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2.4 Workshop-Methoden

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In der Praxis steht oft nur eine kurze Zeit für die Entwicklungsarbeit eines Fragebogens zur Verfügung. Um in kurzer Zeit die relevanten Merkmalsfacetten zu erfassen, ist der Einsatz von Gruppeninterviews oder Workshops die Methode der Wahl. Über die Workshop-Methodik lässt sich ein Prozedere ableiten, das von ExpertInnen erfolgreich zur zeitgerechten Entwicklung von kundInnenorientierten Fragebogen eingesetzt werden kann. Die Ergebnisse aus den Workshops und daraus abgeleitete Items und Subtests erlauben eine systematische Entwicklung von Fragebogen für die Anwendung in Industrie und Organisationen.

Der erste Schritt in einem solchen Vorgehen ist theorieorientiert und beantwortet die Frage, welche Kenntnisse zum zu messenden Merkmalsbereich bereits vorliegen. Damit wird es auch möglich, im Fragebogen Informationen für Optimierungsansätze, Unternehmensführung, Interventionen und Entwicklungsprozesse aus der Arbeits- und Organisationspsychologie einzubeziehen. Diese Aspekte gehen bei direkten Fragen nach einem umgangssprachlich definierten Konzept oftmals verloren. Workshop-Arbeiten sind eng am Common Sense und an der Oberfläche von Merkmalen orientiert. Tiefer greifende theoretische Aspekte aufzubereiten und einzubeziehen, obliegt den psychologisch geschulten Fachleuten als Vorbereitung für den Workshop (oder ggf. als Nachbereitung).

Innerhalb von MitarbeiterInnenbefragungen sind Ergebnisse aus Fragebogendaten oft nur sinnvoll umzusetzen, wenn die Konzepte auf unternehmensspezifische Aspekte bezogen werden und/oder allgemeine Fragenkomplexe durch unternehmensspezifische Facetten ergänzt werden. Besonders für die Formulierung von Items zu den unternehmensspezifischen Aspekten hat sich die Durchführung von moderierten Workshops bewährt. In diesen Workshops sammeln Führungskräfte gemeinsam mit betroffenen MitarbeiterInnen typische Verhaltensweisen oder Äußerungsformen für das Thema der Befragung. Diese werden über Moderationstechniken (Kärtchenabfragen, Mindmaps etc.) dokumentiert. Für die ModeratorInnen stellt die Eingrenzung der Merkmalsbereiche über die Critical-Incident-Technik von Flanagan (1954) auch hier die Methode der Wahl dar.

Die Workshop-Methode erfordert ein Vorgespräch mit den AuftraggeberInnen (Leitung, MitarbeiterInnenvertretung, Qualitätsmanagement) mit dem Ziel einer ersten Klärung des Problemfeldes sowie der relevanten Verhaltensbereiche (Führungskompetenz, Kooperation, Arbeitsunfälle, Unzufriedenheit, Fehlzeiten, Motivation, Mobbing, Verfügbarkeit bei Bereitschaftstagen, KundInnenbeschwerden über Verspätungen, Materialschwund etc.). Für den Erfolg des Workshops ist die Anwesenheit von RepräsentantInnen aller (!) relevanten Zielgruppen, EntscheidungsträgerInnen und Organisationseinheiten entscheidend. Wünschenswert ist die gleichzeitige Anwesenheit eines Mitglieds aus der Unternehmensleitung und eines Mitglieds der MitarbeiterInnenvertretung.

Im Workshop werden, gegliedert nach den Problemfeldern/Merkmalsbereichen, die relevanten Verhaltensweisen, Situationen und Manifestationen gesammelt und diskutiert. Gemäß der Critical-Incident-Technik werden immer wieder sowohl die Verhaltensweisen und Zustände bei ungünstigen oder kritischen Abläufen beleuchtet als auch im Kontrast dazu die Verhaltensweisen bei optimalen/wünschenswerten Abläufen.

