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Fallbeispiel 3

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Die sehr verunsicherte und ängstliche Patientin berichtete im Erstgespräch distanziert und völlig unzusammenhängend von einer großen Zahl an Symptomen, Beschwerden, Krankheitsbildern und Belastungsfaktoren. Anfangs schien es unmöglich, einen Überblick über ihren Zustand, ihre Lebenssituation und über ihre Biografie zu erhalten. In den jeweils folgenden Sitzungen konnte sie sich nicht mehr an die vorherigen Sitzungen erinnern. Es hatte zum Teil den Anschein, als hätte sie weder meine Praxis noch mich schon einmal gesehen. Zu manchen Sitzungen erschien sie extrem verängstigt und wirkte kindlich. Zu anderen Sitzungen erschien sie sehr erwachsen, kompetent und nüchtern, dann wieder jugendlich cool und kraftstrotzend. Auffällig blieben die Erinnerungslücken und die Schwierigkeiten mit den Terminvereinbarungen. Allein schon das Setting der Therapie zu gestalten, erwies sich als große Herausforderung. Die Patientin, die unter einer Dissoziativen Identitätsstörung (DIS) litt, hatte keine zusammenhängenden Erinnerungen. Jede ihrer Persönlichkeiten erinnerte – wenn überhaupt – jeweils nur die Sitzung und die Zeit, in der sie anwesend war.

Wir standen anscheinend vor einem Paradox: Um die ambulante psychotherapeutische Behandlung in dem Setting und in der Art und Weise durchführen zu können, wie sie gedacht war und empfohlen wird, hätte die Patientin deutlich stabiler (gesünder) sein müssen. Ich hätte sie mit dem Hinweis wegschicken müssen, erst einmal etwas gesünder zu werden, bevor ich sie anschließend behandeln könnte. Sie gehörte zu der Gruppe von Patientinnen, bei denen aufgrund der Instabilität und der therapiegefährdenden Faktoren eine ambulante traumatherapeutische Behandlung fraglich ist. Eine Klinikbehandlung, die an dieser Stelle vielleicht sofort als Lösung ins Auge springt, zeigte sich als unrealistisch, da die Patientin erstens von traumatisierenden Ereignissen während eines solchen Aufenthaltes berichtete und da dies zweitens für sie als alleinerziehende Mutter kaum möglich schien. (Wahrscheinlich fragen Sie sich, wie ein Leben als alleinerziehende Mutter mit einer solchen Traumafolgestörung funktionieren kann.) Wir entschieden uns für den ambulanten Behandlungsversuch und arbeiteten sozusagen gegen das innere und äußere Chaos der Patientin, besser gesagt: wir arbeiteten mit diesem Chaos. Schwere dissoziative Störungen wechselten ab mit weiteren extremen Symptomen der Traumafolgestörungen, erheblichen Schwierigkeiten im Zusammenleben mit den Kindern, bedrohlichen finanziellen Sorgen und vielem mehr. Von Stabilität konnte trotz eines großen Helfernetzes vorerst keine Rede sein.

Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen

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