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Fallbeispiel 4

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Die Patientin berichtet von ihren Erinnerungen aus dem Luftschutzkeller am Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Angriffe konnten jederzeit erfolgen. Es herrschte tiefste Verunsicherung und Panik und es war nicht klar, wie viele dieser Bombardierungen sie noch überleben würden. Es war kein guter Zeitpunkt, ein Kind zu bekommen, und nicht die Art, auf der Welt willkommen geheißen zu werden, die sich Eltern für ihr Kind gewünscht hätten. Abgesehen von den Belastungen durch die Abwesenheit des Vaters und der Angst um ihn stellte eine bedingungslose mütterliche Zuwendung für das Kind in dieser anhaltend lebensbedrohlichen Situation einen Luxus dar, der für die Mutter unerreichbar war. Die Kriegserlebnisse sollten das Kind ein Leben lang begleiten, man könnte sagen: verfolgen.

Würden sich nun psychische, somatische und soziale Probleme unabhängig davon betrachten lassen? Die Spätfolgen von Kindheitstraumatisierungen und transgenerativen Traumatisierungen sind gut untersucht und zeigen uns, welche Auswirkungen derartige Erlebnisse haben. Lassen sich andererseits sämtliche Probleme im Leben auf diese Erlebnisse zurückführen? Besteht das Risiko einer Art »Generalerklärung«? In dieser Hinsicht ist ein behutsames Vorgehen wichtig, durch das voreilige Schlüsse und Beurteilungen vermieden werden. In den Fällen, in denen es kein bedrohungsfreies Vorher gibt, in denen das Leben mit Traumatisierungen begann, ist ein trauma- und generationssensitiver Umgang mit den verschiedenen Beschwerdebereichen und Problemen notwendig.

Viele traumatisierte Menschen verlieren ihren Bezug zur Welt. Sie verlieren ein Sicherheitsgefühl, ein Gefühl, sich selbstbestimmt in der Welt bewegen zu können, das eigene Leben und die Welt gestalten und anderen Menschen vertrauen zu können. Sie verlieren ebenso den Bezug zu sich selbst, zu ihrem Körper, zu ihrer Identität. Sie verlieren den Bezug zu ihrer Würde, zu ihren Überzeugungen und zu ihren Gefühlen. Das Erleben, plötzlich im fortgeschrittenen Lebensalter mit einer ganz anderen Biografie konfrontiert zu sein, völlig anders, als die eigene Geschichte bis dahin erinnert wurde, stellt eine Extrembelastung für Betroffene dar, wie im zweiten Beispiel deutlich wird.

Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen

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