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ZEHN

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Endlich, die Glocke, das muss er sein.

Aufgeregt laufe ich zur Eingangstüre, sehe in die Kamera und tatsächlich, da lächelt mich „Onkel“ Juan an, er hat sich mit einem Taxi bringen lassen, wie er es angekündigt hatte. Schnell drücke ich auf den Öffner für das Tor und laufe nach draußen, das Taxi startet gerade um die letzten Meter bis zum Haus zu fahren, ich muss mich beherrschen um ihm nicht entgegen zu laufen.


Mein „Onkel“ hat kaum die Gelegenheit aus dem Taxi auszusteigen, da falle ich ihm bereits um den Hals. Meine Augen werden feucht, diesmal allerdings vor Freude da-rüber, ein bekanntes und geliebtes Gesicht zu sehen. In meinem Eifer bemerke ich erst nicht, dass sich noch jemand im Taxi befindet. Ein Mann, ganz in den Farben orange und rot gekleidet, steigt ebenfalls aus dem Taxi, während der Professor den Fahrer entlohnt, der mehrere Taschen aus dem Kofferraum des Taxis auslädt.

Völlig überrascht und erstaunt über die würdevolle Ausstrahlung des Mannes in Orange, kann ich ihn nur anstarren und werde erst durch die Stimme meines „Onkels“, wieder aus meiner Starre geholt.

>>Das ist mein guter Freund Li Song<<, stellt er den Mann in Orange vor, der eine große Tasche neben sich abstellt, die Hände vor der Brust zusammenlegt und sich vor mir verneigt.


Immer noch zu keinem Wort fähig, verbeuge ich mich ebenfalls vor ihm, niemals habe ich eine Verbeugung richtiger empfunden, als in diesem Moment. Wäre Buddha vor mir erschienen, hätte ich nicht ehrfürchtiger sein können. Der Mann strahlt eine sofort spürbare, wohltuende Ruhe aus. Jetzt erst fällt mir auf, dass er wie ein buddhistischer Mönch gekleidet ist. Er ist sehr groß und schlank, wie bei Mönchen üblich, ist er auf dem Kopf kahl rasiert. Er lächelt mich an und sein Gesicht scheint zu leuchten. Kleine Fältchen bilden sich an seinen gütigen Augen und mir ist sofort klar, dass ich einen Menschen vor mir habe, der das Leben und alles was sich darin bewegt liebt und ehrt. Ich bin völlig ergriffen von seiner spirituellen, fast möchte ich sagen, erleuchteten Ausstrahlung.

Plötzlich höre ich ein leises Jaulen, es kommt aus der großen Tasche, die Li Song vor der Begrüßung neben sich abstellte. Mein Blick wandert von ihm zu meinem „Onkel“, der mich mit einem breiten Grinsen ansieht.

>>Sieh nach Nicole, ich habe eine Überraschung für dich<<, fordert er mich auf.


Ich stürze mich auf die Tasche und öffne vorsichtig den Reißverschluss.

>>Woher wusstest du, dass ich mir Hunde wünsche<<, rufe ich erfreut aus.

Aus der Tasche sehen mich zwei Hundebabys mit großen braunen Augen an.

Überglücklich schnappe ich alle Beide und hebe sie aus der Tasche um sie auf dem Grundstück laufen zu lassen.


>>Es handelt sich um zwei Bordeaux Doggen<<, erklärt der Professor lächelnd.

Die kleinen Hundebabys machen keine Anstalten sich von mir weg zu bewegen und so knie ich mich zu ihnen hinunter und wir machen uns ausgiebig miteinander bekannt, ich vergesse alles um mich herum, so fasziniert bin ich von den beiden Tieren.

Dann fällt mir ein, dass ich einen Gast habe, erschreckt springe ich auf, doch nur der Professor steht neben mir, von Li Song keine Spur. >>Entschuldige bitte „Onkel“, wie unhöflich von mir, wo ist denn unser Gast?<<

>>Li sieht sich auf dem Grundstück um Nicole, kein Grund zur Sorge, er nimmt dir dein Benehmen sicherlich nicht übel. Lass uns einfach schon vorgehen, es wird sicher eine Weile dauern, bis er mit jedem Baum und jeder Pflanze gesprochen hat<<, setzt er lächelnd hinzu.

