrede überlegen konnte, fuhr seine ‚Noch-Ehefrau’ unverblümt fort:
„Nur absolut geheim halten konnte dein Vater seine außerehelichen Beziehungen letztlich nie, denn die mitleidig schwätzenden Weiber im Club konnten sich gar nicht genug darüber echauffieren.
Und zwar so, dass ich das bei jeder passenden Gelegenheit – absichtlich, oder nicht – aufs Brot geschmiert bekam.“
„Du musst dringend zum Psychiater, Jill. Deine Lügen ...“
„Sind keine, du Saukerl – oder für wie blöde hältst du mich eigentlich. Ich bin fertig mit dir, John! Geh zur Hölle!“, gab ihm Jill sofort Kontra.
„Na, wenn das so ist, du undankbare Person, müsst ihr euch beide darüber klar sein, was es bedeutet, wenn ihr jetzt die Tür hinter euch zuschlagt“, fauchte John Turner seine im Aufbruch begriffene Frau noch im gleichen Moment rüde an.
„Ich sag’s jetzt mal im Klartext für Minderbemittelte, wie dich. Du, meine liebe Jill, wirst genauso, wie dein missratener Sohn und deine rotzfreche Tochter dieses Anwesen nie wieder betreten.
Wage es ja nicht, deinen Schmuck oder deine Kleider mitzunehmen. Schließlich hab‘ ich alle diese Geschenke bezahlt. Und enterben werde ich euch sowieso, da könnt ihr Gift drauf nehmen“, schrie John Turner jetzt mit rot angelaufenem Gesicht den sich entfernenden beiden Menschen hinterher.
„Behalt’ dein Geld. John. Nur mein Schmuck und meine Garderobe gehören mir. Auch wenn ich diese Dinge heute noch hierlasse – ich habe Fotos und Belege über das, was mir gehört.
Kannst die Sachen also leider nicht einer deiner Huren umhängen, wenn du sie als meine Nachfolgerin in deine Übelkeit erregende kalifornische Festung schleppst.
Immerhin bin ich es ja stets gewesen, die meinem Mistkerl von untreuem Ehemann nach jedem dieser sogenannten Geschenke zu Willen sein musste.
Das war ein hoher Preis dafür, dass ich mich einem Ekel wie dir, trotz deiner Frauengeschichten, an jedem Wochenende hingegeben habe. Und wenn es schon darum geht, in aller Öffentlichkeit schmutzige Wäsche zu waschen, werde ich davor ganz gewiss nicht zurückschrecken. Bin mal gespannt, wie deine Geschäftsfreunde und die Presse das dann finden werden.
Zudem – ich garantiere dir jetzt schon, dass du mich nach über dreißig Ehejahren nicht ganz ohne finanzielle Verluste und lautlos mit einer von dir diktierten Scheidung loswirst.
Ich will dich nur daran erinnern, dass auch meine Eltern in Oregon ganz hervorragende Anwälte haben. Also sei vorsichtig, sonst lernst du mich von einer ganz neuen Seite kennen.“
„Aber ... aber – Jill, das kannst du doch nicht mit mir machen. Was sollen denn die Leute von uns denken?“, versuchte John Turner mit zum ersten Mal schreckgeweiteten Augen, aber dennoch im eingeübten salbungsvollen Anwaltston die Wogen zu glätten.
„Es ist vorbei, John. Du hast mich lange genug betrogen. Nur muss ich dir – ehe ich dich verlasse – noch eine weitere bittere Pille verpassen.
Stella und William sind wirklich deine Kinder. Auch wenn du mir genügend Gründe gegeben hast, habe ich dich in der Zeit unserer Ehe nie betrogen.“
Damit packte Jill Turner ihren erwachsenen Sohn bei der Hand und sagte beim Hinausgehen:
„So, das musste noch gesagt werden. Und jetzt bin ich wirklich fertig mit diesem Rabenaas. Lass uns nach Oregon zu Stella und zu deinen Großeltern fahren.
Nur müssen wir unterwegs nochmal irgendwo anhalten, damit ich mit Oma und Opa telefonieren und ihnen über das ganze Debakel von uns zwei Ausgestoßenen berichten kann.“
„Das trifft sich gut, Mom. Ich verspüre nämlich schon ein wenig Hunger. Und in Richtung Norden kenne ich auf dem Highway Nr. 101 noch kurz vor San Francisco ein ganz hervorragendes Diner, in dessen angeschlossenem Motel wir sogar übernachten können.
Von dort aus kannst du telefonieren und unsere baldige Ankunft im schönen Warrenton ankündigen. Bis nach Warrenton an der Mündung des Columbia River werden wir mit dem Auto mindestens zwei Tage brauchen. Wir müssen also ohnehin einmal irgendwo übernachten.“