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Im Bann der Technik

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5. August: Warum schreibst Du nicht mehr? Was treibt Dich um? Muss Dir erzählen: War auf einem Seminar über technische Analyse. Chef riet mir wärmstens dazu und lobte in höchsten Tönen die Vorzügen der Chartanalyse für das optimale Timing der Kaufs- und Verkaufsentscheidung. Musste hier unmittelbar an meinen Freund Bert denken. Er hatte immer ein Gespür für das „richtige“ Timing. So war er in der Schule immer krank, wenn Prüfungen waren, weswegen er ständig nachschreiben musste. Er verliebte sich immer dann unsterblich, wenn er auf dem Sprung in eine neue Stadt war, was stets zum Drama führte. Und machte mit seiner Workaholic-Freundin Schluss an dem Tag, and dem diese ein Sabbatical einreichte. Timing ist wichtig. Selbst der beste Trade kann, zum falschen Zeitpunkt aufgesetzt, im Desaster enden. Habe es selbst erlebt, Keynes übrigens auch („The market can stay irrational longer than you can stay solvent“). Also, bin mit grosser Vorfreude ins Seminar gegangen. Und was erlebte ich? Eine wahre Voodoo-Performance – welch ein Teufelszeug. Glauben die wirklich, dass es wiederkehrende, beobachtbare Ereignisse mit jeweils ähnlich wahrscheinlichen Zukunftsentwicklung im Chartverlauf gibt? Unglaublich! Wouter! Sie tun es, ich hab es erlebt. Mit Lineal und Bleistift bewaffnet über Linien-, Balken-, Candlestick-, und sogar Ichimoku Kinko Hyo-Charts gesessen, Trend-, Unterstützungs- und Widerstandslinien sowie Trendkanäle, Dreiecke, Rechtecke, Double- und Triple-Tops, Kopf-Schulter-Formationen vermeintlich gesichtet und eingezeichnet, Trendfolgeindikatoren – wie beispielsweise den MACD –, berechnet und, daran abgeleitet, Kauf- und Verkaufssignale („ Golden Cross“ bzw. „Death Cross“) bestimmt. Herrlich, und es wurde noch doller: Fokussierend auf einem Candlestick-Chart „Gravestone Doji“ und „Hanging Man“ als Verkaufssignal, „Morning Star“ und „Hammer“ als Kaufsignal gesichtet. Es war ein rauschendes Fest! Hatte selten mehr Spass bei einem Seminar! Erschreckend nur, mit welchem Ernst und welcher Akribie einige die Charttechnik verfolgen – Unglaublich. Dabei gehört sie doch eigentlich zu den Kuriositäten im Mausoleum der Trading-Scharlatanerie.

6. August: Zurück im Büro hat mich dann doch die Neugier gepackt. Bin schwach geworden. Kurz die noch jungfräulichen Seminarunterlagen repetiert – wir wissen doch, repetitio est mater studiorum – und dann einen Adlerblick auf meine Zins- und Swap-Charts geworfen. Überraschend „Hammer“ gesichtet. Sofort reagiert. Kaufsignal in Kauf umgesetzt. Chef gesprochen, staunte über meine Lernfortschritte.

13. August: „Hammer“ hin, „Hammer“ her, der Trade ist eine Katastrophe! Kurs fällt, fällt und fällt tagaus, tagein, trotz des Signals auf einen Umkehrschwung. Glaube es ja nicht. Habe bei zwischenzeitlicher Kurserholung Mut gefasst und nochmals Exposure erhöht. Desaster. Chef erleidet Tobsuchtsanfall. Lächelte ihn an, getreu dem japanischen Sprichwort, wer lächelt statt zu toben, ist immer der Stärkere. Sein Tobsuchtsanfall erreichte ungeahnte Dimensionen. Macht zudem massiv Druck, dass meine Performance nicht stimmt.

21. August: Wieder Klavierstunden genommen – war Susis Idee. Soll neben meinen sportlichen Aktivitäten zur Entspannung beitragen. Dabei auf interessantes Problem gestossen: Lässt sich das Rätsel der französischen Klaviermusik mit dem Pedal lösen? Was meinst Du? Nein, aber meine Anspannung. Bin die Ruhe selbst.

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