>>Machst du Witze?<<


>>Irgendwie schon<<, lächelt der Professor mich an, >>und irgendwie auch nicht, Shaolin Mönche sind eine Spezies für sich<<, er schüttelt lächelnd den Kopf und geht auf die Eingangstüre zu. >>Die Hunde kannst du draußen bei Li lassen<<, ruft er mir zu, bevor er im Haus verschwindet.

Seufzend schubse ich die Hundebabys in Richtung Wiese, sehe noch kurz nach Li, kann ihn allerdings nirgends entdecken und folge meinem „Onkel“ ins Haus.

>>Schön hast du alles eingerichtet<<, empfängt er mich, als ich das Wohnzimmer betrete.

>>Auch ich habe eine Überraschung für dich „Onkel“<<, ich kann es kaum erwarten, ihm das Labor zu zeigen und schiebe ihn aufgeregt in Richtung Kellertüre.

>>Nicht so schnell, ich bin ein alter Mann<<, wehrt er sich nicht wirklich ernsthaft und lacht, als ich ihn die Kellertreppe hinunter führe. >>Hast du eine Folterkammer für mich eingerichtet?<<

>>So etwas ähnliches<<, lache ich ihn an.

>>Augen zu, du musst mir vertrauen, ich führe dich zu einer Türe und du darfst erst die Augen öffnen, wenn ich die Türe geöffnet habe. So jetzt kannst du die Augen öffnen.<< Auf seine Reaktion gespannt, bleibe ich angespannt neben ihm stehen.


>>Nicole<<, flüstert er überwältigt, bevor ihm Tränen der Rührung übers Gesicht laufen, sein Blick fällt auf ein komplett ausgestattetes Labor. Was er bis jetzt sehen kann, handelt es sich bei den Geräten um die Neuesten, die auf dem Markt angeboten werden. Diese Einrichtung muss Hunderttausende verschlungen haben, aber das ist es nicht, was den Professor rührt, er weiß, dass sich Nicole ebenso wenig aus Geld macht, wie es ihre Eltern getan haben, allein die Tatsache, dass sie ihm dieses Geschenk macht, rührt ihn zu Tränen. Wie gut sie ihn doch kennt, ohne seine Bücher oder ein Labor zu leben, wäre für den Professor, als säße er in einem Gefängnis.

>>Ich weiß nicht, ob alles da ist, was du benötigst „Onkel“<<, beginne ich vorsichtig. Auf einmal bin ich mir nicht mehr sicher, ob er sich über meine Überraschung freut, doch da dreht er sich zu mir, nimmt mich in den Arm und sagt mir, dass ich ihm keine größere Freude hätte machen können.

>>Das ist ein Traum Nicole, dass du bei all der Arbeit die du hattest auch noch an mich gedacht hast<<, abermals vor Rührung überwältigt, versagt ihm die Stimme.

>>Ich habe in den letzten Wochen kaum an etwas anderes als an dich gedacht<<, er-widere ich leise, >>du bist für mich der wichtigste Mensch in meinem Leben geworden und ich möchte, dass es dir hier so gut, wie nur irgend möglich, geht. Du bist nur wegen mir hier, ich habe dich aus deinem Leben gerissen, dies hier ist das Wenigste, was ich für dich tun konnte.<<

Ernst sieht Professor mich an, nimmt meine Hände und küsst sie. >>Nie wieder möchte ich von dir hören, dass ich irgendetwas für dich aufgegeben hätte, du bist für mich wie eine Tochter, eine Freundin, mein Leben. Nicht nur ich bin der wichtigste Mensch für dich, Nicole, auch du bist mir teurer als mein eigenes Leben geworden, wir sind, wenn du es möchtest eine Familie.<<

>>Ich liebe dich „Onkel“ Juan<<, meine Stimme zittert und Freudentränen steigen in meine Augen, während wir uns fest umarmen, dabei dachte ich, ich hätte keine Tränen mehr. >>Komm Professor, lass uns wieder nach oben gehen, ich zeige dir deine Zimmer.<< Während ich ihn in den ersten Stock geleite, erzählt er mir, auf meine Bitte hin, von Li Song.

