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2.4Orientierung mittels Klassifikation von Traumafolgestörungen

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Für die traumatherapeutische Praxis sind die Fragen der diagnostischen Einordnung äußerst wichtig. Sie sind für die Behandlung wegweisend, helfen dabei, Entscheidungen über die Gewichtung der Behandlungsphasen (zum Beispiel den Umfang der Stabilisierungsphase), die Integration weiterer Behandlungsbereiche (zum Beispiel den Exkurs Schuld, Trauer oder die Therapie von Persönlichkeitsstörungen) sowie spezifischer traumatherapeutischer Interventionen (zum Beispiel die Konfrontation/Beobachtertechnik) zu fällen.

Als die am häufigsten verwendete Orientierungshilfe in der Behandlung von Traumafolgestörungen kann die Unterteilung von Störungsbildern und entsprechenden Diagnosen angesehen werden. Eine differenzierte Klassifikation und das Bemühen um die Festlegung einer Diagnose sind aus vieler Hinsicht notwendig und hilfreich. Sie erlauben Aussagen und Entscheidungen über das therapeutische Vorgehen, den Behandlungsplan sowie einzelne spezifische Interventionen. Weiterhin erleichtern sie die Abschätzung einer Prognose und schützen vor unangemessenen Zielvorstellungen. Nicht zuletzt stellen sie eine Anerkennung des Geschehenen und der Folgen dar. Diagnosen sind nicht als Stempel oder Stigmata zu verstehen. Sie sind jedoch, wie in vielen Bereichen der klinischen Psychologie und Medizin, für eine fundierte und verantwortungsvolle Behandlung notwendig. Wenn ein Onkologe dem mit einer Krebserkrankung konfrontierten Patienten erklären würde, dass er nicht so genau wisse, unter welcher Form der Krebserkrankung er leide und welche Tumor-Art vorläge, dass es aber auch nicht so sehr auf die genaue Diagnose ankäme, da diese ohnehin relativ sei und überbewertet werde, wäre der Patient verständlicherweise höchst beunruhigt.

Die Klassifikation und Diagnosestellung einer Traumafolgestörung in Verbindung mit einer angemessenen Psychoedukation kann Patientinnen erleichtern und ihnen Hoffnung geben, zum Beispiel, indem sie plötzlich ihre Symptome besser verstehen und einordnen können und indem ein konkreter Behandlungsplan abgeleitet werden kann. Sie kann sie jedoch in gleichem Maße stark verunsichern. Diagnosen können sehr erschrecken, einen Abgrund oder ein schwarzes Loch öffnen, vor denen viele Patienten verständlicherweise große Angst haben und die sie mit absolut besorgniserregenden Attributen verbinden, wie zum Beispiel bei der Diagnose einer Dissoziativen Identitätsstörung (DIS).

Im Fall von Hoffnung erhöhen sich Stabilität und Behandlungsmotivation deutlich, was die psychotherapeutischen Bemühungen entsprechend erleichtert. Im Fall von Erschrecken kann eine nachvollziehbare Aversion für erhebliche Behandlungsschwierigkeiten sorgen, beispielsweise allein schon deshalb, weil die Diagnose nicht wahr sein darf.

Die Diagnose einer Traumafolgestörung kann ungünstigenfalls einen prägenden Einfluss haben, wenn Patientinnen beispielsweise annehmen, dass sie nun unheilbar krank seien, sich alle Menschen von ihnen abwenden würden und ihr Leben auf dem absteigenden Ast besiegelt sei. Nicht zuletzt sind diagnostische Einordnungen für eine differenzierte Selbsthilfe hilfreich, da die Patienten wissen, worum es geht, wonach sie suchen müssen und welche Ansprechpartner neben der Therapeutin infrage kommen. Sie können nach Menschen mit ähnlichen Erfahrungen suchen, die beispielsweise im Heilungsprozess schon einige Schritte voraus sind, ihnen davon berichten und ihnen Mut machen.

Wir brauchen also eine Idee von dem, worunter unsere Patientinnen und Patienten leiden. Wir brauchen dafür Worte, wir brauchen Vergleichs- und Zuordnungsmöglichkeiten, ohne dabei Stempel, Schubladen und starre Kategorien zu verwenden. Wir brauchen Entscheidungshilfen, die die Auswahl der Interventionen ermöglichen und uns den Weg durch die Behandlung zeigen. Diese Wege unterscheiden sich drastisch voneinander und hängen von sehr vielen Faktoren ab. Im Folgenden wird ein Überblick über die diagnostischen Kategorien gegeben.

Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen

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