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FÜNF
ОглавлениеIch kann ein Treffen nicht mehr länger hinauszögern, Ayling und ich sind seit zwei Tagen wieder in Matrei. Wenn ich heute nicht zu Nicole gehe, wird sie misstrauisch werden. Sie traut der Asiatin nicht und wenn ich nicht möchte, dass Nicole dieses Misstrauen auf mich überträgt, muss ich heute zu ihr.
Noch immer bin ich zu keinem Entschluss gekommen.
Soll ich ihr davon erzählen, dass Max noch lebt oder nicht? Ayling hat mich mit diesem Wissen in der Hand. Früher oder später wird sie es gegen mich verwenden. Sie hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie mich will, dass sie eine Verbindung zwischen mir und Nicole nicht kampflos hinnehmen wird.
Bleibe ich bei meinem Plan, die Asiatin vor Nicole unglaubwürdig darzustellen, indem ich den einzigen Trumpf, den Ayling hat, den Namen Dr. Maikow, dadurch ad absurdum zu führen, indem ich mich als Plaudertasche darstelle und Nicole weismache, den Name hätte die Asiatin von mir? Oder gehe ich das Risiko ein, nichts zu sagen und abzuwarten ob die schöne Chinesin ihre Drohung wahr macht?
Diese Überlegungen machen mich ganz krank, ich möchte nichts lieber, als mit Nicole zusammen zu sein. Ihre Nähe spüren, sie zu fühlen, ihr nahe zu sein, mein Geist, mein Körper und meine Seele sehnen sich mit jeder Faser meines Herzen nach ihr. Es scheint, als wäre jede Minute, jede Stunde, ja jeder Tag verschwendet, den ich nicht mit ihr verbringen kann. Es kostet mich eine fast übermenschliche Kraft, nicht sofort zu ihr zu laufen. Lediglich mein schlechtes Gewissen, sie belügen zu müssen, hält mich davon ab, zu ihr, in ihre Arme zu laufen.
Ayling hat mir Bedenkzeit eingeräumt. Sie verlangt, dass ich die Beziehung zu Nicole löse, nicht die Freundschaft, wie großzügig, aber ich muss mich, soll sie den Mund halten, öffentlich zu ihr bekennen.
Wenn Nicole erfährt, dass Max noch lebt und früher oder später wird dies der Fall sein, denn aus welch anderem Grund sollte Dr. Maikow, den Bullen, am Leben erhalten, als ihn als Lockvogel zu benutzen, bin ich Geschichte. Da muss ich mir nichts vormachen, aber bis dahin vergeht vielleicht noch viel Zeit. Wochen, Monate, vielleicht Jahre, die ich für mich nutzen kann, Zeit in der ich Nicole davon überzeugen kann, dass ich der richtige Mann für sie bin. Ich muss darauf hoffen, dass die Wahrheit über Max erst herauskommt, wenn Nicoles Gefühle für ihn bereits eingeschlafen sind.
Ich komme einfach zu keinem Ergebnis.
Egal, für welchen Weg ich mich entscheide, am Ende bin ich wohl der Verlierer.
So in Gedanken vertieft komme ich am Anwesen von Nicole an und beschließe, heute noch keine Entscheidung zu treffen, mich auf sie zu freuen und alle trüben Gedanken für den Moment zu vergessen.
***
Freudestrahlend ruft Nicole meinen Namen, als sie mir auf dem Kiesweg vor dem Haus entgegen kommt. Mein Herz zerspringt fast vor Freude als ich sie in meine Arme nehme und es kaum fassen kann, wie schön sie ist. Da Nicole außerhalb ihres Anwesens stets eine schwarze Perücke trägt, erstaunt es mich immer wieder, wie sehr ihr Aussehen allein durch ihr natürliches blondes Haar verändert wird.
Ist sie mit ihrer schwarzen Kurzhaarperücke eher eine rassige Schönheit, so unter-streichen die blonden langen Haare ihr warmherziges und liebevolles Wesen. Sie ist keine Schönheit im eigentlichen Sinne, kein Vergleich zu Aylings Perfektion, doch Nicole strahlt eine innere Schönheit aus, die sich in ihrem Gesicht, auf wundervolle Weise widerspiegelt. Ich kann mich an ihren leuchtend grünen Augen kaum satt sehen und ihr voller, schön geschwungener Mund lädt einfach nur zum Küssen ein. Die leichte Schrägstellung ihrer Augen, gibt ihnen etwas katzenhaftes, was im krassen Gegensatz zu ihrem ansonsten engelhaften Gesichtszügen steht und sie, nicht zuletzt dadurch atemberaubend macht.
