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SECHS
ОглавлениеZwei Tage nach meinem unangenehmen Gespräch mit Michail, sind Lisa und ich auf den Weg nach München. Um vor Ort beweglicher zu sein, reisen wir mit dem PKW an. Mir geht es immer noch nicht sehr gut, mein schlechtes Gewissen plagt mich weiterhin. Da halfen auch die warmen und sicher gut gemeinten Worte meines „Onkels“ nicht wirklich. Die Fahrt verläuft auf Grund meiner Nachdenklichkeit sehr wortkarg. Lisa kann ich nicht in meine Gedanken einweihen, ich möchte mir ihre Reaktion ersparen, wenn sie erfährt, wie nahe Michail und ich uns in China gekommen sind. Sicher, Lisa könnte meine Gedanken lesen, aber ich vertraue darauf, dass sie dies nicht tut. Aber selbst wenn sie ihre Fähigkeiten nicht einsetzt, spürt sie doch sehr genau, dass mich etwas bedrückt. Um nicht nur mich, sondern auch Lisa von meinen Gedanken abzubringen, beginne ich ein Gespräch über unseren bevorstehenden Besuch.
>>Freust du dich schon auf Denis?<<
>>Oh ja<<, erwidert Lisa erfreut.
>>Ich habe ihn so lange nicht gesehen. Gott sei Dank hat Max es noch geschafft, ihn wieder in der Villa Wagner unterzubringen. Wie ich vom Professor erfahren habe, hatte er sich in der staatlichen Klinik nicht wohl gefühlt.<<
>>Ja<<, stimme ich zu. >>Das ist schon richtig. Allerdings kennst du meine Bedenken in Bezug auf Dr. Schreiber. Ich kann nicht glauben, beziehungsweise halte es für sehr unwahrscheinlich, dass er nicht in deine Entführung eingeweiht war. Zugegeben, die Sache wurde damals sehr geschickt eingefädelt. Wie Max mir erzählte, wurden dem Doktor eine Sterbeurkunde von Max und eine Verlegung für dich in ein anderes Sanatorium vorgelegt. Nach seiner Aussage, eindeutig Originale.
Da wir heute wissen, mit welch mächtigen Leuten wir es zu tun haben, kann ich nicht ausschließen, dass die Unterlagen tatsächlich echt waren. Trotzdem bin ich mir sicher, dass dieser Dr. Schreiber auch involviert war. Wir müssen es irgendwie schaffen, ein Gespräch in deinem Beisein mit ihm zu führen. Du musst seine Gedanken lesen Lisa, er hat keine Ahnung von deinen Fähigkeiten, selbst wenn er Kontakt mit Dr. Maikow hat, so weiß der Arzt doch nichts davon, dass du inzwischen gelernt hast, deine Fähigkeiten zu steuern.
Ihm wird es sicher gut gehen, relativiere ich meine Ausführungen<<, als ich kurz zur Seite sehe und wahrnehme, wie betroffen Lisa mich ansieht.
>>Eigentlich reicht es mir schon, wenn du herausfindest, ob er lügt. Dann nehme ich mir sein Sanatorium vor. Was ich hätte schon längst tun sollen. Ich habe die letzten Monate so einiges aus den Augen verloren. Der Tod von Max hat mich völlig aus der Bahn geworfen und mich für einige Zeit von meinem Vorhaben, die Mörder meiner Eltern zu finden, abgebracht. Doch jetzt bin ich wieder in der Spur, ich werde diese Schweine finden und auch ihren Auftraggeber Doktor Maikow, denn dass er der Drahtzieher ist, darin besteht für mich kein Zweifel mehr<<, schließe ich zuversichtlich.
>>Nicole<<, wendet sich Lisa vorsichtig fragend an mich.