Die Ergebnisse sind als Basis für die Formulierung von Items besonders ergiebig, wenn nicht nur „Extreme“ angesprochen werden, sondern vor allem auch der „Alltag“ und „kleine Anzeichen“. Extreme Verhaltensweisen dienen zur Klärung des Feldes, sind für die unmittelbare Umsetzung in Items aber nur selten brauchbar. Zudem sollte die Äußerungsform (Häufigkeit/Wahrscheinlichkeit/Intensität/Valenz etc.) für jedes Problemfeld diskutiert werden und geklärt werden, worin sich eine Verbesserung eindeutig zeigen würde.

Aus dem Pool der gesammelten Verhaltensweisen und Manifestationen werden anschließend per ExpertInnenurteil diejenigen ausgewählt, die sich aus der Sicht der Betroffenen gut beantworten lassen und die für das Projektziel sinnvolle Informationen liefern. Hierbei ist es in vielen Fällen besonders wichtig, den Aspekt der Veränderungsmessung einzubeziehen. Zudem sollen mehrere Facetten einen Merkmalsbereich abbilden. Insbesondere bei themen-, unternehmens- oder projektspezifischen Fragebogenentwicklungen ist abschließend ein (erneuter) Abgleich der Merkmalsbereiche mit theoretischen Modellen sinnvoll und notwendig. Für die konzeptuelle Analyse ist entscheidend, eine angemessene Festlegung im Detaillierungsniveau zu finden. Nur solche Aspekte, die der Selbst-/Fremdbeobachtung gut zugänglich sind, gehören in die Konzeptarbeit eines Fragebogens. Weitere Details sind relevant für komplexe Mehrebenenanalysen mit wissenschaftlichem Anspruch, die weit über die psychometrisch fundierte Befragung (z. B. bei Maßnahmenevaluationen) hinausgehen können.

Für die Zusammenstellung der Frage-Antwort-Einheiten zu einem Fragebogen liegen durch die Spezifizierung innerhalb des Workshops Informationen darüber vor, worin sich unterschiedliche Merkmalsausprägungen manifestieren. Dabei sind die unterschiedlichen Ebenen der erlebten psychischen oder körperlichen Reaktionen, des Verhaltens, der sozialen Interaktion, der Organisation ebenso wie Manifestationen in Prozessmerkmalen wesentliche Kategorien zur Systematisierung der Merkmalsfacetten.

Ergänzend zu den Workshops können Items auf Basis von Vorwissen der einbezogenen ExpertInnen, durch Arbeitsanalysen, Reanalysen empirischer Unternehmensdaten, Interviews mit externen ExpertInnen und Schlüsselpersonen formuliert werden. Im Anschluss an die Protokollierung des Workshops kann das Fragebogenentwicklungsteam die Konstruktion der Items und Subtests in Angriff nehmen. Vor der Itemformulierung ist zu klären, wie diese Verhaltensweisen, Befindlichkeiten, Prozesse und Manifestationen bei den Zielpersonen sprachlich repräsentiert sind. Repräsentative Merkmalsfacetten werden (immer aus Sicht der Befragten!) in Frage-Antwort-Komplexen formuliert und aufgelistet. Dabei sollte das Prinzip „So einfach und konkret wie möglich“ insbesondere bei den ersten Operationalisierungsschritten streng befolgt werden. Nur wer konkret fragt, kann auch konkrete Antworten erwarten!

Bei der ersten Operationalisierung der Items ist die Entscheidung für den Antwortmodus immer explizit zu fällen. Häufigkeiten von Merkmalen, Verhaltensweisen oder Symptomen sind abzugrenzen von Intensitäten und Bewertungen. Von extremer Bedeutung für gute Frage-Antwort-Komplexe ist deren eindeutige Skalierung!

Weitere Details zur Formulierung von Items finden sich im Kapitel über Prinzipien zur Formulierung von Items (Kapitel 3.3). Nach der Itemformulierung werden die Items zu den unterschiedlichen Facetten in Subtests zusammengestellt (s. Kapitel 4.1).

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