Ich möchte sie an Ort und Stelle küssen, Nicole küsst mich jedoch nur kurz auf die Wange und zieht mich dann sogleich mit ins Haus. Leicht enttäuscht von dieser eher freundschaftlichen Begrüßung folge ich ihr nach. Vielleicht möchte sie keine Liebesbekundungen vor ihren Freunden, ist ja alles noch sehr frisch.
Im Wohnzimmer, welches eher die Ausmaße eines kleinen Saales hat, begrüßen mich Prof. Dr. Juan und die kleine Lisa. Die gar nicht mehr so klein auf mich wirkt. Obwohl ich sie nur ein paar Wochen nicht gesehen habe, kommt sie mir doch völlig verändert vor. Viel erwachsener, gesünder und kräftiger.
Als ich mit Nicole nach China ging, verließ ich ein kleines, kränkliches Mädchen und jetzt steht eine junge Frau vor mir. Ich kann mich noch sehr gut an das kleine zarte Wesen erinnern, welches ich ins Flugzeug getragen habe. Lisa war damals mehr tot als lebendig und hat sich nur sehr langsam von ihrem Martyrium erholt.
Es freut mich sehr, jetzt eine, vor Kraft und Gesundheit nur so strotzende junge Frau, vor mir zu sehen und lasse es mir nicht nehmen, sie kurzer Hand hochzuheben und sie durch schnelles drehen unserer Körper zum Jauchzen zu bringen.
>>Du bist richtig schwer geworden<<, ziehe ich sie lächelnd auf.
>>Alles nur Muskeln<<, erwidert sie schelmisch.
Nicole wollte nach der Rückkehr aus Russland lange Zeit, weder Lisa noch mich, in ihrer Nähe haben und so kam es, dass wir uns anfreundeten. Immer wenn ich einen neuen Versuch startete und es waren nicht wenige, mit Nicole in Kontakt zu kommen, diese jedoch ablehnte, haben Lisa und ich uns die Zeit vertrieben und so besser kennen gelernt.
Während Nicole und Lisa den Tisch für ein Essen decken, erst jetzt fallen mir die großen Banner auf, die an den Wänden hängen, groß beschriftet mit – HERZLICH WILLKOMMEN - fällt mir auf, dass Meister Li nicht anwesend ist. Der Professor erklärt mir, dass sich der Mönche, eine zwei Wochen andauernde Schweigeklausur verordnet hat, von gleichzeitigem Fasten begleitet. Deshalb würde er lediglich morgens eine Kleinigkeit zu sich nehmen und den restlichen Tag über in meditativem Schweigen verbringen. Ich mag den Mönche sehr, bin heute dennoch froh, dass er nicht am Essen teilnimmt. Man hat bei ihm das Gefühl, als könne er den Menschen bis auf den Grund ihrer Seele sehen und dies wäre mir zurzeit sehr unangenehm. Ich bin mir sehr sicher, dass er meine Gedanken zwar nicht erraten könnte, aber spüren würde, dass ich mich quäle und mir sofort seinen Rat oder Hilfe anbieten möchte. Ich fühle mich schon ohne ihn schlecht genug, die Banner geben mir fast den Rest, ich bin sehr gerührt von diesem herzlichen Empfang.
Das Essen verläuft sehr kurzweilig.
Lisa und der Professor wollen natürlich alles über unseren Einsatz in China erfahren und freuen sich sehr darüber, dass Nicole und ich uns jetzt so gut verstehen. Mir fällt allerdings auf, dass Nicole lediglich unsere Freundschaft, ja gute Partnerschaft während des Einsatzes hervorhebt, mit keinem Wort spricht sie von tieferen Gefühlen. Ist vielleicht auch noch zu früh. Wahrscheinlich möchte sie auch Lisa nicht verletzen und unsere Liebe erst noch geheim halten. Mir soll es recht sein. Als ob Nicole meine Gedanken lesen könnte, bittet sie mich nach dem Essen darum, mit ihr allein in den Garten zu gehen. Überglücklich meine Nicole endlich für mich allein zu haben, stimme ich zu.
