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Ägypten: Das Militär kehrt zurück an die Macht
ОглавлениеÄgypten wurde indes durch die Polarisierung zwischen Muslimbrüdern auf der einen und Liberalen und Säkularen auf der anderen Seite immer unregierbarer. Nach einem Jahr Herrschaft der Muslimbrüder wurde immer deutlicher, dass das Land nicht von diesen alleine regiert werden kann, diese Lektion hatten die Ägypter gelernt. Doch die tunesische Lektion, dass das Land auch nicht ohne Islamisten regiert werden kann, die wollten sie nicht lernen. Beide Seiten standen einander unversöhnlich gegenüber. Der Ton wurde immer schärfer. Viele derjenigen, die gegen Mursi auf die Straße gingen, riefen dazu auf, die Muslimbrüder „fertigzumachen“. Und hier ging es nicht um ein paar Tausend Menschen: Millionen Ägypter sollten fertiggemacht werden.
Während sich auf den Straßen der Ärger über die Muslimbruderschaft in Massendemonstrationen entlud, in denen der Rücktritt von Präsident Mursi gefordert wurde, mobilisierten die Muslimbrüder wiederum ihre Anhänger unter dem Slogan der demokratischen Legitimität Mursis als ägyptisches Staatsoberhaupt. Und in all dieser Zeit plante das Militär im Hintergrund bereits die Machtübernahme. In ägyptischen Talkshows wurde bereits offen über ein Datum diskutiert, wann das der Fall sein könnte.
Am 30. Juni 2013 wurde dann das Ende Mursis eingeläutet. Es kam zu Massenprotesten gegen die Muslimbrüder, mit dem Tahrir-Platz als deren Zentrum. Dort hatten sich alle Gegner der Muslimbrüder versammelt. Es herrschte ein regelrechter Anti-Mursi-Rausch. Doch auch bei dieser ganz großen Anti-Muslimbruder-Koalition, die da auf dem Platz stand, waren die politischen Widersprüche der Post-Mursi-Zeit schon angelegt. Die Demonstranten einte einzig ihr Protest gegen die Muslimbruderschaft – über die Zukunft Ägyptens hingegen gingen ihre Vorstellungen weit auseinander.
Da standen zum einen jene auf dem Platz, die Mubarak Anfang 2011 gestürzt hatten, junge Tahrir-Aktivisten, Linke, Vertreter der Zivilgesellschaft. Sie hatten beim Sturz Mubaraks den Blutzoll gezahlt. Neben ihnen war die „Sofa-Partei“ zahlreich auf dem Platz vertreten: jene Ägypter, die sich den arabischen Wandel bisher nur im Fernsehen angeschaut, sich aber nicht an ihm beteiligt hatten, und von denen nach einem Jahr Amtszeit Mursis immer wieder der Satz zu hören war: „Unter Mubarak war es doch besser.“
Und dann gab es da noch die alten Mubarak-Seilschaften zu sehen. Deren Vertreter hofften nun, durch die Hintertür wieder in das politische System zu kommen, nicht zu vergessen die Männer des Sicherheitsapparats, die sich nichts sehnlicher wünschten, als rehabilitiert zu werden, natürlich ohne ihren Unterdrückungsapparat reformieren zu müssen. Mit anderen Worten: Revolution und Konterrevolution feierten geeint in ihrer Ablehnung Muhammad Mursis und der Muslimbruderschaft. Und das eigentliche Zepter lag in den Händen des Militärs, das seine eigenen Interessen und Privilegien im Auge hatte.
Am 3. Juli 2013 verkündete Ägyptens Militärchef Abdel Fattah El-Sisi dann die Verhaftung Mursis und die Machtübernahme durch das Militär. Über Nacht hatte sich auch der Fokus der nationalen Debatte verändert. Statt über die Frage zu debattieren, wie viel Religion die Politik verträgt, stritt man nun wieder darüber, wie viel Neues und wie viele Reformen in dem Land am Nil durchgesetzt werden können. Das erinnerte ein wenig an den Ausgangspunkt der Revolution – alles begann von vorn, nur ohne die Muslimbrüder. Die gingen direkt ins Gefängnis, jedenfalls zunächst die Führungskader.
Die saßen nun zum Teil in den gleichen Gefängnissen wie die Vertreter des alten Regimes, allen voran Mubarak. Wie die ägyptische Justiz mit den neuen und den schon etwas länger Inhaftierten umging, war symptomatisch. Gegen die Vertreter des alten Regimes wurden oft Verfahren im Schongang geführt, an deren Ende sie meist freigelassen wurden – die korruptesten unter ihnen mit einer Ablasszahlung –, während die obersten Kader der Muslimbruderschaft von einem Verfahren zum nächsten getrieben wurden und in den Gefängnissen verrotteten.