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Ägypten zurück, Tunesien nach vorn
ОглавлениеAm 11.2.2011 stand ich nach 18 Tagen Aufstand mit Tausenden Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Der Diktator Hosni Mubarak hatte gerade abgedankt. Überall wurde gefeiert, gesungen und getanzt. In meinem Kopf musste sich die Nachricht aber erst noch langsam setzen. Der Mann, der Ägypten schon regierte, als in Österreich noch Bruno Kreisky und in Deutschland Helmut Schmidt im Amt waren, er war Geschichte. Es waren Tage der Zuversicht. Wir alle standen euphorisch auf dem Tahrir und dachten, die Zukunft Ägyptens und der gesamten arabischen Welt werde nun friedlich und demokratisch ausgehandelt.
Die Wirklichkeit erwies sich als viel komplizierter und meist enttäuschender. Auch im benachbarten Libyen hatten sie den Diktator, Muammar Al-Gaddafi, bald gestürzt. Doch das Land brach in einem Krieg der Milizen auseinander, in dem es viele Jahre lang keine Sieger, dafür ein ganzes Land als Verlierer geben sollte. In Syrien hatte Baschar Al-Assad von den Umstürzen bei seinen Diktatoren-Kollegen gelernt, nicht lange zu zögern, sondern sofort auf die Demonstranten schießen zu lassen. Das Land versank in einen Bürgerkrieg, der als abschreckendes Beispiel dafür diente, wie gefährlich der Versuch sein kann, mit den alten Strukturen zu brechen. Und dann waren da noch die Golfstaaten. An ihnen ging der Kelch des arabischen Wandels zunächst vollkommen vorüber, weil sie alle Widersprüche mit Petrodollars zukleistern konnten. Die Hoffnungen auf friedlich und demokratisch ausgehandelte Veränderungen lasteten ausschließlich auf Ägypten und Tunesien.
In beiden Ländern brach ein Wettstreit zwischen zwei grundsätzlich unterschiedlichen politischen Konzepten aus: dem politisch-islamistischen Trend auf der einen und den Liberalen und Säkularen auf der anderen Seite. Aber dann nahmen die Entwicklungen in diesen beiden Ländern einen sehr unterschiedlichen Verlauf.
In Ägypten ergriff das Militär die Gelegenheit, trat in einem politisch völlig polarisierten Land als Retter der Nation auf, riss die Macht an sich und schloss zunächst die Islamisten aus dem politischen System aus, um bald danach jeglichen Dissens zu kriminalisieren. Tunesien war zwar ebenso polarisiert wie Ägypten, schlug aber einen, auch nicht einfachen, demokratischen Weg ein, um die Widersprüche zu überwinden.