>>Du hast doch sehr viel Geld und wir haben in Österreich sehr viel Platz?<<
>>Ja Lisa, ich habe das große Glück, dass meine Eltern mir eine Menge Geld hinterlassen haben. Ich kann meine Ziele verfolgen, ohne mir Sorgen um die Finanzen zu machen. Mein Rechtsanwalt und Freund Dr. Peter Hoffmann verwaltet mein Vermögen, uns wird das Geld nicht ausgehen, du musst dir keine Sorgen machen, falls dies deine Frage war.<<
>>Nein, nein<<, beeilt sich Lisa zu berichtigen, >>ich wollte auf etwas anderes hinaus.<<
>>Na, dann erzähle.<<
Lisa ist sichtlich verlegen und möchte nicht so recht raus mit der Sprache, fasst dann jedoch ihren ganzen Mut zusammen.
>>Können wir Denis nicht zu uns holen?
Auch wenn es ihm in der Villa Wagner gut geht, so ist er doch nach dem Tod seiner Mutter ganz allein. Selbst als sie noch am Leben war, war ich sein einziger Kontakt. Seine Eltern kamen nur sehr selten Besuch und ich vermisse ihn so<<, schließt Lisa leise.
Es schmerzt mich fast körperlich, Lisa so traurig zu sehen. >>Ich wusste gar nicht, wie sehr du Denis vermisst, meine Liebe. Du hast nie etwas erwähnt.<<
>>Ich war doch so lange krank und du warst immer beschäftigt<<, erwidert Lisa leise aber doch mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton. >>Der Professor weiß Bescheid und wäre sofort einverstanden<<, ergänzt sie hoffnungsvoll.
Jetzt ist sie wieder ganz das kleine Mädchen, welches sie im Grunde noch ist, ich vergesse dies nur allzu oft, stelle ich lächelnd fest. >>So, so der Professor wäre einverstanden<<, spiele ich die Beleidigte. >>Mir erzählt wohl niemand mehr etwas in meinem Haus.<<
Lisa will gerade zu einer Antwort ansetzen, da sieht sie, das Nicole lächelt.
>>Vorschlag Lisa, wir sehen uns Denis an und entscheiden dann, wie es ihm in dem Sanatorium geht. Du entscheidest<<, verbessere ich mich. >>Wenn du zu der Überzeugung gelangst, dass er nicht gut behandelt wird und sich nicht wohl fühlt, dann nehmen wir ihn mit, versprochen.<<
Lisa jauchzt vor Freude.
Während der Bitte von Lisa, kam mir der Gedanken, dass Denis eventuell auch in Gefahr sein könnte. Sollte dieser Dr. Schreiber mit Dr. Maikow in Verbindung stehen, wäre dies nicht ganz von der Hand zu weisen. Mit Lisa hatte er sich übernommen, sie war viel zu begabt für ihn. Ihre Fähigkeiten konnte er nicht kontrollieren, anders vielleicht bei Denis. Offiziell gilt er als Schizophren, aber das wurde auch bei Lisa diagnostiziert, was, wie sich herausstellte, nicht zutraf.
Sicher, ich kann nicht alle Insassen in Sanatorien, vor Dr. Maikow retten, aber ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie schuldig ich mich fühlen würde, träfe es Denis und ich hätte die Möglichkeit, ihn zu retten nicht genutzt.
>>Wir führen gemeinsam ein Gespräch mit Dr. Schreiber über die Entlassung von Denis und prüfen dabei, ob er die Wahrheit spricht<<, unterbricht Lisa meine Gedanken.
>>Die Idee ist nicht schlecht<<, stimme ich lächelnd zu.
***
Als wir in Perlach, dem Stadtteil von München, in dem sich das Sanatorium befindet eintreffen, möchte Lisa sofort zu Denis und ich erfülle ihr diesen Wunsch. Da es bereits am späten Nachmittag ist, hoffen wir, dass die reguläre Besuchszeit noch andauert. Wir haben Glück, alles läuft gut, wir werden sofort zu Denis vorgelassen und die Freude auf beiden Seiten ist riesengroß.
Ich sehe Denis heute zum ersten Mal. Kenne ihn nur aus Erzählungen von Max.