***
Mich plagt ein furchtbar schlechtes Gewissen.
Michail schäumt fast über vor Freude mich wieder zu sehen. Auch ich freue mich sehr, aber was ich in seinen Augen sehe ist Liebe, er sieht mich mit so viel Gefühl an, dass es mir vor den Anderen fast unangenehm ist.
Noch habe ich keinen meiner Freunde von meinem kurzen Ausrutscher mit Michail in China erzählt. Denn dass es ein Ausrutscher war, das ist mir in den wenigen Tagen, die ich wieder zu Hause bin, sehr deutlich klar geworden. In dem Moment, als ich Lisa wieder sah, wurde mir schlagartig bewusst, dass ich Max noch lange nicht vergessen kann. Dass noch sehr viel Zeit vergehen wird, bis ich wieder einen Mann in mein Leben lassen kann oder möchte. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass ich mich mit Michail aussprechen muss. Dass diese Nacht mit ihm zwar sehr schön war, aber auch die einzige bleiben wird.
Ich möchte das was ich mit Michail hatte, keinen Fehler nennen, dazu ist er mir als Freund zu wertvoll geworden, aber eben weil er ein Freund ist, muss ich ihm erklären, dass nicht mehr aus uns werden kann.
Fest entschlossen mit ihm zu sprechen spazieren wir durch den Park.
Die Ruhe die uns umgibt, die Berge der österreichischen Alpen zum Greifen nah und der herrliche Sonnenschein der uns umgibt, schaffen eine Atmosphäre die eher nach einem romantischen Stell dich ein verlangt, als nach einem Gespräch, welches ich vor mir habe.
Als ich vor mehr als zwei Jahren dieses Anwesen kaufte, war der Garten völlig verwildert. Es war fast kein Durchkommen, durch die wild wuchernden Büsche und das bis zur Hüfte hochgewachsene Gras, einzig unterbrochen von einem wunderschönen, alten Baumbestand. Im Grunde romantisch schön, doch völlig unpraktisch. Erst als Meister Li zu uns nach Österreich kam fing dieser an, den Garten nach fernöstlicher Weise zu gestalten.
Bei der Erinnerung daran, stiehlt sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen. Der Mönch lies mich damals, nachdem ein Großteil der Büsche ausgerissen und der Rasen notdürftig gemäht wurde, eine riesige, abgegrenzte Fläche des Gartens mit der Schere kürzen, wobei er akribisch darauf achtete, dass jeder Halm exakt die selbe Länge hatte. Diese Übung gehörte bereits zu meiner Ausbildung und diente dazu, meine Geduld und mein Durchhaltevermögen zu stärken, was ich damals natürlich nicht verstand und mich bitter bei meinem „Onkel“ darüber beschwerte.
In China ist Gartengestaltung eine Kunst die bis 3000 Jahre vor Christus zurückverfolgt werden kann. Hier stehen nicht die Pflanzen im Vordergrund, sie sollen lediglich das ideale Universum abbilden. Wesentliche Bestandteile sind angelegte Seen und Hügel, sowie künstlich geformte Vegetation und Steine. Ziel der chinesischen Gartengestaltung ist es, Harmonie von Erde, Himmel, Steinen, Wasser, Gebäuden, Wegen und Pflanzen zu erreichen. Den sogenannten „sieben Dingen“, der Mensch, als Achter, konnte dann mit und in ihnen zur vollkommenen Harmonie finden.
Der Mönch hat eine große Fläche vom wilden Garten abgetrennt, die Begrenzung erreichte er durch eine niedrige Steinmauer. Die Steine dafür durfte ich aus den nahegelegenen Bergen anschleppen, natürlich Teil des Trainings. Wie hat mich das damals genervt.
Noch heute, wenn ich diesen Teil der Anlage betrete, umgibt mich eine schon fast überirdische Ruhe. Er ist durch seine durchdachte Einteilung eine Beruhigung für die Augen. Obwohl künstlich angelegt, macht dieser Teil des Gartens nicht den Eindruck, dass er von einem Menschen geschaffen wurde.
Mit der Zeit wurde dieser Ort zu meinem Lieblingsplatz.
