Читать книгу Tage des Traders - Kaas Koop - Страница 11
In der Konkursfalle
Оглавление9. Oktober: Herbstzeit, Zirbeldrüsenzeit: Weniger Licht sorgt bei dem im Hirn ansässigen Organ für eine erhöhte Melatonin-Produktion, was wiederum einschläfernd wirkt und antriebslos macht. An den Börsen führt diese Lethargie in der Regel zu fallenden Kursen. Zu meinem Leidwesen auch in diesem Jahr. Plötzlich verdichteten sich zudem noch Gerüchte über Zahlungsschwierigkeiten eines griechischen Industrieunternehmens zur Realität. Konkurs. Bitter für Anteilseigner, bitter für Mitarbeiter und Lieferanten, besonders bitter für Gläubiger wie mich. Totalverlust! Hatte High-Yield-Obligationen des Unternehmens in meinem Hochzinssegment des Portfolios stark übergewichtet. Wettete nach jüngstem Wechsel an der Unternehmensspitze, den positiven Signalen der Ratingagenturen sowie dem soliden Bilanzausweis klar auf einen Turnaround. Fand zudem jüngst im Conference Call mit einem anerkannten High-Yield Analysten Bestätigung für meine Positionierung. Chef spie wort- und gestenreich Feuer. Unterliess diesmal indes wohlweisslich das Grinsen, wodurch seine Eruption nur von kurzer Dauer war. Habe bis tief in den Morgen am Klavier über Beethovens „Wut über den verlorenen Grossen“ gesessen und letztendlich tiefe Entspannung gefunden.
23. November: Danke für Deine zwei Briefe. Konnte die Aufmunterungen gut gebrauchen. Mit Freunden zum Kinoabend getroffen. Wollte nach den jüngsten beruflichen Rückschlägen gar nicht hingehen, wollte mich verkriechen und innerlich zur Ruhe kommen. Susi drängte mich indes unter Aufbietung all ihrer Tricks und Raffinessen dazu, mal wieder etwas zu unternehmen. Gab letztendlich unter dem Furor ihres Charismas nach. Und was wurde gezeigt: Martin Scorseses „Wolf of Wall Street“ – eine Reminiszenz an den amerikanischen Penny-Stock-Betrüger Jordan Belfort. Es war zum Haare raufen: Musste mich jetzt auch noch in meiner Freizeit mit dem Thema Finanzmärkte auseinandersetzen. Reichte es nicht schon, dass meine Tante mir jüngst zum Geburtstag das neue Buch von Micheal Lewis „Flash Boys“ schenkte und mein Onkel mit Jesse Livermores „Reminiscences of a Stock Operator“ nachdoppelte. Mir steht aktuell mehr nach Victor Hugos „ Die Elenden“. Der Abend endete im lautstarken Argumentations-Pingpong zwischen mir und der neuen Freundin meines Gastgebers. Konnte in hitziger Debatte letztendlich deutlich machen, dass nicht alle Finanzteilnehmer von Gier und Ehrgeiz zerfressene, sich über alle ethischen Grundsätze hinwegsetzende, dem käuflichen Sex und rauschenden Kokain-Parties zugeneigte Akteure sind, die in einer glitzernden Scheinwelt voll dekadentem Luxus leben. War mir wichtig, dies unwiderleglich klargestellt zu haben.