Denis ist ein überraschend großer Junge, Max hatte dies nie erwähnt und ich ging, warum auch immer davon aus, dass er nicht all zu groß wäre. Lisa sieht neben ihm geradezu kleinwüchsig aus. Gut Lisa ist gerade mal 160 cm groß und Denis sicherlich ein Meter neunzig. Der Junge ist sehr schlank und wirkt dadurch wahrscheinlich größer als er ist.
Ich halte mich etwas im Hintergrund und beobachte die Beiden. Als Denis in den Raum kam, hatte sein Gesicht einen neutralen, im ersten Moment dachte ich sogar, lauernden Blick, sobald er jedoch Lisa erblickt, ist ein dickes Grinsen nicht mehr aus seinem Gesicht gewichen. Von meiner Position aus kann ich nicht viel von dem verstehen, was gesagt wird, allerdings stelle ich sehr schnell fest, dass es Denis schwer fällt zu sprechen. Er sucht immer wieder nach Worten und es vergehen nur wenige Minuten, da stelle ich erstaunt fest, dass die Beiden ohne Worte kommunizieren. Kleine Gesten und ein direkter Blickkontakt scheinen dafür auszureichen.
Da fällt mir ein, dass Max erwähnt hatte, Lisa hätte früher kaum gesprochen. In diesem Moment wird mir bewusst, wie sehr Lisa sich für Denis verändert haben muss. Wahrscheinlich war früher diese, für mich verstörende, nonverbale Kommunikation, der Normalzustand der Beiden, als Lisa noch hier in diesem Sanatorium war. Hand in Hand kommen sie auf mich zu und Lisa stellt mir Denis vor.
Schüchtern ergreift der Junge meine Hand. Er kann mich kaum ansehen und wirkt sehr eingeschüchtert auf mich. Ein glückliches Kind sieht anders aus. Nur wenn er Lisa anblickt, strahlt er über das ganze Gesicht.
Wenn Denis lächelt geht eine unglaubliche Veränderung mit seinem Gesicht vor. Er-scheint es ohne Lächeln eher maskenhaft, ja sogar abweisend, bekommt es durch dieses wirklich einnehmende und sympathische Lächeln, ein Strahlen und eine überraschende Weichheit. Der Junge hat sehr schöne dunkelblaue Augen, bei genauerem Hinsehen erkennt man kleine hellere Sprenkel in ihnen, die mit etwas Phantasie kleinen Sternen ähneln. Würde er mich so anlächeln wie Lisa, könnte ich mir vorstellen in einen Sternenhimmel zu blicken.
Meinen direkten Blick meidet er jedoch.
Wir gehen nach draußen und setzen uns auf eine Bank im Park. Es ist inzwischen spät geworden, die Sonne steht, obwohl erst 17.oo Uhr bereits, sehr tief. Es beginnt merklich kühler zu werden, was wohl der Grund ist, dass wir so gut wie allein auf diesem wirklich großzügigen Anwesen sind. Lediglich auf der großen Terrasse vor dem Gebäude befindet sich noch ein Pfleger mit einem Bewohner.
Lisa plaudert ausgelassen mit Denis, der sie immer wieder erstaunt anblickt.
>>Wahrscheinlich kann er es nicht fassen, dass ich spreche<<, klärt Lisa mich auf. >>Ich habe mich zu einer Quasselstrippe entwickelt<<, lacht sie und kuschelt sich glücklich an Denis, der sie zärtlich in den Arm nimmt.
Jeder kann sehen, dass die Beiden ein sehr inniges Verhältnis haben. Denis blüht sichtlich auf und streichelt Lisa immer wieder, freudig überrascht über den Kopf, auch die Hände des Mädchens, hat er seit unserem Eintreffen kein einziges Mal losgelassen. Erst als Lisa ihn ganz direkt fragt, wie es ihm geht, ob er alles hat was er braucht, verfinstert sich seine Mine. Ich habe das Gefühl, dass er etwas sagen möchte, lässt es dann jedoch, mit einem Seitenblick auf mich, bleiben. Bevor Lisa genauer nachfragen kann, kommt ein Pfleger auf uns zu und teilt uns mit, dass die Besuchszeit für heute leider beendet ist.