Hier auf einer Bank zu sitzen, dem leisen Rauschen des Baches zu lauschen und den Gedanken einfach freien Lauf zu lassen, sind zu einer liebgewordenen Gewohnheit geworden. Heute noch erfüllt es mich mit Staunen und Freude, wie schnell und tief sich mein Geist beruhigt, sobald ich nur auf die Geräusche des Gartens lausche. Das Zwitschern der unterschiedlichsten Vogelarten, das Geräusch, wenn der Wind die Blätter der Bäume bewegt und im Hintergrund immer leise, aber ständig präsent das beruhigende Plätschern des Baches. Dieser Ort erfüllt mich mit Freude und schenkt mir die nötige Ruhe, die mir, in meinem turbulenten Alltag manchmal abhandenkommt.
Ein wesentliches Grundelement des Gartens sind Steine und Wasser, wobei der angelegte Bach sich durch das gesamte Gelände schlängelt, dabei immer wieder kleine Gefälle aufweist und durch Steine durchbrochen ist. Dadurch begleitet einen, wandert man durch diesen Teil des Gartens ein leichtes, sehr angenehmes Rauschen, was einen sofortigen beruhigenden Effekt erzielt. Meister Li hat neue Bäume gepflanzt und die unterschiedlichsten Pflanzen angesiedelt. Unter anderem Trauerweiden, Winterkirsche, Kiefern, falls nicht schon vorhanden, des Weiteren finden sich Chrysanthemen mit riesigen Blütenkörben, Lotos und unverzichtbar, überall präsent Bambus. Jede einzelnen Pflanze in diesem Garten steht für etwas anderes, Meister Li hatte mir seinerzeit alles genau erklärt, ich konnte mir aber nicht alles merken. Was auch nicht wichtig ist, der Gesamteindruck, die Ruhe, die dieser Ort vermittelt und sofort überträgt, gibt ihm und seiner Kultur recht und wie so oft, verstehe ich den Mönch rein intuitiv.
Während mein Verstand oft mit den Ausführungen von Meister Li überfordert ist und ich lange über das Gesagte nachdenken muss, treffen seine Worte auf einen unbewussten Teil in mir und ich weiß, dass dieser Mönch im Besitz der absoluten Wahrheit ist.
Als Michail mich, nachdem wir uns ein gutes Stück vom Haus entfernt haben, versucht, zärtlich in die Arme zu ziehen, kann ich das Gespräch nicht mehr länger aufschieben.
>>Lass uns dort auf die Bank setzen<<, beginne ich und entziehe ich mich sanft seiner Umarmung. >>Wir müssen reden, Michail.<<
Was für ein dummer Beginn, den Worten „lass uns Reden“ ist meiner Erfahrung nach noch nie etwas Gutes gefolgt. Aber jetzt sind sie raus und ich kann ihm die Enttäuschung, meiner Reaktion auf seine zärtlichen Bemühungen mich in die Arme zu schließen, bereits an seinem Gesicht ansehen. Das schlechte Gewissen plagt mich so sehr, dass es mir sehr schwer fällt ihm in die Augen zu sehen, ich greife vorsichtig nach seinen Händen, atme tief ein und da ich, im Grunde kein Mensch bin, der sich um unangenehme Dinge, oder Gespräche herumdrückt, komme ich sofort zum Kern der Sache.
>>Wir hatten eine wundervolle Nacht in China, bitte versteh mich nicht falsch, aber wir können nicht mehr als Freunde sein. Ich liebe dich Michail, aber ich liebe dich als Mensch, als ein guter Freund, nicht als Mann. Du bist mir sehr wertvoll geworden, doch ich habe erkannt, dass ich noch lange nicht soweit bin, mich wieder einem Mann zu öffnen, mit einem anderen Mann als Max leben zu wollen oder auch nur zu können. Unser Auftrag in China hat mir zwar geholfen, über den Verlust von Max hinweg zukommen, aber meine Rückkehr hat mir sehr deutlich gemacht, dass ich noch lange nicht über ihn hinweg bin. Es tut mir sehr leid, dass ich dieses Gespräch mit dir führen muss. Ich kenne deine Gefühle für mich und da ich dich sehr lieb habe, wünschte ich, ich könnte sie genauso erwidern, dies ist aber nicht der Fall und wird es vielleicht niemals sein<<, füge ich sehr leise hinzu.
Michail, entzieht mir entsetzt seine Hände.
>>Das ist nicht dein Ernst<<, er ist total schockiert.