>>Ich habe mich mit Li Song in Verbindung gesetzt Nicole, weil du fest entschlossen bist den Tod deiner Eltern zu rächen, auf welche Weise auch immer<<, fährt er mit einem Seitenblick auf mich fort. >>Li Song ist ein Shaolin Meister, er kann dir Kampftechniken beibringen, wie kein Zweiter. Die Shaolin sind Meister des „Leisen Todes“, er kann dir beibringen, wie du ohne Kraftaufwand, nur durch das Wissen, wo du den Schlag anbringen musst, einen Menschen töten kannst. Er hat allerdings noch nicht zu gesagt<<, schränkt der Professor schüchtern ein. >>Ich habe ihm deine, unsere Situation geschildert, auch weiß er von deinen Fähigkeiten, aber er wollte sich erst selbst ein Bild von dir machen. Er hat zugesagt, ein paar Tage hier zu bleiben und dich kennen zu lernen, erst dann wird er entscheiden, ob er dich trainieren wird oder nicht und noch etwas, sollte er sich dazu entschließen, muss dir klar sein Nicole, dass er es nur tut, wenn du dich verpflichtest, mindestens zwei Jahre seine Schülerin zu sein, bist du dazu bereit?<<

>>Zwei Jahre?<<

Ich bin entsetzt, das hatte ich mir anders vorgestellt. Sicher ich wollte und brauche eine Zeit der Ruhe, aber zwei Jahre?

So lange?

>>Das ist seine Bedingung, wenn du dazu nicht bereit bist, wird er wieder abreisen.<<

>>Wirst du es denn zwei Jahre mit mir hier allein aushalten?<<

>>Nicole, ich bitte dich<<, erwidert er lächelnd, >>du hast mir ein besseres Labor geschenkt, als ich es an der Uni in München hatte, ich habe alles was ich brauche.<<

>>Vielleicht ist diese lange Zeit wirklich nötig, nicht um die Kampftechniken zu erlernen, aber zu lernen wie ich diese Macht vernünftig einsetze<<, überlege ich laut.


>>Ein sehr weiser Gedanke einer möglichen Schülerin.<<

Li Song ist unbemerkt hinter uns ins Zimmer getreten. >>Deine Fähigkeiten in Verbindung mit meinen Kenntnissen, sind in ungeschulten Händen eine zu große Verantwortung, welche ich nicht tragen könnte. Ich kann dir meine Kenntnisse nur dann vermitteln, wenn ich mir sicher sein kann, dass du gewillt und fähig bist, sie weise ein zu setzen. Den ersten Schritt dazu hast du bereits getan, Juan hat nicht zu viel versprochen, du bist eine sehr ungewöhnliche Frau.<<

>>Ich danke dir Meister Li und hoffe, dass ich mich deines und „Onkel“ Juans Vertrauen würdig erweise.<< Während ich mich vor Li Song verbeuge, fällt mir plötzlich auf, dass er deutsch gesprochen hat. >>Du sprichst unsere Sprache<<, platzt es respektlos aus mir hervor.

Li lächelt mich an, >>ja ich habe in Deutschland studiert. Shaolin Mönche leben nicht hinter dem Mond<<, setzt er immer noch lächelnd hinzu.

>>Ich wusste nicht, ob und wie lange du bleibst, deshalb habe ich die separate Wohnung noch nicht hergerichtet, bitte suche dir solange, bis du dich entschieden hast, ob du bleiben möchtest, ein Gästezimmer aus.<<

>>Es wird sich ein Platz für mich finden<<, erwidert Meister Li demütig.


***

In den ersten Wochen im Zusammenleben mit meinem „Onkel“ und Meister Li bekomme ich den Professor kaum zusehen, entweder ist er im Labor, oder unterwegs um etwas für sein Labor zu besorgen. Nicht, dass ich viel Zeit für ihn gehabt hätte, denn Meister Li weiß mich jede Minute des Tages zu beschäftigen.

Es beginnt mit der Gestaltung des Grundstückes, ich schufte tagein, tagaus, um dem Grundstück die Form zu geben, die Meister Li vorschwebt. Der Rasen wird nicht, wie von mir erwartet, mit einem Rasenmäher getrimmt, weit gefehlt, mit einer Sichel muss ich die Halme kürzen und Meister Li hat ein Auge dafür, wo der Rasen um ein paar Millimeter länger ist als an anderen Stellen. Er lässt mich auf Bäume klettern, in die Berge steigen, tagelang schweigen. Der Mönch verlangt völlige Unterordnung von mir, Übungen die ich bereits hundert Male gemacht habe, muss ich immer und immer wiederholen.


Als ich eines Tages nachfrage, wann denn endlich das Training beginnt, sieht er mich erstaunt an und meint, >>du trainierst bereits seit Wochen.<<


























DNA

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