Mit dem Versprechen, morgen ganz früh wieder hier zu sein, verabschiedet sich Lisa von Denis, der sich zunächst enttäuscht, doch dann zögernd, von dem Pfleger mit-nehmen lässt.
Nachdenklich und völlig in sich gekehrt, läuft Lisa neben mir auf den Ausgang zu. Jede Fröhlichkeit ist von ihr gewichen. Überrascht von diesem plötzlichen Gefühlswechsel sehe ich Lisa fragend an, sie gibt mir jedoch per Gedankenübertragung zu verstehen, dass wir erst das Gelände verlassen sollen.
Als wir endlich im Wagen sitzen, platzt es aus mir heraus.
>>Was ist so plötzlich mit dir los?<< Als ich Lisa ansehe, stelle ich zu meinem Entsetzen fest, dass ihr Tränen über das Gesicht laufen.
>>Mein Gott Lisa, was ist passiert?<<
Ich ziehe sie in meine Arme. >>Sprich mit mir mein Liebling, ich dachte es macht dir Freude Denis wieder zu sehen?<<
>>Klar freue ich mich<<, schluchzt Lisa, >>aber Denis geht es gar nicht gut. Ich habe eine wahnsinnige Angst bei ihm gespürt. Er hat versucht sie zu unterdrücken, dabei war er fast einer Panik nahe. Bitte Nicole, wir müssen ihm helfen, ich habe noch niemals so viel Angst bei einem Menschen gespürt. Wir müssen ihn sofort heraus holen.<<
Lisa ist durch ihr Schluchzen kaum zu verstehen.
Die Panik, welche Denis fühlt, muss sich auf Lisa übertragen haben. Dies ist eines der Dinge, die Lisa lernen musste zu beherrschen, denn Lisa kann nicht nur Gedanken und Gefühle lesen, sie spürt diese auch. Was bei negativen Gefühlen, wie Angst oder Wut sehr schwer auszuhalten ist. Sie musste lernen, sich vor diesen Gefühlen zu schützen, was bisher, bei den Übungen, mit Prof. Dr. Juan Jintao auch sehr gut geklappt hat. Die Angst jedoch, welche sie bei Denis spürt geht ihr zu nahe, ihr fehlt der Abstand und deshalb schafft sie es nicht, sich abzuschirmen.
>>Bitte beruhige dich<<, flüstere ich leise.
>>Denk an deine Übungen, du darfst diese Gefühle nicht an dich heran lassen.<<
>>Ja<<, schnieft Lisa.
>>Ich weiß, bisher klappte das auch sehr gut, aber ich habe bei Denis eine so überwältigende Panik gespürt, dass es körperlich wehtat. Ich musste meine ganze Kraft dafür aufwenden, dass ich nicht bereits im Sanatorium zusammengebrochen bin.<<
Voller Mitgefühl drücke ich Lisa noch stärker an mich. So eine große Last für ein so kleines Mädchen. Nur zu gut kann ich nachfühlen, wie belastend diese Fähigkeiten von Zeit zu Zeit sein können. Kurz nach dem Auftreten meiner Mutationen, gingen diese auch oft über meine Kräfte. Nur dem Professor habe ich es zu verdanken, dass ich heute so gut damit klar komme. Allerdings bin ich erwachsen und nicht wie Lisa, ein junges, gerade fünfzehnjähriges Mädchen.
>>Ich verstehe dich sehr gut Lisa<<, beruhige ich sie weiter. >>Allerdings können wir heute nichts mehr tun. Wir fahren jetzt in unser Hotel und überlegen, wie wir morgen vorgehen wollen.<<
>>Denis hat sich mir nicht geöffnet, weil du dabei warst. Er hat eine wahnsinnige Angst vor Fremden, das kenne ich gar nicht an ihm. Viel gesprochen hat er nie, weshalb wir uns auch so gut verstanden. Im Gegensatz zu mir, hat er früher wie ein Wasserfall gequasselt, das hat sich geändert. Denis hat sich verändert<<, schließt Lisa leise, mit Tränen erstickter Stimme.