Der Schmerz, der sich in seinen Augen widerspiegelt, macht mich sehr traurig.
>>Bitte Michail, sei mir nicht böse. Nichts liegt mir ferner, als dir weh zu tun und doch ist mir klar, dass ich es tun muss. Gerade weil ich dich nicht als Freund verlieren möchte, muss ich mit dir sprechen. Versuchen dir meine Gefühle begreiflich zu machen.<<
>>Unsere Nacht war also ein Fehler für dich<<, unterbricht Michail mich aufgebracht. >>Du machst es dir sehr einfach nicht wahr? Du warst allein, hast dich nach Gesellschaft gesehnt und der dumme Michail war gerade da. Na dann nehmen wir doch gleich den.<<
Michail ist sehr verletzt und wütend.
Ich kann ihn so gut verstehen.
>>Nein Michail es war kein Fehler, ich bereue es nicht, mit dir zusammen gewesen zu sein, aber es darf und wird nicht noch einmal passieren. Bitte lass uns versuchen Freunde zu sein.<<
>>Freunde!<< Michail spuckt dieses Wort förmlich aus.
>>Drauf geschissen.<<
Mit diesen Worten springt er auf und läuft aufs Tor zu, vor dem er seinen PKW geparkt hat. Er öffnet das Tor, springt in den Wagen und fährt mit aufheulendem Motor davon.
Lass uns Freunde sein, noch so ein blöder Spruch.
Ich kenne keine Beziehung, bei der dies je geklappt hätte, nicht sofort zumindest.
Die Angst, einen guten Freund verloren zu haben, mein Mitgefühl für die Enttäuschung und das Leid, welches ich Michail zugefügt habe, lassen die Tränen wie einen heißen, salzigen Regen über meine Wangen laufen.
So findet mich wenig später mein „Onkel“.
>>Meine Kleine<<, flüstert der Professor und nimmt mich zärtlich in die Arme.
>>Was ist denn geschehen?<<
Unter Tränen erzähle ich ihm, was in China passiert ist. Wie leid es mir tut, was ich Michail damit angetan habe und wie ärgerlich ich über mich selber bin, dass ich mich nicht besser im Griff hatte. Mir war doch immer klar, dass Michail viel für mich empfindet. Die Nacht in China hätte niemals passieren dürfen.
Mitfühlend wiegt „Onkel“ Juan mich in seinen Armen.
>>Du warst sehr allein Nicole, den Schmerz über den Verlust von Max hattest du noch lange nicht überwunden. Ja, du hast dir nicht einmal richtig Zeit genommen, um ihn zu trauern. Im Gegenteil, nach deiner Rückkehr aus Russland hast du dich in die nächtlichen „Spaziergänge“ in Linz gestürzt und damit nicht verarbeitet, sondern nur verdrängt. Das ist kein Vorwurf<<, unterbricht mein „Onkel“ meinen Einwand.
>>Die Zeit den Verlust zu verarbeiten war noch nicht gekommen und da ist dann plötzlich ein Mann, der dir zur Seite steht, der dich mag, dem du auf eurer Mission sehr nahe gekommen bist. Du vertraust ihm, fühlst dich wohl in seiner Nähe, das kann man schon mal mit Zuneigung verwechseln. Wahrscheinlich hast du für einen Moment selbst geglaubt, Michail könnte dich Max vergessen lassen. Trauer und Verlust sind keine angenehmen Gefühle, es ist nicht schlimm, wenn man diese so schnell als möglich beenden möchte, allerdings klappt dies meist nicht, wie du am eigenen Leib erfahren hast. Sicher ist es für Michail schwer damit um zu gehen, aber du darfst dich deshalb nicht zu hart verurteilen. Deine Reaktion war sehr menschlich und wenn Michail dich wirklich liebt, wird er es eines Tages verstehen.
Gib ihm etwas Zeit. Er ist jetzt verletzt, auch in seinem männlichen Stolz gekränkt. Michail ist ein sehr maskuliner und dominanter Vertreter seiner Spezies, er wird eine Weile brauchen, bis er erkennt, dass du die Situation nicht egoistisch oder gar böswillig ausgenutzt hast.<<
>>Ich hoffe es „Onkel“ Juan<<, erwidere ich leise. >>Ich möchte ihn nicht als Freund verlieren.<< Wenn ich das nicht schon habe, füge ich in Gedanken hinzu.